Sarah Jenkins

Liebe, Sex und Königsberger Klopse


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fiel Franziska schwer zu glauben, was sie eben gehört hatte. Am liebsten wäre sie aus ihrem unfreiwilligen Versteck gestürmt, um mehr Details zu erfragen, aber sie hielt den Atem an und sicherheitshalber immer noch die Hand vor den Mund. Während sich direkt vor ihrer Tür eine Frau lauthals bei ihrer Freundin über zu viel Französisch beschwerte, hatte Franziska die Vorstellung, diesen Mann zwischen ihren Schenkeln zu spüren, sofort erregt. Oh Gott, ich bin ja pervers, schimpfte sich Franziska selbst, aber gleichzeitig musste sie grinsen. Sie wollte diesen Ed von Schleck unbedingt kennenlernen. Franziska fiel in diesem Moment der stets zweideutige Slogan des Lagnese-Klassikers ein: "Lieber gut geleckt als nicht geschleckt". Ja, das stand damals tatsächlich und allen Ernstes auf der Packung! Was sich die Marketingleute wohl dabei gedacht haben? Heute würde so ein Eis automatisch eine Sexismus-Debatte hervorrufen und etliche Shitstorms entfachen. Ich mochte das Eis aber immer, erinnerte sich Franziska, so sahnig, cremig, erdbeerig. Hmmm. Sie schluckte und Wasser lief ihr im Mund zusammen. Und das sah auch immer so köstlich aus, dieser Quirl aus weißem Sahne-Eis und rotem Erdbeermus. Verdammt, das gibt´s gar nicht mehr zu kaufen, oder?, fragte sie sich, die haben das tatsächlich vom Markt genommen. Blöd, echt blöd, dachte sie und besann sich darauf, dass sie einem sehr interessanten Gespräch gefolgt und auf noch interessantere Art und Weise angefixt war, und zwar in ihrem Höschen. Ihre Pussy pulsierte.

      Sie wartete, bis die Informantinnen den Waschraum wieder verließen, huschte aus ihrer zu einem Versteck gewordenen Klokabine schnell zum Waschbecken und prüfte ihr Spiegelbild. Ihre Wangen waren gerötet, auf ihrem Dekolleté waren sofort rote, hektische Flecken entstanden. Du bist mir ja vielleicht ein Früchtchen, dachte sie vergnügt, während ihr das kalte klare Wasser über die Hände floss. Franziska schaute auf ihren roten kleinen Mund, der unverzüglich geküsst werden wollte, schließlich war es schon ein paar Monate her, dass sie das Vergnügen hatte, einen Mann mit einer außergewöhnlichen Zungenfertigkeit auch zwischen ihren Beinen spüren zu dürfen. Orale Freuden sind nicht jedermanns Sache, man muss sich als Frau wirklich fallen lassen können, aber das konnte Franziska.

      Sie liebte es, wenn ein Mann es ihr per Lecktechnik so richtig besorgte. So gesehen konnte sie der Freundin der Informantin nur beipflichten. Doch im Gegensatz zu der Dame, die sich über diese Gabe lauthals echauffierte und mit ihr nichts Gutes anzufangen wusste, liebte Franziska diesen Akt mindestens genauso wie den eigentlichen. Überhaupt schien sie ihr eine verbitterte Frau zu sein, die nicht nur diesen einen, sondern alle Männer hasste, und dass, obwohl sie sie nicht gesehen, sondern ihr nur zugehört hatte. Wer weiß, vielleicht störte sie ja etwas ganz anderes und der Sex war nur der Auslöser, aber das sollte nicht Franziskas Problem sein. Der Gedanke, diesem zungenfertigen Muschiflüsterer gleich irgendwo im Club über den Weg zu laufen, durchflutete sie mit dem wonnigen Gefühl größter Vorfreude.

      Vielleicht hätte sie sich vorher eine Strategie überlegen sollen, vielleicht brauchte sie erst einmal einen Plan, vielleicht hätte sie sich auch einfach nur wieder beruhigen – und den zu schnell pochenden Puls nur länger unter das kalte Wasser halten sollen, aber es gab in diesem Augenblick nur ein Ziel: Sie und ihre Muschi mussten diesem Mann unbedingt begegnen, jetzt, sofort, gleich, auf der Stelle.

      ***

      Der Club platzte aus allen Nähten. Die Leute drängten sich dicht aneinander und lachten, einige laut und affektiert, andere quietschend und knatternd wie eine alte Tür, sie unterhielten und küssten sich, prosteten einander zu und kreisten ihre Hüften. Mädchenbeine glänzten im schimmernden Licht der Discokugel. Das hippe Partyvolk war in seinem Element. Eigentlich war Franziska mit ihrer Mädels-Truppe hier. Die werden mich schon nicht vermissen, beruhigte sie ihr schlechtes Gewissen. Zum Glück geht sie immer allein aufs Klo und nicht im ganzen Hühnerhaufen. Das nervt sie nur. Man stelle sich mal vor, was ihr entgangen wäre, wäre sie gackernd und kichernd mit mehreren Mädels über das Klo hergefallen. Augenblicklich wäre das so interessante Gespräch verstummt gewesen! Glück gehabt, dachte sich Franziska, das ist heute mein Abend!

      Sie schlängelte sich an engen Jeans und kurzen Röcken vorbei, spürte fremde Hände auf ihrem Rücken und an ihrem Po, die wie ein sanftes Geleit in der Menge waren und tauchte in einen großen See von Wortfetzen, Phrasen und Gekicher. Und plötzlich sah sie ihn an der Bar, Frank, genauso wie die wütende Frau ihn zuvor beschrieben hatte: groß, mit dunklen Augen und dunklem Haar, sonnengebräunt. Franziska sah ihn und wusste genau, das ist er, der Leckvirtuose, der orale Beglücker, der Held der geleckten Nächte, der Muschiflüsterer. Ihre durstige Vulva schmatzte schon fast vor Sehnsucht.

      Er lehnte an der Bar und nippte an einem Cocktail, das kleine Strohhütchen im Glas zappelte an seiner Wange. Verzaubert schaute sie ihn an, sein Profil war schön, er hatte neugierige, wache Augen, einen charmanten, fast schelmischen Gesichtsausdruck und ein gewinnbringendes Lächeln. Hinter diesem Lächeln sah sie seine Zunge, die sie spüren wollte. Selten war Franziska über sich selbst so erstaunt wie in diesem Moment, denn ohne noch einmal darüber nachzudenken oder zumindest abzuwägen, was sie erwarten könnte, steuerte sie ihn an. Sie hatte nichts zu verlieren.

      No risk, no tongue.

      Vielleicht ist das, was ich jetzt vorhabe tatsächlich etwas schamlos, doch genau darin besteht der Luxus, den ich mir heute Abend gönnen will, dachte sie und ging direkt auf ihn zu. Sie war angesichts ihres Vorhabens etwas angespannt und hatte das Gefühl, dass vor lauter Aufregung sogar ihre Knie ein bisschen zitterten.

      "Ich glaube, Mojito wird normalerweise ohne Schirmchen serviert", sagte sie dennoch selbstsicher, als sie sich an die Bar vorgekämpft hatte.

      "Wie meinen?", fragte der Mann, dessen Name Franziska schon längst wusste und der in ihren Ohren genauso wie der Name eines prätentiösen Komponisten klang.

      Lächelnd zeigte sie auf sein Getränk.

      "Ach so, das meinst du", bemerkte er und stellte das Glas zur Seite, "verstehe".

      Er lächelte. Langsam und etwas unbeholfen stieg Franziska auf die kleine, seitliche Einkerbung des Tresens und winkte den Barkeeper heran. Als sie bestellen wollte, kam Frank ihr zuvor und sagte: "Sie hätte gern einen Mojito! Aber ohne Schirmchen!"

      Der Barmann schaute Franziska fragend an.

      "Nein, nein, hören Sie nicht auf ihn, ich nehme zwei Whisky Sour."

      "Gute Wahl!", erwiderte Frank zwinkernd.

      "Ich bin Franziska", sagte sie, während sie mit einem Auge dem Barkeeper beim Zubereiten der Cocktails zusah.

      "Frank", sagte Frank.

      "Bist du mit jemandem hier?", flüsterte sie ihm ins Ohr und sah ihm direkt in die Augen.

      Franziska konnte kaum glauben, wie mutig sie war und spürte, wie die Aufregung in ihr zu einem großen Ballon anschwoll.

      "Nicht, dass ich wüsste", antwortete dieser und erwiderte ihren Blick. "Warum interessiert dich, ob ich in Begleitung oder allein hier bin?", wollte er wissen.

      Franziska tat geheimnisvoll und klimperte mit ihren Augen.

      "Ach, nur so", entgegnete sie und versuchte, ihre innerliche Anspannung ein wenig zu unterdrücken, in dem sie gespielt gelangweilt sagte: "Ich finde, das ist eine ganz normale und durchaus berechtigte Frage. Stell dir vor, du würdest antworten, du seist mit deiner Freundin hier, die eben nur kurz zur Toilette ist, aber gleich wiederkommen müsste. Wäre das nicht ausgesprochen schade?"

      Die Art, wie Frank sie jetzt ansah, stachelte sie in ihrem Vorhaben weiter an und brachte den Gedanken an seine flinke Zunge zurück in ihren Fokus. Der Barkeeper hatte die Getränke fertig. Franziska zahlte sofort und schob eines der beiden Gläser rüber.

      "Für mich?", fragte Frank und lächelte, "wie komme ich dazu?"

      "Du gefällst mir, deshalb", antwortete sie und berührte dabei wie zufällig seine Hand.

      Langsam nippte sie an ihrem Cocktail, ohne den Blick von seinem Mund abzuwenden.

      "Kann ich deine Kirsche haben?", fragte sie einige Augenblicke später und beendete in Gedanken den Satz mit "du bekommst nachher auch meine Kirschknospe".

      "Weißt du, wie die eigentlich heißen?", fragte