Ana Marna

Fellträger


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      Der Duft war unwiderstehlich und beängstigend.

      Mit einem Ruck stand er auf und öffnete die Abteiltür. Zielstrebig folgte er dem Geruch, der jetzt so unwiderruflich fest in seiner Nasenschleimhaut saß, dass es fast schmerzte.

      Als er den Großraumwagen erreichte, wurde er langsamer.

      Wie ein Bluthund witterte er sich durch den Gang, bis er die Quelle seiner Pein gefunden hatte.

      Die junge Frau saß an einem dieser Tischplätze, das Gesicht ihm zugewandt. Sie hielt ein Buch in der Hand, in dem sie gerade gelesen hatte, doch jetzt sah sie ihn aus geweiteten Augen an.

      Mort registrierte blonde lange Locken, dunkelgrüne Augen und feingeschnittene Gesichtszüge. Sie war höchstens Neunzehn - und eindeutig Mensch.

      Mort war wie vor den Kopf geschlagen. Das konnte nicht sein! Das durfte nicht sein! Kein Mensch roch so!

      Aber es war so, daran gab es keinen Zweifel. Und diese Frau - sie roch es ebenfalls. Ihre Nasenflügel bebten verräterisch, doch in ihren Augen las er Verwirrung - und Angst.

      Mort unterdrückte das Grollen, das in seiner Kehle emporstieg. Diese Angst roch unerträglich.

      Kurzentschlossen fasste er sie am Arm und zog sie empor. Ihr Buch fiel auf den Tisch und alle starrten ihn an, aber niemand traute sich, etwas zu sagen.

      Die junge Frau ließ sich widerstandslos von ihm durch den Gang schieben. Sein Griff war fest, aber er versuchte, ihr nicht weh zu tun. Vor seinem Abteil blieb er stehen und starrte den vermeintlichen Studenten an.

      „Raus!“

      Der Befehl klang wie ein Drohen, begleitet von einem unterschwelligen Knurren.

      Der junge Mann sprang hastig hoch und griff nach seinen Sachen. Nervös quetschte er sich an Mort vorbei nach draußen und verschwand auf Nimmerwiedersehen.

      Mort stieß das Mädchen ins Abteil und folgte. Dann schloss er die Tür, verkeilte sie und zog die Sichtblenden herunter.

      Als er sich seinem neuen Abteilgast zuwendete, zögerte er erst.

      Sie stand mit dem Rücken ans Fenster gepresst und starrte ihm aus schreckgeweiteten Augen entgegen. Mort betrachtete sie ausgiebig. Sie war attraktiv, sogar sehr, und ihr Körper war sportlich schlank mit äußerst ansprechenden Kurven an den passenden Stellen. Er spürte, wie ihm das Blut in diverse Körperteile schoss und fluchte innerlich. Was zum Teufel war nur los mit ihm? Dass er so spontan und so heftig auf eine Frau reagierte - er erinnerte sich nicht, dass so etwas schon einmal vorgekommen war. Und ihr Geruch ...

      Er trat unwillkürlich auf sie zu und fasste sie an den Armen. Wenn nur dieser Angstgeruch nicht wäre - er wollte ihn unbedingt vertreiben. Fragte sich nur, wie.

      Die junge Frau reichte ihm gerade mal bis zur Brust und musste den Kopf in den Nacken legen, um ihm ins Gesicht zu sehen. Mort starrte in ihre grünen Augen und las darin Verwirrung und Angst. Aber da entwickelte sich auch etwas anderes. - Neugier - Erregung?

      „Du ... riechst gut“, knurrte Mort und vergrub sein Gesicht in den blonden Locken. „Viel zu gut.“

      Ihr Duft überschwemmte ihn wie ein schweres Parfüm und zum ersten Mal seit sehr langer Zeit verlor Mort die Kontrolle über sich.

      Mit einem Aufstöhnen presste er dieses Wesen an sich. Dann hob er sie hoch und hielt sie mit einem Arm fest. Mühelos zog er die Sitzbank zur Liegefläche aus und ließ die Frau darauf gleiten, ohne die Nähe zu verlieren. Sie klammerte sich an seiner Jacke fest, ließ es aber geschehen. Ihr Atem war schnell und hektisch geworden. Ihre Erregung wuchs, aber die Furcht war noch da.

      Mort stöhnte frustriert. Wie sollte ausgerechnet er ihr die Angst nehmen? Das schien unmöglich.

      Er sah wieder in diese grünen Augen - und vergaß sich.

      Wie er sich seiner und ihrer Kleidung entledigte, wusste er hinterher nicht mehr. Genauso wenig, wie er sich an weitere Einzelheiten erinnerte. Aber der Duft ihrer weißen Haut machte ihn rasend. Wie ausgehungert fiel er über dieses unwiderstehliche Geschöpf her und nahm es sich. Von vorne, von hinten, im Stehen, im Sitzen - alles verschwamm zu einer einzigen Ekstase.

      Nur langsam fand er wieder zurück und drängte diese unkontrollierbare Erregung in den dunkelsten Winkel.

      Schweratmend stemmte er seinen Körper von ihr hoch und betrachtete sie.

      Ihr Augen waren geschlossen, ihre Gesichtszüge beinahe entspannt. Ihr Geruch war noch genauso anziehend, erregend, - schmerzhaft. Und ihre Angst? Verdrängt, erschöpft.

      Mort unterdrückte ein frustriertes Grollen und stand auf. Angewidert sah er an sich herunter. Genauso wie die Frau war er über und über mit Samenflüssigkeit verschmiert. Seinem Sperma! Widerlich!

      Er griff zu seinem Rucksack und öffnete ihn. Heraus zog er ein ungewaschenes T-Shirt und ein Handtuch. Dann beugte er sich wieder zu ihr hinunter. Sie hatte inzwischen die Augen geöffnet und beobachtete ihn.

      Er hielt ihr das Handtuch hin. Zögernd ergriff sie es. Als sie sah, dass er sich mit dem T-Shirt den Körper abrieb, folgte sie seinem Beispiel. Dabei richtete sie sich auf und stand ihm nackt gegenüber. Bisher hatte sie kein Wort gesagt, was erstaunlich war, doch ihm war es nur recht. Mort griff nach der Kleidung und zog sich an. Wieder folgte sie seinem Beispiel, ließ ihn aber nicht aus den Augen. Ihre Nervosität hielt sich erstaunlich in Grenzen, als sie sah, was er sich alles umschnallte, bevor Hose und T-Shirt folgten. Irritiert war sie, aber nicht panisch. Vielleicht weil sie nicht wusste, was noch alles in der Hose selbst und in der Jacke verborgen war.

      Aber vielleicht hatte sie auch erkannt, dass diese Waffen nicht gegen sie gerichtet waren. Mort wartete, bis sie selbst angezogen war, dann öffnete er die Tür und schob sie nach draußen.

      Wortlos führte er sie bis zu ihrem Platz, wo sie sogleich niedersank. Mort ignorierte alle anderen Reisenden. Er hatte nur sie im Blick. Sie, - die nicht sein durfte.

      Er beugte sich vor und raunte ihr ins Ohr.

      „Du ... kannst es nicht sein. Nicht du!“

      Dann richtete er sich auf und schritt zügig zu seinem Abteil zurück.

      Dort angekommen sah er sich angewidert um. Sein Sperma war so ziemlich überall verteilt. Die armen Reinigungskräfte, er beneidete sie nicht.

      Entschlossen schnappte er sich seinen Rucksack und suchte nach einem neuen Sitzplatz - weit weg von diesem Duft, der nicht sein durfte. Er würde ihn verdrängen müssen, vergessen, und ihm hoffentlich nie wieder begegnen.

       April 2010

       Research Lab of Progressed Epigenetics, Illinois

      Grelles Licht und ein scharfer Geruch ließen Pieter die Augen zukneifen und nach Luft ringen. In seinem Kopf schwirrte es, und sein Schädel schmerzte. Mit einem Stöhnen versuchte er, nach seinem Kopf zu greifen, doch es gelang ihm nicht. Er konnte die Hände nicht bewegen. Etwas hielt sie zurück.

      Wieder blinzelte er gegen das Licht an und versuchte seine Hände zu sehen. Nur langsam klärte sich sein Blick, doch er brauchte einige lange Sekunden zusätzlich, bis er begriff, dass er gefesselt war.

      Stählerne Handschellen hielten seine Gelenke an dem metallenen Tisch fest, auf dem er lag. Als sein Blick tiefer glitt, sah er, dass seine Fußgelenke genauso fixiert waren.

      Er lag nackt in einem kahlen weißen Raum und wusste nicht, wie er hierher gekommen war.

      Seine letzten Erinnerungen waren, dass er sich auf dem Weg zum California-Rudel befunden hatte, um dort Onkel Pete zu besuchen. Er war abends auf dem Bahnhof ausgestiegen und hatte auf jemanden gewartet, der ihn abholen sollte. Mehr fiel ihm nicht ein. Vermutlich hatte ihn sein Kidnapper niedergeschlagen, zumindest wies sein schmerzender Kopf darauf hin.

      Verzweifelt zerrte