Heinz-Joachim Simon

Alexanders letzter Traum


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brennen das Nest ab und nehmen uns einige dieser Dreckskerle vor“, schlug Antiochios vor. Was Vernünftiges war von ihm auch nicht zu erwarten gewesen.

      „Nein. Wir sind keine Mordbrenner“, widersprach ich. „Der König will die Menschen in Ionien für sich gewinnen.“

      „Das hier sind doch nicht einmal Griechen“, maulte mein Bruder.

      Ich gab ihm keine Antwort.

      Wir ritten weiter und niemand behelligte uns. Noch vor Troja kamen uns Reiter entgegen. Wir waren ein wenig besorgt und überprüften unsere Waffen. Aber dies erwies sich als unnötig. An der Spitze der Reiter lachte mir Ptolemaios entgegen.

      „Was machst du hier?“ fragte ich erstaunt.

      Er schmunzelte. „Wir gehören zur Vorhut. Hast du Parmenion informiert?“

      „Ja. Er wird zur Stelle sein.“

      „Und was sind das hier für Kerle?“ fragte er und musterte misstrauisch meinen Bruder. Er traute niemandem, der nicht zu den Gefährten gehörte. Dies wird verständlich, wenn man weiß, dass er, als Alexander bei Philipp in Ungnade war, mit diesem in die Verbannung gehen musste. Keiner der Altmakedonen um Philipp war für sie eingetreten, und sie hatten in der Fremde eine harte Zeit, denn in welchem Land liebt man schon Flüchtlinge? Ich klärte ihn über Parmenions Begleitschutz auf und Ptolemaios sagte Antiochios, dass er zurück reiten könne.

      „Bis Troja ist alles Land in unserer Hand.“

      „Wir haben Befehl, meinen Bruder bis zum König zu begleiten und daran halten wir uns!“ widersprach Antiochios. Auf einmal gestand er, dass der Kröterich sein Bruder war.

      „Dein Bruder?“ staunte Ptolemaios und sah mich fragend an und ich zuckte mit den Achseln und unterstrich so, dass ich von dieser Verwandtschaft nicht viel hielt. Ptolemaios grinste.

      „Man kann nichts für seine Verwandtschaft, eh?“

      Antiochios’ Hand fuhr zum Schwert, aber er besann sich und warf Ptolemaios einen hasserfüllten Blick zu. Jeder Makedone wusste, dass Ptolemaios Alexanders besondere Wertschätzung genoss, fast so sehr wie Hephaistion. Es wäre unklug gewesen, sich mit ihm anzulegen.

      „Du reitest zurück!“ wiederholte Ptolemaios bestimmt.

      „Er kann ja die Gegend absuchen, wo wir überfallen wurden. Vielleicht treiben sich dort noch einige Söldner herum,“ schlug ich vor.

      „Ihr seid überfallen worden?“

      Ich erzählte ihm was geschehen war und wie viele von den Agrianen den Tod gefunden hatten und er machte ein entgeistertes Gesicht.

      „Du glaubst an einen Maulwurf in der Umgebung des Königs?“

      „Anders ist es nicht möglich, dass sie so genau Bescheid wussten“, unterstützte mich Attalos.

      „Beim Zeus, das muss Alexander wissen. Los, reiten wir! Die Vorhut hinter mir kommt auch ohne mich zurecht. Seleukos ist ihr Befehlshaber. Und du, Antiochios, machst, was dein Bruder vorgeschlagen hat. Sieh zu, dass du ein paar von den Mordgesellen fängst. Sollte dies der Fall sein, kommst du mit ihnen nach Troja, andernfalls kannst du dich zu Parmenion scheren.“

      Antiochios krümmte sich wie ein geprügelter Hund. Aber ihm blieb nichts anderes übrig, als Ptolemaios’ Befehl Folge zu leisten und ritt mit seinen Männern davon.

      „Er ist verprügelt worden wie noch nie in seinem Leben“, flüsterte Phokis hinter mir. „Auch das wird er dir nie vergessen.“

      Es gab viel, was mein Bruder und ich nicht vergessen konnten.

      Wir ritten nach Troja und kamen gerade rechtzeitig, um Alexander am Altar des Priamos opfern zu sehen. Nun darf man sich Troja nicht so vorstellen, wie es uns Homer in die Köpfe gepflanzt hat, als stolze Festung mit uneinnehmbaren Mauern, die die Griechen nur durch die List des Odysseus bezwangen. Es gab weder hohe weiße Mauern noch Paläste, sondern nur ein paar armselige Häuser um einen Hügel, auf dem ein halbverfallener Tempel stand, in dem ein paar rostige Waffen gezeigt wurden, die angeblich dem Achilleus gehörten. Den Schild lieh sich Alexander aus und ließ dafür seinen Schild zurück. Der Schild des Achilleus begleitete ihn in allen Schlachten. Ich habe ihn auch einmal tragen dürfen. Er war nichts Besonderes und sein Wert erklärt sich nur durch die Träume, die Alexander mit ihm verband. Es lag bestimmt nicht an der schartigen Bronze, dass unser König aus allen Schlachten siegreich hervorging.

      Der Strand von Troja war nicht schön, sondern mit elendem Strauchwerk bewachsen. Aber Alexander glühte wie ein Verliebter und abends deklamierte er Verse aus der Ilias und wir mussten uns anhören, wie Achilleus’ Schild gemacht wurde:

      Erst nur formt der Meister den Schild, den großen

      und starken,

      ganz ihn verzieren und legte darum einen schimmernden

      Reifen,

      dreifach und blank verbunden mit silbernem Tragegehänge..

      Von all dem sahen wir nur eine Ahnung, aber wir taten so, als würden wir genauso empfinden wie unser König. Danach mussten wir uns anhören, wie Achilleus den Hektor um Troja schleifte und Priamos um seinen Leichnam bettelte. Ich fand Hektor von all den göttlichen Figuren, die Homer uns schenkte, immer am sympathischsten. Aber Alexander war in Achilleus verliebt und hielt sich für seine Wiedergeburt und für noch etwas mehr, wovon noch zu erzählen sein wird. Aber das mit dem Achilleus nahm er sehr ernst. Sein ganzes Leben war wie eine Dichtung von Homer und er glaubte Achilleus zu sein und war doch eher Odysseus. Aber das ging ihm lange Zeit nicht auf.

      Nachdem wir genug Verse gehört hatten, machte ihn Hephaistion auf mich aufmerksam und Alexander winkte mich zu sich und ich übergab ihm den Brief des Parmenion. Während er las, erzählte ich ihm, was wir erlebt hatten. Er runzelte die Stirn und schlug sich empört auf die Knie.

      „Mit ihrem Gold können sie sich alles erlauben! Ihr Gold hat den Pausanias zum Mord getrieben, ihr Gold macht meine Verbündeten unsicher und ihr Gold ….“

      „Wir sind verraten worden.“

      „Ja. Mit ihrem Gold haben sie sich einen Maulwurf gekauft.“

      Er sah streng um sich und die Flötenspieler hörten auf unsere Ohren zu quälen und Alexander sagte:

      „Einer unter uns hat mich verraten. Eines Tages wird herauskommen, wer es war und meine Strafe wird fürchterlich sein!“

      Es war so still, dass man den Flügelschlag eines Vogels hätte hören können. Alexander nickte noch einmal drohend und las weiter.

      „Weißt du, was mir Parmenion rät?“

      „Nein. Er sagte mir nur, dass er dich erwartet.“

      „Ich soll noch einmal einen Parlamentär zu den Persern schicken und Mysien, Lykien und Karien fordern und mich damit zufrieden geben. Es hat noch nicht einmal angefangen und da soll ich schon aufhören? Was denkt er sich eigentlich? Hält er mich für …. Parmenion?“

      Alles lachte befreit. Alexander umfasste meine Schulter und zog mich freundschaftlich auf das Lager neben sich. Ich mag es eigentlich nicht, wenn mich Männer anfassen, aber bei ihm wurde mir warm ums Herz. Der König gab mir das Gefühl, dass ich sein besonderer Vertrauter war. Später ging mir auf, dass jeder von uns so dachte und bald sollte das Heer, das die Schöpfung seines Vaters war, genau so denken. Es gelang ihm, die einfachen Soldaten, die sonst immer auf ‚die da oben’ schimpften, so für sich einzunehmen, dass sie sich allein ihm verpflichtet fühlten und nicht ihren Vorgesetzten. Bei keinem anderen Feldherrn habe ich derartiges erlebt.

      „Was meinst du, Sohn des Hephaistos, was raten mir die Götter?“

      Ständig musste er sich vergewissern, dass er sich mit den Göttern im Einklang befand, sozusagen auf Du und Du. Mit Hephaistos war nicht Hephaistion gemeint, sein liebster Freund, sondern der Gott der Schmiede, der dem Achilleus die Waffen gab, jedenfalls erzählt uns das Homer.

      Ich