Ein langer Weg der Überlegungen und der Suche führte mich zu diesem Ergebnis, denn die Suche und das Nachdenken mündeten in die Sackgasse, die oben beschrieben wurde. Der Weg war nicht mal geradlinig, eher einer Gasse ähnlich, die sich durch Häuser und Gestrüpp schlängelte, ein mühsamer und langer Weg, der mehrere Jahre meines Lebens in Anspruch nahm.
Hätte ich es geahnt, wie der Weg enden würde, hätte ich den mühsamen Gedankengang schon vorzeitig, viel früher, abgebrochen. Ich hätte einige Lebensjahre gewonnen. Denn theoretisch stand die Schlussfolgerung von Anfang an. Mir war das alles in der Theorie sogar bewusst, nicht aber existentiell: Ich wollte es mir nicht eingestehen, ich wollte nicht resignieren und, so dachte ich damals, ohne Hoffnung weiter leben.
Es ist absurd, aber wahr: Man braucht lange, um sich zu überzeugen, dass selbstgebastelte Bilder von Gott nicht Gott sein können – sie können nur Idole sein. Das Gegenteil – die Identität von einem von Menschenhand geschaffenen Bild mit Gott - wäre rein theoretisch ein Paradox. Man hofft aber immer wieder, dass wenigstens das eine oder andere Gottesbild zutreffend, annähernd wahr ist.
Und wer verzichtet freiwillig auf einen tröstenden, helfenden, die eigene Existenz begründenden, das Universum erklärenden Gott? Man hat den Eindruck, wenn man das täte, dann stünde man ganz alleine, verwaist in der Welt, und die Welt wäre keine blühende Oase mehr, sondern eine gnadenlose Wüste. Man sträubt sich deshalb, die bereits zu Beginn mehr oder minder klare theoretische Einsicht auch für die eigene Existenz als relevant zu sehen.
Es ist natürlich logisch klar: Aus verschiedenen Gründen können unsere Bilder keine Bilder Gottes sein. Sie sind einfach nur unsere Bilder: von uns entworfen, uns selbst, unsere Wünsche und Hoffnungen wiedergebend und abbildend.
Der erste Grund dafür ist, dass Gott für unsere Erkenntnistätigkeit nicht zugänglich ist. Er entzieht sich, wenn es ihn überhaupt gibt, unserem Versuch, ihn zu erkennen. Rein empirisch können wir uns getrost eingestehen, dass wir Gott nicht kennen. Was wir erkennen können, sind Gegenstände, Ideen, Gedanken, Gefühle. Sie sind alle Elemente des uns zugänglichen Universums. Sie sind allesamt nicht Gott. Sie sind Objekte und Inhalt unserer Erkenntnis. Wir alle wissen also bereits: Das, was wir kennen, ist nicht Gott.
Immerhin bekennen auch die monotheistischen Religionen, dass Gott der ganz Andere ist. Dann müsste man konsequenterweise aufhören, so zu tun, als ob er ein guter Bekannter von uns wäre. Auch die professionellen Prediger sollten es sich und anderen eingestehen und ihrem Sprachrohr eine lange Pause gönnen, wenn sie wieder versucht werden, über das Lieblingsthema Gott zu fabulieren.
Der Einwand gegen diese Meinung ist, dass sie, solange sie nicht endgültig bestätigt wird, nur eine Hypothese sei. Aus der Tatsache, dass wir bisher Gott empirisch nicht kennen, wird die Hypothese aufgestellt, dass Gott der ganz Andere ist. Die Gegenfrage kommt natürlich und zu recht: Kennen wir denn bereits alles, so dass wir ausschließen können, dass wir Gott erkennen können?
Es ist zu vermuten, dass es eine ganze Menge Dinge gibt, die wir nicht kennen. Es ist sollte aber nicht zu bestreiten sein, dass Gott eins von diesen ‚Dingen’ sein kann, die wir noch nicht kennen. Anders als andere Dinge, die der Mensch mit seinen Sinnen und technischen Instrumenten später entdecken wird, ist Gott, wenn es einen gibt, mit unseren Sinnen und unserem Instrumentarium nicht zu erkennen. Wenn er ist, dann ist er anders: unbegreiflich, unfassbar. Das wiederholen wir eigentlich oft: Gott ist unbegreiflich, unfassbar. Denn ein Gott der von unserer Erkenntnistätigkeit ‚entdeckt’ wird, würde gleichzeitig ein Gegenstand, ein Objekt unseres Geistes. Und der wäre zu wenig, um Gott zu sein.
Gleichzeitig meinen wir aber immer doch zu wissen: Gerade weil Gott unbegreiflich und unfassbar ist, gerade deshalb gibt es ihn, auch wenn wir ihn nicht kennen. Irgendwie meinen wir unbewusst, wenn Gott unbegreiflich ist, dann aber ist er. Diese Sprachlogik ist falsch und falsch ist auch die Schlussfolgerung, denn das Wörtchen ist wird in zwei verschiedenen Sinnen verwendet. ‚Gott ist unbegreiflich’ bedeutet ‚wir können Gott nicht begreifen’, auch wenn er existieren sollte, was nur eine von zwei Alternativen ist. ‚Gott ist’ bedeutet ‚Gott existiert’. Letzteres wissen wir aber nicht, weil wir Gott überhaupt nicht begreifen können.
Also wir werden nie wissen, ob es einen Gott gibt. Die Hoffnung, dass wir Gott von Angesicht zu Angesicht sehen werden, können wir fallen lassen. Ein Gott, der Gegenstand unserer Augen oder unseres Intellektes werden kann, ist kein Gott, sondern ein Gegenstand.
Und das ist gleichzeitig der zweite Grund, warum wir Gott nie erkennen werden. Unsere Erkenntnistätigkeit macht das Erkannte zum Objekt der Erkenntnis. Man könnte sagen: Unser Erkenntnisvorgang macht das erkannten Wesen zum Gegenstand der Erkenntnis. Erkennen ist, das Erkannte als Idee in unserem Hirn zu speichern - wie eine Datei auf der Festplatte unseres Computers. Gott wäre dadurch ganz winzig, hätte vielleicht die Größe von wenigen Bytes in unserem Hirn. Wer meint, Gott erkennen zu können, macht ihn winzig klein.
Wäre dieser Gott wirklich Gott? Ich fürchte, nein, und ich hoffe es auch nicht.
Ein neues Leben ohne Gott ist also eine Notwendigkeit, eine erzwungene Wahl, keine gesuchte Alternative.
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