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Paulo wird Studienrat und reist (2)


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verbunden, zwischen den Rahmenteilen saß hinten der Tank. Vorne saß auf einem Querträger die Rahmennummer, die war wichtig, denn darauf war der Brief ausgestellt.

      Ich weiß gar nicht mehr, wo ich überall die Teile für meine Ente organisiert hatte, ich brauchte ja alles, Räder, Schwingarme, Häuschen, Motor, Auspuff usw.

      Lutz schweißte mir ein paar Bleche am Häuschen zusammen, man konnte es im ausgebauten Zustand prima auf die Seite legen. Nachdem ich alles zusammen hatte, fing ich an, die Teile zusammenzubauen. Vorher instruierte ich die Kinder, meine halb zusammengesetzte „Ente“ nicht als Spielplatz zu benutzen. Als ich sie dann doch dabei erwischte, wie sie in meinem roh daliegendes Häuschen Fahren übten, riss mir der Geduldsfaden und ich gab Matthija und Claudia einen Klaps auf den Po, ganz leicht, wie ich glaubte. Das Geschrei war riesig, als hätte ich beide richtig gehend vertrümmt. Dann wurde mir noch der Vorwurf gemacht, ich hätte den einen viel fester gehauen als den anderen. Das mit dem Klaps war nicht in Ordnung, so viel sah ich hinterher ein, aber hinterer scharrten die Hühner!

      Ich pinselte mein neues Häuschen ordentlich mit Unterbodenschutz ein, dann kamen die anderen Sachen an die Reihe. Der Rahmen bekam vier Schwingarme mit vier Rädern verpasst, immerhin stand so schon mal eine vierrädriges Etwas da. Dann wurde das Häuschen draufgesetzt, jetzt war schon ein richtiges Auto zu erkennen. Die Türen wurden in Aufnahmeschienen gesteckt, die Sitze mit ihren Haken in dafür vorgesehene Bodenlöcher geschoben, ebenso die Rückbank, die mit einem Bügel noch verriegelt wurde. Das „Häuschen“ wurde dann mit einer Fülle von 11er Schrauben mit dem Rahmen verbunden. Die Montage von Motor, Getriebe und Achswellen war kein großes Problem. Zum Schluss wurden noch die Kotflügel montiert und fertig war meine „Ente“.

      Ich lackierte meine „Ente“ grün und war stolz, mein eigenes Auto zusammengebaut zu haben. Die größte Hürde stand aber noch bevor: der TÜV! Erstmal musste ich zum Straßenverkehrsamt, den Wagen zulassen. Das Straßenverkehrsamt war bei allen verhasst, das lag an den missmutigen Beschäftigten, mit denen man da zu tun hatte. Es bildeten sich immer riesige Schlangen an den Schaltern, die Mitarbeiter kosteten ihre Machtposition richtig aus und schickten einen manchmal, wenn man endlich dran war, zurück zur Kassenschlange, wo man wieder anstehen musste. Stunden verbrachte man auf diesem Amt und war froh, endlich durch zu sein.

      Ähnliche Machtdünkel erlebte man beim TÜV, je nachdem, an wen man geriet. Ich hatte das Glück, einen netten Prüfer zu haben, meine Ente passierte den TÜV auf Anhieb. Meine Güte, war ich glücklich. Mein selbst zusammengesetztes Auto war durch den TÜV gekommen, Wahnsinn! Auch die anderen staunten nicht schlecht, als ich zur Wohngemeinschaft zurückkam. Nachdem Dieter seinen Käfer abgegeben hatte, fuhr auch er eine „Ente“, die ich ihm dann später abkaufte. Bei meiner „Ente“ konnte man schon nach einem halben Jahr vom Fahrersitz aus durch das Bodenblech auf die Straße gucken.

      Unser Hof stand immer voller Autos, irgendein Wagen war immer zu reparieren. Die „Ente“ war ein Einfachauto, wenn man sich mit Reparaturen auskannte und immer Werkzeug an Bord hatte, machte das „Entenfahren“ unheimlichen Spaß. Lutz hatte eine weiße „Ente“ mit blauen Kotflügeln. Was der so richtig machte, war mir nie ganz klar. Er studierte eine Zeit lang mit Henni Elektrotechnik, dann war er am Siegerlandkolleg, um sein Abitur zu machen. Er war ein Frauentyp, und das wusste er auch. Manchmal ging der Narziss mit ihm durch, aber das hielt sich alles noch in Grenzen. Er war sehr körperbedacht und achtete auf eine gute Figur. Er hatte einen astreinen Body. Im Keller hatte er große Gärflaschen mit Apfelwein stehen, die wir alle leertranken. Die meiste Zeit war er mit seiner Freundin Annette zusammen. Es gab aber auch mal andere Frauen, Gudrun und Martina zum Beispiel. Lutz hörte gerne gute Musik, wie wir alle, und er spielte oft auf seinen Kongas.

      Annette war aufs Äußerste auf ihre Erscheinung bedacht. Sie war sehr gepflegt, schminkte sich, trug moderne enge Jeans und dazu die höchsten Highheels. die ich je gesehen hatte. Ich glaubte, sie konnte schon nicht mehr normal barfuß laufen, so hatten ihre Schuhe ihre Füße verformt. Sie hatte ein lustiges Naturell und konnte dermaßen laut lachen, dass die Wände wackelten. Wenn sie mit ihren hochhackigen Schuhen lief, wackelte ihr Hintern, was sie natürlich wusste. Sie war in ihrem Wesen sehr nett, allerdings manchmal auch recht einfachen Geistes. Annette verließ die Wohngemeinschaft dann früher als wir anderen.

      Uwe war der Älteste von uns allen. Seine „Ente“ hatte eine grünliche Farbe. Er war in aller Augen der Siegerländer Prototyp: sehr verschlossen, um nicht zu sagen stur, nicht sehr wortgewaltig. Er war sehr groß und ging nach vorne gebeugt, als hätte er einen Buckel. Er drehte „Samson“ - Zigaretten, was damals noch recht billig war. Er mischte auch ganz gern ein Stückchen Shit unter den Tabak. Uwe war ein herzensguter Mensch, der auch gerne lachte. Seiner Frau Bärbel gegenüber verhielt er sich immer fair, obwohl er auch gerne nach anderen Frauen schielte. Er studierte eine Zeit lang, was weiß ich nicht mehr, er hatte die Begabtensonderprüfung gemacht, ein Sonderweg zur Hochschule für Leute ohne Abitur, den es damals nur in Nordrhein–Westfalen gab. Bärbel war die liebste Frau, die ich damals kannte. Sie arbeitete in der Wäscherei des Krankenhauses und kümmerte sich um ihren Sohn Matthija. Ich denke, dass sich Bärbel so manches Mal ihre Gedanken gemacht hatte, wenn sie uns Nichtstuer so in der Gegend herumhängen sah. Sie machte aber niemandem einen Vorwurf und war die einzige, die versuchte, so etwas wie einen normalen Haushalt zu gestalten. Manchmal, wenn wir bei Kaffee und Brötchen am Tisch saßen, zog Bärbel mit dem Staubsauger durchs Gemeinschaftszimmer. Man konnte immer mit ihr über alles reden. Sie war das gute Herz der Wohngemeinschaft.

      Alice war von ihrem Mann Klaus geschieden und lebte mit ihren zwei Kindern bei uns. Man hatte immer den Eindruck, als hätte sie etwas nachzuholen, was ihr in den Jahren ihrer Ehe vorenthalten worden war. Alice war groß und hatte langes dunkles Haar. Sie war attraktiv. Sie war ein offener und herzlicher Mensch. Man ging gerne mit ihr aus. Ich war einmal mit ihr und ihren Kindern in den Kölner Zoo gefahren.

      Bei unseren Kneipenzügen war Alice immer dabei. Um zur Arbeit zu kommen, sie war gelernte Säuglingsschwester, lieh sie sich von irgendjemandem ein Auto aus. Um die Erziehung ihrer Kinder kümmerten wir uns alle, das klappte sehr gut, und ich glaube, dass die Kinder nicht zu kurz gekommen waren.

      Dieter kannte ich am längsten. Ich hatte schon vieles mit ihm unternommen. Auch er war ein kleiner Narziss, aber so ein bisschen war das wohl jeder von uns. Dieter spielte sehr gut Gitarre, Fingerpicking. Seine Lieblingsmusik war Bob Dylan, er spielte diese Musik immer mit Gitarre und Mundharmonika nach. Dieter war nicht sehr groß, er drehte, wie wir alle, Zigaretten. Er rauchte aber auch Pfeife, wie Uwe und ich. Zuerst rauchten wir „Mc Barens Burley“, dann „Mc Barens Mixture“, den sehr viele Pfeifenraucher nahmen. Dieter war entweder sehr offen und für alles zu haben, oder er zog sich zurück und war nicht ansprechbar. Er war ein bisschen kapriziös. Man konnte aber alles von ihm haben. Mehrere Frauen spielten damals in Dieters Leben eine Rolle, ich kann die gar nicht alle aufzählen. Bevor Dieter und ich in die Wohngemeinschaft zogen, waren wir zu zwei Siegener Mädchen nach Österreich gefahren, die Familie des einen hatte ein Ferienhaus in der Nähe von Spielfeld. In diesem Kurzurlaub lernten wir alle unseren späteren Wohngemeinschaftsgenossen kennen. Dieter studierte Architektur und brachte es bis zum Diplom. Ich weiß noch, dass er sehr viel zu zeichnen hatte.

      Henni war ursprünglich aus Dieters Heimat Ritterhude nach Siegen gekommen. Dieter und er kannten sich von früher. Henni war ein sehr stiller Mensch, der, wenn er aufgewacht war, sehr lustig sein konnte. Sein Lachen glich einem Gickern. Henni lebte bei Dieter und mir oben in der ehemaligen Küche. Er studierte kurzzeitig Elektrotechnik mit Lutz zusammen, was er dann machte, weiß ich nicht mehr. Henni war in Ordnung, Ich bin einmal mit ihm und seiner Diane bis nach Portugal gefahren. Manchmal sah ich abends bei ihm in der Küche fern. Er war eine Zeit lang mit Maria befreundet, wenn Evelyn aus Frankreich zu Besuch war, dann auch mit ihr.

      Markus war das aufgeweckteste der drei Kinder. Er war acht Jahre alt und der Bruder von Claudia. Markus sah gut aus, hatte dunkles wuscheliges Haar, war groß und nicht dick. Er machte einen sehr intelligenten Eindruck und besuchte später das Gymnasium. (Heute ist er Oberarzt). Markus verstand es immer, die leichte Überforderung, die auf die Kinder einströmte, für sich umzusetzen und sein aufgeschlossenes Wesen und seine Lustigkeit zu bewahren. Er war den beiden anderen Kindern weit überlegen.

      Caudia