Heinz-Joachim Simon

Alexanders letzter Traum


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sagt man denn?“

      „Dass nicht Philipp sein Vater ist, sondern der Gott Amun.“

      „Es wird viel Unsinn geredet.“

      „Stimmt. Unser Demosthenes treibt jeden Tag eine Sau über die Agora. Ich dagegen habe immer zu Philipp gehalten!“ beeilte sich der Kapitän zu sagen. „Ist mir sehr recht, dass Athen unsere Schiffe den Makedonen zur Verfügung stellt. Wird ein gutes Stück Geld bringen. Aber man spricht davon, dass Alexander sich keinen Sommer in Ionien halten wird.“

      „Das hofft man wohl? Soviel ist sicher. Er kommt nach Asien. Und mit ihm das beste Heer der Welt.“

      „Ihr seid sicher, dass ihr die größte Macht der Erde bezwingen könnt?“

      „Wir haben einen großen König.“

      Ich sagte noch nicht, dass wir den Sohn eines Gottes zum König hatten. Dieser Gedanke kam erst später auf.

      Ich war also Alexanders Schrittmacher und ging vor ihm nach Asien und war mir sicher, dass auf uns Dinge warteten, wie sie die Welt noch nicht gesehen hatte. Achilleus war zurück auf die Erde gekommen.

      Das Land, das am Horizont auftauchte und mit einem schmalen Streifen einen Erdteil ankündigte, würde uns gehören. Dies war unser Kolchis und das goldene Vlies war der König der Perser. Der Wind blähte die Segel und die Ruderer sangen im Takt von Odysseus, dem Listenreichen. Der Strich vor uns wurde immer deutlicher und mir wurde der Mund trocken. So vermessen nun einen Speer zu werfen war ich nicht. Dies war Alexander vorbehalten, der damit Asien als speergewonnenes Land in seinen Besitz nahm. Ich war guter Hoffnung, dass bei dieser Landnahme auch etwas für mich herausspringen würde. Es konnte losgehen.

      6.

      Als ich mein Pferd durch das seichte Wasser ans Ufer führte, hatte ich nicht das Gefühl, dass etwas besonderes passierte. Es war ein diesiger Morgen irgendwo bei Abydos. Wir hatten nicht den Hafen angefahren, sondern waren etwas entfernt von der Stadt in einer Bucht an Land gegangen. Nachdem was geschehen war, mussten wir damit rechnen, dass wir auch hier erwartet wurden. Wir waren noch elf Reiter, als wir uns am Ufer Asiens auf die Pferde schwangen. Mir kam keinen Augenblick in den Sinn, dass ich Makedonien niemals wieder sehen würde. Ehrlich gesagt, habe ich es auch später nie vermisst. Es ist meines Vaters Land, und später merkte ich, dass auch Alexander nie Sehnsucht danach hatte, wieder nach Makedonien zurückzukehren. All zu gute Erinnerungen hatte er an Makedonien auch nicht. Es war ihm später nur ein Schoß, der für gute Krieger sorgte.

      Wir winkten noch einmal zu dem Kapitän hinüber und ritten auf Troja zu. Als es auftauchte, war ich ziemlich enttäuscht. Eine Hügelkuppe mit einer nicht einmal sehr großen Stadt. Mir lief jedenfalls kein Schauer über den Rücken. Wir ritten auf der persischen Heerstraße weiter. Die Felder waren karst und gelbbraun und staubig. Wir kamen durch einen Ort, der für mich namenlos war und, nach den armseligen Häusern zu schließen, auch keine besondere Bedeutung hatte. Was mir nur seltsam vorkam, war die Stille in dieser Stadt. Keine Menschenseele war zu sehen. In den Seitenstraßen sah ich ein paar Hühner herumlaufen. Irgendwo meckerte eine Ziege. Aber keiner der Bewohner war zu sehen.

      „Hier stimmt was nicht!“ rief ich Attalos zu und lockerte den Speer in dem Lederköcher auf meinem Rücken.

      „Hier haben welche Sehnsucht nach uns!“ stimmte Phokis zu und sein fleischiges bärtiges Gesicht strahlte, als hätte man ihm eine Nacht mit einer Frau versprochen.

      Hinter dem kleinen Marktplatz verengte sich die Straße. Ich war nicht überrascht, dass sie versperrt war. Hinter der Barrikade standen Söldner. Nein, es waren keine Perser. Es waren Griechen und sie trugen die gleiche Rüstung und hatten die gleichen Waffen wie wir.

      „Dreh dich mal um!“ rief Attalos.

      Nun sah ich, dass auch hinter uns Soldaten herankamen. Wir saßen in der Falle.

      „Die Götter sind mit uns!“ rief mein Phokis. Keine Ahnung, woher er dies wusste. Aber es gab unseren Männern Mut. Wir preschten auf die Sperre zu, die aus einigen Karren bestand. Dahinter hielten uns Hopliten ihre Speere entgegen. Große Sorgen machten wir uns deswegen nicht. Schließlich hatten wir in Aigai und Pella oft genug geübt, wie man solche Hindernisse überwand. Ich drückte meinem Pferd die Fersen in den Leib und mit einem erstaunten Wiehern flog es über die Karren hinweg. Dabei streckte ich einen unserer Gegner mit dem Speer nieder. Bis auf einen Reiter waren wir alle durchgekommen. Ich sah, wie ein Agriane vom Pferd gezerrt wurde. Wir konnten keine Rücksicht darauf nehmen und jagten weiter. Schon waren wir aus der Stadt heraus. Es folgte uns niemand, was auch merkwürdig war.

      „Was sind denn das für Stümper?“ staunte Attalos.

      „Warum Stümper? Wir sind nun einmal gewaltige Krieger!“ rief Phokis lachend. Er war nur ein Diener, aber meine Agrianen hatten sich mittlerweile daran gewöhnt, dass er sich selbst gegenüber den Gefährten des Königs einen recht respektlosen Ton herausnahm. Meinem schwarzbärtigen Riesen konnte niemand so richtig böse sein.

      „Jeder vernünftige Anführer hätte ein paar Reiter bereit gehalten“, sagte Attalos.

      „Sie waren sich zu sicher. Wahrscheinlich glaubten sie, dass wir aufgeben würden“, mutmaßte ich.

      „Die Welt ist voller Dummköpfe“, rief Phokis. „Gut für die, die ein bisschen Grips im Kopf haben.“

      Mein Molosser konnte manchmal ein richtiger Philosoph sein.

      Am Nachmittag des nächsten Tages erreichen wir Parmenions Lager in der Nähe von Ephesos. Das Lager war sorgfältig befestigt. Parmenion war ein guter Feldherr, was er bereits vielfach unter Philipp bewiesen hatte. Er war ein Stratege, der nur ungern ein Risiko einging und immer versuchte, seine Verluste in Grenzen zu halten. Die Männer liebten ihn dafür. Er was das Idol der Philippischen.

      Man ließ uns auch gleich vor und ich marschierte mit Attalos in sein Zelt. Parmenion stand mit einigen Offizieren um einen Tisch und sie hatten jede Menge Papyrusrollen vor sich liegen, die merkwürdige Zeichnungen enthielten. Attalos klärte mich später auf, dass sie die Küste von Ionien zeigten. Auch mein Vater war unter den Offizieren. Seine Miene wechselte von Erstaunen zu Fassungslosigkeit. Natürlich erkannte er an der Scheibe mit dem Gorgonenhaupt auf meinem Lederpanzer, dass ich zu Alexanders engster Gefolgschaft gehörte und damit einen Rang hatte, der seinen übertraf und dies nur, weil ich einmal im Wald zur rechten Zeit zur rechten Stelle gewesen war. Das eine Auge, das er noch hatte, erzählte genug davon, was er mir am liebsten antun würde. Mein Herz schlug bis zum Hals. Ich hoffte, dass mein Gesicht dies nicht zeigte.

      „Eine Botschaft von unserem König Alexander!“ sagte ich und übergab Parmenion die Rolle, und er brach das Siegel und rollte den Papyros auf und las und nickte.

      „Er kommt also.“

      „Es ist soweit!“ bestätigte Attalos.

      „Schwierigkeiten gehabt?“ fragte Parmenion und wies auf Attalos’ verbundenen Arm. Der General sah meinem Vater sehr ähnlich. Er war groß, wesentlich größer als die meisten Makedonen, fast ein Riese, und hatte ein hageres längliches Gesicht mit einem kräftigen Gebiss. Sein Bart war an den Seiten weiß gefleckt.

      „Wir haben sechs Mann verloren.“

      „Euch wurde aufgelauert?“

      „Ja. Man kannte unsere Route und die Wichtigkeit dieses Papyrus!“sagte ich und wies auf die Rolle in seiner Hand.

      „Woher wussten die …?“

      „Ja. Woher?“ fragte Attalos grimmig

      „Verräter?“

      „Sicher. Was sonst.“

      „Es waren Griechen, die uns überfielen. Söldner im persischen Dienst. Aber jemand muss ihnen verraten haben, dass der Papyrus den Tag der Überfahrt nach Asien enthält. In der Heeresversammlung nannte Alexander den Tag nicht. Deswegen war dieser Papyrus wichtig für die Perser“, klärte ich Parmenion auf.

      „Dich kenne ich noch nicht.“