Jessina Lux

Alle Sterne für Dich


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nein! denke ich. Das Taxi ist da. Lange kann es hier nicht stehen bleiben.

      Nara verlagert sich auf den Taxifahrer und geht anscheinend subtiler vor. Er wartet. `Ich bin eine Vorahnung in seinem Kopf und sorge dafür, dass er hier stehen bleibt, komme was wolle.´

      Und es kommt auch was, nämlich der Fahrer des Autos hinter ihm. Er steigt nach längerem Hupen aus, mit einem Regenschirm bewaffnet. Reißt die Taxitür auf: „Jetzt fahr endlich, ich muss zum Flughafen!“ „Ich auch!“ erwidert Taxifahrer Paul jetzt cool.

      Gleichzeitig im Appartmentgebäude. Jemand ist in diesem Haus, der Rahel und Sebastian helfen kann, nur einer. Nara hat das sofort erfasst und arbeitet bereits auf Hochtouren daran. Es ist Calden, ein ehemaliger Einbrecher, ja Vergewaltiger. Er kämpft mit sich. Seine Taten liegen schon lange hinter ihm, er ist inzwischen Buddhist. Jetzt muss er allerdings dauernd an die hübsche, junge Frau, zwei Stockwerke über ihn denken.

      Was soll das? Warum hat er die alten Gelüste? Warum will er sie jetzt haben, sofort? Verdammt nochmal, ich dreh so ab, denkt der arme Calden. Und doch, macht er sich auf den Weg, holt sein Werkzeug aus der Kiste unterm Bett. Mann, ist das alles verstaubt!

      Kapitel 13

      10:05Uhr.

      Aber wie willst du Calden dann da wieder raushelfen? Frage ich Nara. Sie antwortet nicht.

      Calden steht vor der Haustür der Monahans und macht sich ans Werk. In Nullkommanichts ist die Tür auf. Sebastian und Rahel hören ein Klicken. Ist Rick etwa zurück? Aber nein, ist das nicht der Typ von unten, der Rahel schon aufgefallen ist? Ein furchtbar gut aussehender Kerl, wie aus der Aftershavewerbung. Was macht der hier, ist der etwa gerade hier eingebrochen? Egal,...

      Rahel ruft aus: „Oh, wer auch immer Sie sind oder was auch immer Sie wollen, Sie schickt der Himmel! Komm, Bastian, schnell!“

      Und da sind sie auch schon am verdatterten Calden vorbei gerauscht durch die offene Tür und rasen zum Aufzug. Calden´s Gelüste sind schon verschwunden seit er die Tür auf gebracht hat und jetzt steht er im Wohnzimmer dieser fremden Leute und wundert sich wie er überhaupt hierhergekommen ist. In Sekunden macht er sich wieder aus dem Staub, sich vornehmend, wieder mal öfter zu meditieren.

      Kommt er davon? Will ich von Nara wissen. Ich denke schon, sagt sie. Warum atme ich auf, das ist ein Ex-Vergewaltiger! „Weil du jemand bist, der weise ist, nicht schwarzweiß sieht und verzeihen kann. Calden ist als Kind beinahe ermordet worden von seinem eigenen Vater, seine Mutter tauchte erst wieder auf, als er achtzehn war, und im Heim hat ihn eine Pädagogin jahrelang missbraucht, was willst du noch? Und doch hat er schon immer Katzen aus dem Tierheim geholt, sie liebevoll wieder hochgepäppelt und als er im Lotto gewonnen hat, seiner Mutter ein Haus gekauft und alle seine Opfer wenigstens finanziell entschädigt bis er selber fast nichts mehr übrig hatte...“

      Mit `Du musst das ganze Bild sehen.´ schließt Nara ihr Plädoyer.

      10:15Uhr Das Taxi will gerade losfahren, da kommen sie im letzten Moment unten an, völlig außer Atem, lassen sich blitzschnell das Gepäck von der inzwischen erholten Isidora überreichen und umarmen sie beide zum Abschied. „Wir sehen uns wieder!“ ist sich Isidora sicher.

      Das Taxi ist just um die Ecke verschwunden, da kommt Rick zurück. „Mister Monahan, ich muss mal mit Ihnen reden!“ sagt Isidora und schafft es tatsächlich ihn mit einem Vortrag über die aphrodisierende Wirkung von frischer Ananas abzulenken und lange genug aufzuhalten.

      Das Taxi fährt so schnell es kann. Die Pulsschläge der beiden erreichen einen bedenklichen Höchststand. Dauernd schauen sie zurück, ob sie Rick auch nicht verfolgt. Es ist 10Uhr 45, als sie schließlich am Flughafen eintreffen.

      In zwei Stunden startet der Flieger. Hoffentlich!

      Kapitel 14

      Beim Einchecken gibt es nochmal herzinfarktähnliche Zustände. „Was ist der Zweck Ihrer Reise?“ werden sie vom Flughafenbeamten mit einem misstrauischen Blick gefragt. „Das Visum meines Bruders läuft ab und ich begleite ihn, unsere Mom wird 65.“

      Das war ja noch nicht mal gelogen.

      Das Gesicht des Mannes hellt sich augenblicklich auf: „Das ist ja schön, liebe Geburtstagsgrüße!“

      Er gibt ihnen ihre Pässe zurück und sie steuern das Gate an.

      12 Uhr, das Flugzeug kommt endlich ins Rollen. Pünktlich auch noch. Jetzt können sie aufatmen, oder? Da fängt ein Passagier hinter ihnen an zu pöbeln, O nein, wenn der jetzt raus muss und

      der Start gestoppt wird! Rahel zittert am ganzen Leib, sie kann es nicht kontrollieren, Sebastian hält ihre Hände. Die Stewardess fragt, ob alles okay sei. „Flugangst“, versichert Sebastian. Rahel flüstert ihm zu: „Das wär ja noch auszuhalten, aber die Angst vor Rick...“

      Kapitel 15

      Der Passagier, auch noch ein Landsmann, konnte zum Glück beruhigt werden. Das Flugzeug hebt ab. „Endlich wieder frei!“ sagt Sebastian und stupst seine Schwester an. „Jetzt atme mal auf!“

      „Erst, wenn wir in Europa sind.“

      Das Bild auf Kanal Vier ist wieder schwarz. Ich bin irgendwie erschöpft und gehe duschen.

      Nara will noch was von mir. `Ich muss dir was sagen, jetzt geht das ja. Ich bin bereits ein Schutzengel, wie dir vielleicht aufgefallen ist und es wären nur ganz persönliche Welten untergegangen, hättest du mir nicht geholfen.´

      Egal, Nara, ich bin dir nicht böse, ich bin viel zu kaputt dazu!

      Der nächste Tag. Es regnet, was hier ja nichts neues ist. Ich habe mich aus irgendeinem Grund spontan ins Bistro Brigitte gerettet und sitze vor einem Tee. Ich hätte ja auch nebenan reingehen können. Meine Haare sind ein wenig nass und damit viel dunkler geworden. Ich muss jetzt so aussehen wie dieser Schauspieler, dessen Namen ich mir nicht merken kann. Da kommen sie durch die Tür. Rahel und Sebastian. Nara hat gar nichts gesagt! Ich bin starstruck. Rahel sieht aus nächster Nähe noch so viel hübscher aus. Zerbrechlich, petite. Sie stehen an der Theke und lesen sich durch die Karte, die dort angeschrieben ist. Sebastian trägt schließlich das reichhaltig gefüllte Tablett zum Tisch neben meinem. Ich versuche, Nara zu erreichen, ich weiß nicht, was ich jetzt tun soll. Aber sie kommt nicht. „Kann ich das Salz haben?“ fragt mich Sebastian auf einmal. Es ist, als wenn jemand aus einer Kinoleinwand heraustreten würde, echt seltsam.

      „Gerne!“ Ich reiche es ihm. Er lächelt mich breit an. Ich lächle zurück, Nara wird auf mich aufmerksam. Das schöne, gewinnende Lächeln liegt wohl in der Familie. „Cats and dogs, ha?“ sagt sie. Ich nicke. „Ist das hier immer so?“ will sie wissen. Sebastian mischt sich ein: „Hey, das ist Irland und nicht Kalifornien.“

      Rahel zieht einen verführerischen Schmollmund. „Warum hat uns Nara nicht dorthin geschickt?“

      „Ich weiß nicht, irgendwas muss hier sein, vielleicht der berühmte Topf voll Gold!“

      „Am Ende des Regenbogens?“

      „Hey, da sind gerade zwei!“ rufe ich aus, und zeige Richtung Norden. Die beiden beugen sich über mich, um aus dem Fenster zu sehen. Sie duftet ja tatsächlich nach Vanille! Lecker!

      Rahel: „Meinst du, es gibt ihn, den Goldtopf?“

      Ich nicke grinsend. Was könnte ich anderes tun?

      Es ist der Moment, in dem wir uns zum ersten Mal in die Augen sehen. Es ist irgendwie vertraut, und doch neu und elektrisierend. Ihre Augen sind helles Bernstein. Die Wimpern sehr weiblich gebogen und lang. Da ist etwas trauriges in ihrem Blick, kein Wunder bei dem Ehemann, denke ich, aber ich spüre, da ist noch etwas anderes.

      Sie lächelt mit geschlossenem Mund, dann öffnet sie ihn atemberaubend schön und sagt:

      „Hi,