Heinz-Joachim Simon

Alexanders letzter Traum


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keinem anderen Menschen vergleichbar sei. Es gab Gerüchte, dass sie sich besonders bei den Dionysosfeiern wie eine Besessene aufführte. Kein Wunder, dass Philipp sie nicht mehr um sich hatte haben wollen. Es bewahrheitete sich mit ihr wieder einmal das Sprichwort, dass die Frauen aus Epiros Männern anderer Herkunft Unglück bringen. Was ich gern bestätige, nach meinen Erfahrungen mit Eurydike.

      Als ich sie mir genauer ansah, glaubte ich meinen Augen nicht zu trauen. Die Königin der Makedonen lief mit einer lebenden Schlange über der Schulter durch den Palast. Für die Gefährten Alexanders schien dieser Anblick nichts Ungewöhnliches zu sein. Ohne Aufheben sahen sie darüber hinweg. Olympias legte sich auf die Liege neben ihren Sohn und er tat auch so, als würde er die Schlange nicht sehen.

      „Ich dachte, du wärst Apollons Bote. Hat dich vielleicht doch Amun geschickt?“ fragte mich Alexander.

      „Von Amun weiß ich nichts. Und bei Apollon bin ich mir nicht immer sicher, ob er sich eingemischt hat oder nicht.“

      „Er ist ein Eingeweihter!“ warf die Königin bestimmt ein. „Ich habe es an seinen Augen erkannt. Sie sind von der gleichen Farbe wie die Hügel in Epiros.“

      „Ich werde ihn zu meinem Leibgardisten ausbilden lassen“, sagte Alexander und winkte, dass ich mich neben ihn legen sollte. Ich achtete darauf, dass zwischen der Schlange und mir ein gehöriger Abstand blieb.

      „Er wird dir gute Dienste leisten!“ bekräftigte Hephaistion und berichtete wieder, wie ich den Kyros angegangen war.

      „Ja. Ich habe gleich gemerkt, dass er ein ganz Besonderer ist!“ stimmte Alexander zu. Sie sprachen über mich, als wäre ich gar nicht im Raum.

      „Aber ob er als Leibgardist etwas taugen wird? Er ist ein Krüppel!“ gab Eumenes zu bedenken.

      „Mein Vater hat derartige Gebrechen geadelt“, sagte Alexander und lächelte mir zu.

      Alexander war ein Menschenfänger. Er konnte, wenn er wollte, jeden bezaubern, jeden für sich begeistern. Er konnte einem den Eindruck vermitteln, dass er einen gesucht hatte und nun mit ihm zu den Sternen reiten würde.

      „Er wird zukünftig neben meiner Kammer schlafen. Ptolemaios, kümmere dich um ihn.“

      „Ich habe ihn bei den Gefährten im Gemeinschaftssaal untergebracht“, mischte sich Seleukos erstaunt ein.

      „Nein. Wenn er soweit ist, mache ich ihn zum Leibgardisten.“

      „Er ist kein Krieger“, widersprach Seleukos.

      „Dafür werdet ihr sorgen. Bringt ihm bei, was ihm an Fertigkeiten fehlt, damit er mir nicht in der erstbesten Schlacht weggestochen wird.“ Alexander hatte die Hand auf meine Schulter gelegt, als wolle er sagen, dass er zu mir stünde.

      Ich fühlte mich geehrt und Ptolemaios schlug ein detailliertes Ausbildungsprogramm vor, das mich zum Krieger machen würde. Alexander nickte zustimmend und rief ihm zu, dass er sich von nun an als Leonnatos’ Pate ansehen solle. Ptolemaios nickte vergnügt.

      „Mache ich gern. Vielleicht sorgt Apoll dann dafür, dass ich mehr Glück im Spiel habe.“

      Die Unterhaltung plätscherte noch lange dahin. Es wurde nur wenig und verdünnter Wein getrunken. Es ging in den Gesprächen um den Willen der Götter. Ich merkte, wie unwissend ich war. Allzu traurig schienen sie über den Tod Philipps nicht zu sein. Als Olympias sich verabschiedete, nickte Alexander auch Ptolemaios zu. „Kümmere dich um ihn!“

      Ich bedankte mich bei Alexander für seine Protektion und er nickte freundlich.

      „Tue immer, was Apoll von dir verlangt.“

      Ptolemaios zeigte mir mein Zimmer, das mit kostbaren Möbeln eingerichtet war. Zwei Truhen, ein Tisch, zwei Stühle mit goldverzierten Füßen. Die Liege war üppig gepolstert.

      „Das ist dein Reich!“ sagte Ptolemaios und setzte sich auf das Bett und musterte mich mit der gleichen Kopfhaltung wie Alexander. „Bist du zufrieden?“

      „Mehr als zufrieden. Ich bin mir der Ehre bewusst, dass mich der König bei seinen Gefährten aufgenommen hat.“

      „Das hoffe ich. Es ist eine unerhörte Ehre! Schließlich bist du ein Niemand.“

      Er grinste dabei und machte eine entschuldigende Handbewegung. „Ist doch so!“ setzte er hinzu. „Aber das war gestern. Von nun an gehörst du zu den Auserwählten.“

      „Wie geht es weiter?“

      „Du wirst ab morgen lernen, wie man den König beim Gefecht schützt. Du kannst gut reiten?“

      „Ja. Ich glaube, dass ich da nicht viel dazu lernen muss.“

      „Und wie ist es mit dem Schwertkampf?“

      Ich schüttelte den Kopf. „Mein Spitames lehrte mich mit dem Speer zu jagen. Ich glaube, darin bin ich ganz gut.“

      „Na schön. Wenigstens das. Darauf bauen wir auf. Bis wir nach Asien ziehen, wirst du auch ein passabler Schwertkämpfer sein.“

      So wie ich aufgezogen worden bin und was ich in meiner Kindheit erlebt habe, hat dazu geführt, dass ich mich nicht leicht als Freund gewinnen ließ. Aber Ptolemaios mochte ich auf Anhieb und wenn es auch später zum Bruch kam und er mich verriet, so halte ich ihm zugute, dass die Versuchung Satrap und Pharao Ägyptens zu werden, wohl jeden Charakter ruiniert hätte.

      Die nächste Zeit verbrachte ich damit Soldat zu werden. Wir übten immer wieder Attacke, jagten über den Platz hinter der Kaserne und ich warf meinen Speer und es zeigte sich, dass ich den anderen Gefährten darin nicht nachstand. Lediglich im Schwertkampf musste ich mich plagen und zu der Erkenntnis kommen, dass ich es mit dieser Waffe nur zum Durchschnitt bringen würde. Doch Ptolemaios war mit mir zufrieden, und abends, wenn wir, die engsten Gefährten des Königs, in dem Casino zusammen saßen und Wein aus Kos tranken, lobte er mich und ich fühlte mich von den Gefährten akzeptiert und aufgenommen. Alexander sah ich in der ersten Zeit wenig. Er hatte genug damit zu tun, einige Verwandten umbringen zu lassen, die auch Ansprüche auf den Thron anmelden konnten. Dies war bei uns in Makedonien bei jedem Thronwechsel so und niemand regte dies groß auf. Nur die Griechen in Athen, Theben und Korinth machten großes Geschrei deswegen. Aber hier in Aigai wurde es wie ein Wetterwechsel achselzuckend hingenommen.

      Als Alexander sich zu einer Strafexpedition zu den Bergvölkern aufmachte, nahm man mich nicht mit. Ich sei noch nicht soweit, sagte mir Ptolemaios. Ich langweilte mich ein wenig in Aigai, der staubigen alten Königsstadt. Phokis dagegen war froh, denn hier in Aigai konnte er sich in meinem Ruhm sonnen. Er war mächtig stolz auf seinen Herrn und sagte mir, dass ihn die anderen Diener um mich beneideten. Niemand sei in so kurzer Zeit zu solchen Ehren gekommen. Es war ein gutes Gefühl, nicht mehr der Kröterich zu sein.

      Ich vertrieb mir die Zeit, indem ich mich Peukestas anschloss, den man wegen eines Reitunfalls auch nicht mitgenommen hatte. Er war ein guter Soldat, mutig und gewandt und ich lernte viel von ihm. Aus dieser Zeit ist nur ein Vorfall berichtenswert, der allerdings dazu hätte führen können, dass dieser Bericht nie geschrieben worden wäre.

      Es geschah einen Tag, bevor Alexander aus Illyrien zurückkam. Boten hatten bereits den König angekündigt und dass wir nach Pella umziehen würden, die neue Hauptstadt des Königreichs, die aber von den Altmakedonen nicht besonders geschätzt wurde.

      Ich wachte durch den Luftzug auf. Ich spürte, dass jemand in meinem Zimmer war. Vorsichtig griff ich unter mein Kissen und zog den Dolch hervor. Wenn man in einem Elternhaus groß geworden ist, in dem man den Vater zum Feind hat, dann neigt man dazu, auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein. Ich hatte immer Spitames’ Messer bei mir und dies war kein Zierdolch, sondern ein breites langes Messer, wie es die Bergvölker benutzen. Der Jemand, der für mich ein Schatten war, trat an mein Bett und ich sah in dem schwachen durch das Fenster einfallenden Licht das Aufblitzen einer Klinge und rollte mich beiseite, und schon krachte der Schlag auf mein Lager. Ich sprang auf und warf den Dolch, wie ich es von Spitames gelernt hatte. Der Mann sagte „Ach“ und taumelte und wandte sich um. Ehe ich ihn mir vorknöpfen