des Lebens Jesu Christi.
2. Die Lehre Christi übertrifft alle Lehren der Heiligen. Wer den Geist besitzt, findet
in ihr verborgenes Himmelsbrot. Doch es ist nun einmal so: Viele hören die
Frohbotschaft oft, spüren aber nur geringe Sehnsucht nach dem Evangelium. Es fehlt
ihnen der Christusgeist (vgl. Röm 8, 9). Wer Christi Worte ganz verstehen und
verkosten will, muss bestrebt sein, sein ganzes Leben ihm gleichzuformen. Was nützt
es dir, tiefgründig über die Dreieinigkeit zu reden, wenn dir die Demut fehlt? Ohne
sie missfällst du der Dreieinigkeit. Wahrlich, gelehrte Worte machen nicht den
Heiligen und Gerechten. Das tut allein ein tugendhaftes Leben. Das macht dich Gott
teuer. Lieber möchte ich den Schmerz der Reue spüren, als ihre Definition kennen.
Wenn du die ganze Bibel auswendig wüsstest und kenntest dich in allen Lehren der
Weltweisen aus, was hättest du davon ohne die Gottesliebe und die Gnade?
3. ,,O Eitelkeit aller Eitelkeiten! Alles ist eitel", außer Gott lieben und ihm allein
dienen (Koh 1, 2). Das ist die höchste Weisheit: Die Welt gering zu werten! und
dadurch nach dem Reiche der Himmel zu streben. Eitel ist es, vergängliche
Reichtümer zu suchen und auf sie seine Hoffnungen zu setzen. Eitel ist es, nach
Ehrungen zu verlangen und angesehene Stellungen anzustreben. Eitel ist es, den
Trieben des Leibes nachzugeben und zu begehren, was später schwere Strafe nach
sich zieht. Eitel ist es, sich ein langes Leben zu wünschen und sich um ein gutes
Leben kaum zu bemühen. Eitel ist es, nur auf das gegenwärtige Leben zu achten und
für die Zukunft kein Auge zu haben. Eitel ist es, zu lieben, was eilenden Fluges
vorüberzieht, statt schleunigst dorthin zu eilen, wo ewige Freude wohnt. Denke oft an
jenes Sprichwort: "Das Auge wird nicht satt vom Sehen, das Ohr nicht satt vom
Hören" (Koh 1, 8). Sei also darauf bedacht, dein Herz von der Liebe zum Sichtbaren
zu lösen und dich zum Unsichtbaren zu erheben. Denn die den Eindrücken der Sinne
folgen, beflecken das Gewissen und verlieren Gottes Gnade.
Sich selbst demütig einschätzen
1. Echtes Wissen macht demütig.
2. Reiches Wissen bringt Verantwortung.
3. Tiefes Wissen führt zur Menschenachtung.
1. "Jeder Mensch hat einen natürlichen Wissensdrang", aber was bringt die
Wissenschaft schon ein ohne die Gottesfurcht? Besser ist ein demütiger Landmann,
der Gott dient, als ein stolzer Philosoph, der den Lauf der Gestirne studiert, sich
selbst aber vergisst. Wer sich selbst gut durchschaut, hält sich nicht für einen
wertvollen Menschen und erfreut sich nicht am Lobe der Menschen. Wenn ich alles
wüsste, was es in der Welt gibt, lebte ich aber nicht in der Liebe, was nützte es mir vor
Gott, der mich nach meinen Werken richten wird? Mäßige die übergroße Wissbegier,
sie lenkt dich zu stark ab, sie täuscht dich. Die viel wissen, wollen gerne beachtet und
als Weise tituliert werden.
2. Es gibt vieles, das zu wissen der Seele wenig oder gar nichts nützt. Sehr unklug ist,
wer anderen Dingen nachgeht, statt solchen, die seinem Heile dienen. Viele Worte
sättigen die Seele nicht. Das gute Leben aber ist eine Labe für den Geist und das reine
Gewissen eine Quelle großen Gottvertrauens. Je umfassender und gründlicher dein
Wissen ist, desto schwerer wiegt deine Verantwortung, wenn dein Leben nicht um so
heiliger war. Brüste dich also nicht mit irgendeiner Kunst oder Wissenschaft, fürchte
dich vielmehr wegen der dir verliehenen Einsicht. Wenn du meinst, vieles zu wissen
und es recht gut zu verstehen, so bedenke, dass es noch weit mehr gibt, was du nicht
weißt.
3. "Sei nicht überheblich" (Röm 11,20; 12, 16), gestehe lieber deine Unwissenheit.
Warum willst du dich anderen vorziehen, da es doch viele gibt, die gelehrter und
gesetzeskundiger sind als du? Willst du etwas Nutzbringendes wissen oder lernen, so
liebe es, unbekannt zu sein und für nichts gehalten zu werden. Das ist die tiefste und
nützlichste Wissenschaft: sich selbst richtig zu erkennen und gering zu achten. Das ist hohe Weisheit und Vollkommenheit: von sich selber nichts zu halten und von andern
immer eine edle, gute Meinung zu haben. Siehst du jemanden offenkundig sündigen
und sich schwer vergehen, du dürftest dich dennoch nicht für besser halten. Denn du
weißt nicht, wie lange du im Guten verharrst. Wir alle sind gebrechlich, aber halte
keinen für hinfälliger als dich selbst.
Die Lehre der Wahrheit
1. Gott erkennen geht über alles Fachwissen.
2. Im Lichte des ewigen Wortes (Christi) erkenne ich die Wahrheit um Welt und
Leben.
3. Der gesammelte Geist, der sich beherrscht, erkennt leichter.
4. Der demütige Geist erfasst am tiefsten.
5. Mein Wissen im Lichte des Jüngsten Gerichtes.
6. Das wahrhaft große Wissen.
Glücklich, den die Wahrheit (Gott) selbst belehrt, nicht durch vergängliche
Zeichen und Worte, sondern in ihrem Wesen. Unser Denken und unser Sinn täuschen uns oft und nehmen wenig wahr. Was nützt das lange Reden über verborgene und
dunkle Dinge? Wir werden ihretwegen nicht zur Rechenschaft gezogen, wenn wir sie
etwa nicht gekannt haben. O große Torheit, das Nützliche und Notwendige zu
übergehen, um Dingen nachzugehen, die nur der Neugier dienen und Schaden
anrichten! "Wir haben Augen und sehen nicht" (Jer 5,21 und Ps 115,5). Was
kümmern wir uns um Gattungen und Arten? Zu wem das ewige Wort (Gott) spricht,
der bleibt vor vielen falschen Ansichten bewahrt.
Aus einem Worte (Gottes) stammen alle Dinge, und von einem Worte reden alle
Dinge, und das ist "der Anfang, der auch zu uns redet" (Joh 8, 25). Ohne ihn kommt
keiner zur Einsicht, hat keiner ein rechtes Urteil. Wem alles das Eine ist, wer alles auf
das Eine bezieht und alles in dem Einen schaut, dessen Herz kann festen Stand haben
und dauernd im Frieden Gottes leben. O Wahrheit Gott, mach mich eins mit dir in
ewiger Liebe! Ich bin des vielen Lesens und Hörens oft so überdrüssig. In dir ist
alles,