Fritz Leverenz

Kon-Tiki auf dem Murmelsee


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      Fritz Leverenz

      Kon-Tiki auf dem Murmelsee

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      Inhaltsverzeichnis

       Titel

       Bevor ihr weiterblättert,

       Das erste Kapitel erzählt

       Das zweite Kapitel erzählt

       Im dritten Kapitel erfahrt ihr

       Im vierten Kapitel lest ihr

       Das fünfte Kapitel erzählt

       Das sechste Kapitel erzählt

       Das siebente Kapitel erzählt

       Das achte Kapitel erzählt

       Das neunte Kapitel beantwortet

       Im zehnten Kapitel

       Das elfte Kapitel

       Worte zum Ausklang

       Impressum neobooks

      Bevor ihr weiterblättert,

       erfahrt ihr etwas über Gedankenschmetterlinge; davon,

       dass Gänseblümchen und frisch getrimmte Pudel stören;

       von klappernden Zähnen und

       weshalb Frosch Max plötzlich verschwand.

Grafik 1

       Amselwerder

      Irgendwann muss ich Euch von meinem Floßbau erzählt haben, der kläglich scheiterte, als ich in Eurem Alter war. Sicher erinnert ihr euch. Zwei Äste einer Kiefer hatte ich mit wenigen Brettern zu einem Floß verbunden, auf einem Handwagen drei Kilometer weit zur Havel gefahren und auf das Wasser gesetzt. Als ich mich draufstellen wollte, tauchte es unter. Mit Mühe hielt es sich selbst über Wasser. Traurig schob ich es auf den Fluss hinaus und blickte ihm nach, bis es hinter der nächsten Biegung Richtung Hennigsdorf verschwand.

      Vor einiger Zeit hattet ihr den hübschen Einfall, ein Floß zu bauen, dass Euch alle trägt. Wir haben oft darüber gestritten, ob sich Euer Abenteuerwunsch erfüllen lässt oder nicht. Euch schien es ein Leichtes zu sein, während ich skeptisch war. Mir erschien es unmöglich, dass Jungen in einer Großstadt wie Berlin eine solche Idee verwirklichen können. So schrieb ich eine Geschichte, in der ein Junge dieses Floßabenteuer träumt. Diese Traum-Geschichte hat Euch ganz und gar nicht gefallen. Mike stiegen gar Zornestränen in die Augen. Ich musste versprechen, eine Geschichte zu schreiben, in der Kinder dieses Floß nicht träumen sondern bauen. Also setzte ich mich hin und begann von neuem zu schreiben. ihr wisst ja, schreiben ist keine Spielerei. Es ist mindestens so schwer wie träumen. Da ich am Tage als Lehrer an einer Schule unterrichtete, glichen meine Gedanken häufig Schmetterlingen auf einer bunten Wiese, und dazu summte und brummte mein Kopf wie von einem Bienenschwarm. Die Schmetterlingsgedanken erzählten mir eine Geschichte, die fleißigen Bienen aber summten mahnend von Schulaufgaben. Was sollte ich tun? Ich ließ zuerst die Bienen fleißig Honig sammeln, danach ließ ich die leichtsinnig-fröhlichen Schmetterlinge tanzen. So schrieb ich bis zum Schuljahresende einige wenige Zeilen. Am ersten Ferientag aber wollte ich loslegen, mir drei Bleistifte greifen, einen Anspitzer, den Anfang der Ge­schichte und einen Stoß Schreibpapier unter den Arm klemmen und mich zum Schreiben in den Garten setzen. So rasch aber kam ich nicht zum Schreiben. Da war noch meine Familie: mein Sohn, meine Tochter, meine Frau, die außer mein Schreiben noch anderes erleben wollten. Wir fuhren für zwei Wochen nach Thüringen in ein Kinderferienlager. Als wir zurück in den Garten kamen, ging es los, nein, noch immer nicht mit dem Schreiben. Ihr ahnt ja nicht, wie schwer es ist, einen Platz zum ungestörten Nachdenken zu finden. Die Kinder laufen mit Indianergeheul oder mit Fußballgeschrei durch den Garten; meine Frau zeigt mir alle Augenblicke ein neu aufgeblühtes Gänseblümchen; die linke Nachbarin erklärt lauthals ihrer Freundin äußerst dringliche Kochrezepte oder ein neues Zopfstrickmuster; die rechte Nachbarin stellt mir dreimal wöchentlich ihren frisch getrimmten Pudel “Bobby von Hohenfels” vor, und ihr Mann möchte mit mir die Tabelle der Fußball-Bundesliga anzweifeln, obwohl schon jedes Kind davon spricht, dass der 1.FC Huckebein in die zweite Liga absteigen wird. Den schönen langen Tag so viel bunte Abwechslung, dass man sich die Ohren mit Watte verstopfen möchte. Dann bleibt man aber auch taub für das Zwitschern der Vögel. Da half nur ein Gewaltstreich. Ich stand täglich im Morgengrauen auf, frühstückte leise in der Küchenecke, zog mir einen dicken Pullover über, nahm meine Schreibutensilien, schlich in den morgenkühlen Garten, setzte mich an den taufeuchten Gartentisch und be­gann zu schreiben. Oft klapperten mir zwar vor Kälte die Zähne wie eine Schreibmaschine und meine Finger malten krakelige morgensteife Buchstaben, doch ich saß gern zu dieser Zeit hier draußen. Anglern am Boddensee muss es ähnlich gehen. Es ist herrlich, zu wissen, dass sich Störenfriede zu dieser frühen Stunde selten aus dem Bett wagen. So saß ich also bibbernd in der aufgehenden Sonne und schrieb. Das Plätzchen, an dem ich saß, wurde mein Lieblingsplätzchen. Der Tisch kippelte zwar ein wenig, obwohl ich ein Stück Kiefernborke unter sein Bein schob, dafür aber stand er vor einem winzigen Teich, in dem Stichlinge schwammen. Reste einer Tierfangexpedition meines Sohnes. Ein Gartenzwerg mit farbentblättertem Gesicht bemühte sich vergeblich, sie zu angeln. Hinter dem Teich schützten mich Silberfichten und Birken vor neugierigen Blicken von der Straße her. Gleich am ersten Morgen schloss ich Freundschaft mit einem Laubfrosch, der unter den Fichten hervorhüpfte. Ich nannte ihn Max und begrüßte ihn jeden Morgen mit “Hallo, mein grüner feuchter Freund!” Max schien sich am Teich wohl zu fühlen wie ein Froschkönig. Er sprang ins Wasser, wann es ihm beliebte, und schien die Sonne, döste er den halben Tag auf einem Seerosenblatt oder einem warmen Stein. Eines Morgens blieb Max verschwunden. Statt seiner schlängelte eine silbergraue Ringelnatter am Teich. “Armer Max”, dachte ich, “passe gut auf dich auf, dein Leben ist voller Gefahren.”

      Hier also saß ich und schrieb an der Geschichte von Tim Brausewetter. Anfangs glaubte ich, es müsste eine urkomische Geschichte werden, bei der ihr vor Lachen vom Hocker rutscht. Dann aber begegnete ich in der Schule Tim Brausewetter und fand mein Vorhaben albern. Tim wuchs bei seinen Großeltern auf, weil seine Mutter kurz nach seiner Geburt gestorben war. Damit er die Bindung zu seinem Vater nicht ganz verlor, trug er auch dessen Namen. Sein Vater aber hatte, außer dem Unterhaltsgeld für Tim, nie etwas von sich blicken lassen. Tim liebte seine Großeltern und hätte sie um nichts in der Welt verlassen. Abends im Bett aber kam es vor, dass er eine unerklärliche Sehnsucht spürte und still ins Deckbett weinte. Denn in der großen Stadt lebte ein Mann, der sein Vater war, und den er nicht kannte. Seit Tim die ersten Buchstaben hatte lesen können, suchte er stundenlang im dicken Berliner Telefonbuch unter B den Namen seines Vaters, oder durchblätterte