Hubert Wiest

Dennis und Guntram - Zaubern für Fortgeschrittene (Band2)


Скачать книгу

      Mit grunzendem Grölen drehten sich die drei Monster um und rannten davon.

      „Bis morgen“, kicherte einer. Und in diesem Moment erkannte Dennis die Schuhe der drei. Schwarze Stiefel mit silbernen Haien: „Kalle, Eddie und Bruno“, stotterte er.

      Noch im Liegen zückte Guntram Mempelsino von Falkenschlag seinen Zauberstab. Er richtete ihn auf den Sack und murmelte wütend einen Zauberspruch. Nur das letzte Wort verstand Dennis: Plombat. Für einen Moment kam es ihm so vor, als würde der Strick, der oben um den Sack gebunden war, rosafarben aufblinken. Aber sonst geschah nichts. Unbeirrt rannten die drei von der Haibande weiter. Sie nahmen die Beute einfach mit. Selten hatte Guntram so schwach gezaubert.

      Guntram rappelte sich auf. Wasser tropfte aus seinen Kniebundhosen. Er nieste. „Mir ist schrecklich kalt. Lass uns nach Hause gehen.“

      „Die haben unsere Süßigkeiten einfach gestohlen!“ Dennis standen die Tränen in den Augen.

      „Das geht schon in Ordnung“, sagte Guntram und schnäuzte in sein Taschentuch.

      Dennis verstand nicht. Er war schrecklich wütend. Es war zu spät, um noch einmal durch die Geschäfte zu ziehen. Und so gingen sie ohne ein einziges Bonbon nach Hause.

      Am nächsten Tag, als der Schulgong zur großen Pause läutete, lungerten ausgerechnet die drei von der Haibande vor Dennis' und Guntrams Klassenzimmer herum. Dennis sah nicht hin. Diese Idioten wollte er nicht sehen. Er drängte in die entgegengesetzte Richtung.

      „He“, hörte er Kalle rufen, „Guntram, Dennis, kommt mal her.“

      Dennis wollte nicht zu ihnen gehen, selbst wenn sie darum baten. Doch er spürte, wie Guntram ihm die Hand auf die Schulter legte und ihn sanft zur Haibande hinüberschob.

      Kalle wartete noch einen Augenblick, bis sich der Gang geleert hatte und die anderen Kinder auf den Pausenhof verschwunden waren. Dennis starrte auf die schwarzen Stiefel mit den Haiabzeichen.

      „Was wollt ihr?“, sagte Guntram und sah die drei herausfordernd an. Dennis stand einen halben Schritt hinter Guntram. Er hätte am liebsten umgedreht.

      „Es tut uns leid“, murmelte Kalle. Dabei sah er auf den Boden.

      „Aha“, sagte Guntram und dann wartete er.

      Dennis wollte etwas sagen, irgendjemand musste etwas sagen, aber Guntram hielt ihn zurück.

      „Es tut uns leid, dass wir eure Süßigkeiten geklaut haben“, sagte Kalle ganz kleinlaut.

      „Dann gebt sie zurück und die Sache ist vergessen“, erklärte Guntram.

      Kalle knetete seine Hände. Auch Eddie und Bruno sahen zu Boden.

      „Das geht nicht“, sagte Kalle. „Wir bekommen den Sack nicht auf.“

      „So, so“, sagte Guntram und sah aus, als wäre er furchtbar verblüfft.

      Dennis schmunzelte. Er ahnte, warum der Strick gestern Abend rosafarben geblinkt hatte.

      „Der Knoten ist zu fest zugezogen“, sagte Eddie. Kalle knuffte Eddie mit dem Ellenbogen in die Seite.

      „Wir haben den Sack oben im Werkraum. Vielleicht könnt ihr ihn euch ansehen?“, meinte Kalle.

      Guntram nickte. Sie schlichen zu fünft nach ganz oben in den Werkraum, direkt unter dem Dach. Sie mussten aufpassen. Natürlich war es in der Pause verboten, den Werkraum zu betreten.

      Der Sack, oben mit einem rosafarbenen Strick zusammengebunden, stand auf der Werkbank direkt vor dem offenen Fenster. Ein stürmischer Wind pfiff herein, doch der Sack bewegte sich keinen Millimeter. Wie aus Stahl stand er da.

      „Nicht einmal aufschneiden konnten wir ihn“, sagte Kalle und klang verzweifelt. Eine Schere lag zerbrochen daneben.

      Dennis legte seine Hand auf den Strick. Er fühlte sich an wie eine Panzerkette.

      „Aufsägen ging auch nicht“, murmelte Eddie und zog eine völlig verbogene Säge aus dem Werkzeugregal. Die Hälfte der Zähne war abgebrochen.

      Kalle legte Guntram die Hand auf die Schulter und sagte: „Vielleicht kannst du den Sack mit einem Zaubertrick öffnen. Dann teilen wir die Beute, machen halbe-halbe.“

      Dennis jubelte innerlich. Die Hälfte der ganzen Beute, das war viel mehr als ihr Anteil. Doch dann hörte er Guntram Mempelsino von Falkenschlag mit strenger Stimme fragen: „Habt ihr den Rest der Beute auch anderen Kindern abgenommen?“

      Kalle nahm seine Hand von Guntrams Schulter und fuhr sich über die Stirn, als müsse er überlegen.

      „Sag's doch, Chef“, platzte Bruno dazwischen. „Natürlich haben wir das den anderen Gnomen abgenommen. War eine Riesengaudi. Die haben sich vor Angst fast in die Hosen gemacht.“ Eddie kicherte.

      Kalle kratzte sich weiter an der Stirn. Schließlich murmelte er bedrückt: „Ja, okay, das meiste haben wir anderen Kindern abgenommen. Das ging viel schneller. Und außerdem ist das an Halloween erlaubt. Da darf man Leute erschrecken.“ Und schon wieder etwas großspuriger fügte er hinzu: „Öffnest du jetzt unseren Sack, oder kannst du das gar nicht?“

      Guntram stellte sich breitbeinig hin. Seine roten Locken und der Samtumhang wehten im Wind. Er sah Kalle mit zusammengekniffenen Augen an und sagte: „Ich helfe euch, aber ihr müsst versprechen, den anderen Kindern ihre Süßigkeiten zurückzugeben.“

      Dennis zuckte. Wie Himbeereis in der Mikrowelle sah er den Berg der Süßigkeiten dahinschmelzen, aber natürlich hatte Guntram recht.

      „Niemals, das kommt überhaupt nicht infrage“, polterte Eddie.

      „Der spinnt doch. Dafür haben wir uns nicht die Mühe gemacht“, schimpfte Bruno.

      „Gut, dann gehen wir“, erklärte Guntram, drehte sich um und ging zur Tür. Dennis folgte ihm.

      Gerade drückte Guntram die Türklinke, da rief Kalle: „In Ordnung, wir geben die Süßigkeiten zurück. Versprochen.“

      Eddie grunzte ungläubig, und Bruno glotzte den Chef der Haibande an.

      Ohne ein Wort zu sagen, kam Guntram zurück. Er stellte sich vor den Sack und zückte seinen Zauberstab.

      Dennis zweifelte, ob Kalle sein Versprechen einhalten würde.

      Doch Guntram schwang beherzt den Zauberstab und murmelte eine komplizierte Formel. Dann deutete er mit dem Zauberstab auf den Sack und schloss lächelnd mit einem leisen Plombat.

      Der Sack blähte sich immer weiter auf, begann rosa zu glühen und schließlich platzte er mit einem ohrenbetäubenden Knall. Im gleichen Moment pfiff eine kräftige Bö durchs Fenster und riss fast alle Süßigkeiten hinunter in den Pausenhof.

      Fassungslos starrten Kalle, Eddie und Bruno hinterher.

      Dennis rief noch aus dem Fenster: „Achtung, Süßes oder Saußes.“ Da kreischten und jubelten die Kinder schon im Pausenhof.

      Guntram steckte ein übrig gebliebenes Kirschbonbon ein und zuckte bedauernd mit den Schultern. „War wohl der falsche Zauberspruch, aber auch nicht übel.“

      2. Der Weihnachtsbaum

      „Papa, das kann nicht dein Ernst sein“, schimpfte Dennis. Seine blaue Wollmütze rutschte ihm fast über die Augen. Schon viel zu lange liefen sie auf dem Weihnachtsbaummarkt herum. Herr Blauberg hielt eine kleine Tanne an der Spitze und drehte sie: „Wieso? Die ist doch wunderschön gewachsen. So gleichmäßig. Die Äste stehen ganz dicht. Kein bisschen krumm. Das ist der perfekte Weihnachtsbaum. So einen schönen hatten wir noch nie.“

      „Du willst doch nicht im Ernst dieses mickrige Teil kaufen! Das Bäumchen ist viel zu klein!“ Dennis trat ärgerlich in den Schnee. In der Hand hielt er die Schlittenleine. Dennis hatte seinen Schlitten