der Teufel keine Gelegenheit finde, ihn zu überlisten.
Denn der Teufel schläft nie, sondern "geht umher, suchend, wen er verschlinge" (1
Petr 5, 8). Niemand ist so vollkommen und heilig, daß er nicht zuweilen
Versuchungen hätte, und ganz frei von ihnen bleiben ist uns gar nicht möglich.
2. Doch bringen die Versuchungen dem Menschen oft große Vorteile, ob sie ihm
auch lästig und beschwerlich sind: sie demütigen, läutern und erziehen ihn. Alle
Heiligen sind durch viele Drangsale und Anfechtungen gegangen, und sie sind an
ihnen gewachsen. Die aber nicht fähig waren, in den Versuchungen durchzuhalten,
wurden abtrünnig und gingen verloren. Kein Stand ist so heilig, kein Ort so
abgelegen, daß sie den Versuchungen und Trübsalen nicht zugänglich wären.
3. Niemand ist zeitlebens vor Versuchungen ganz sicher, weil der Keim zur
Versuchung in uns selber schlummert. Wir sind in der Situation des Begehrens
geboren. Ist eine Versuchung oder Bedrängnis überstanden, kommt schon eine
zweite. Immer werden wir etwas zu leiden haben; denn wir haben das Gut unserer
Glückseligkeit verloren. Viele suchen den Versuchungen zu entfliehen und
verstricken sich noch mehr in sie. Die Flucht allein führt uns nicht zum Siege, aber
Geduld und wahre Demut machen uns stärker als alle Feinde. Wer nur äußerlich
ausweicht und die Axt nicht an die Wurzel legt, richtet wenig aus. Ja, die
Versuchungen werden schneller wiederkehren und ihn um so schlimmer plagen. Nur
nach und nach, durch Geduld und Langmut wirst du mit Gottes Hilfe die Oberhand
gewinnen, nicht durch eine schroffe, ungestüme Art. Hole dir öfters Rat, wenn du
versucht wirst, und verfahre nicht hart mit dem, der versucht wird. Sprich ihm
vielmehr Trost zu, wie du es selbst für dich wünschest. Die Quelle aller bösen
Versuchungen sind das unbeständige Herz und das geringe Vertrauen zu Gott; denn
wie ein steuerloses Schiff von den Fluten hin und her geworfen wird, so gerät ein
lauer, seinem Vorsatz ungetreuer Mensch in die Wogenwucht der Versuchungen.
"Das Feuer erprobt das Eisen, die Versuchung den Gerechten" (Sir 2, 5). Oft wissen
wir nicht, was wir können, aber was wir sind, zeigt die Versuchung. Wir müssen
wachen, besonders, wenn die Versuchung einsetzt. Man wird den Feind leichter
überwinden, wenn man ihm entschlossen den Zugang zum Inneren sperrt und ihn,
sobald er Einlass begehrt, vor der Schwelle noch, zum Kampfe stellt. Deshalb hat
jemand gesagt: "Den Anfängen biete die Stirn, zu spät wird sonst der Heiltrank
bereitet, wenn das Übel durch die lange Dauer sich verfestigt hat." Zuerst naht dir ein
einfacher Gedanke, dann eine lebhafte Vorstellung, schließlich die Lust, dann die
sündhafte Regung und Einwilligung. Und so nimmt der böse Feind allmählich ganz
Besitz von dir, wenn du ihm nicht gleich anfangs widerstehst. Und je länger du
säumst, Widerstand zu leisten, umso schwächer wirst du von einem Tage zum
andern, während der Feind umso stärker wird.
4. Einige haben zu Beginn ihrer Umkehr größere Versuchungen zu bestehen, andere
am Ende, wieder andere haben sozusagen ihr ganzes Leben hindurch zu leiden,
während einige nur ganz gelinde versucht werden, je nach der Weisheit und
Gerechtigkeit der göttlichen Vorsehung, die Stand und Verdienst der Menschen
abwägt und alles zum Heile ihrer Auserwählten vorherbestimmt. Wir dürfen deshalb
nicht verzweifeln, wenn wir versucht werden, müssen vielmehr Gott um so
inbrünstiger anflehen, dass er uns in aller Drangsal gnädig zu Hilfe komme. Er wird
nach dem Worte des hl. Paulus "zugleich mit der Versuchung eine solche Hilfe
schicken, dass wir ihr gewachsen sind" (1 Kor 10, 13). "Beugen wir uns also demütig
unter Gottes Hand" (1 Petr 5, 6) in jeder Versuchung und Trübsal; denn die demütig
sind im Geiste, wird er erretten und erhöhen. Versuchungen und Drangsale sind der
Prüfstein, der den Fortschritt des Menschen anzeigt, begründen ein größeres
Verdienst und rücken die Tugend in helleres Licht. Es ist nichts Großes, gottinnig
und eifrig zu leben, solange uns nichts bedrückt; aber wenn wir in der Zeit der Not
geduldig ausharren, dürfen wir hoffen, daß wir im Inneren bedeutend gewachsen
sind. Einige erleben keine großen Versuchungen, dafür erliegen sie oft im
Kleinkampf des Alltags. Sie sollen, weil gedemütigt, niemals in großen Dingen auf
sich selbst vertrauen, da sie schon in kleinen Dingen versagen.
Leichtfertiges Urteilen meiden
1. Dein Urteil wird zu leicht von der Eigenliebe, den Sinnen und von
Gefühlsmomenten diktiert.
2. Soviel Köpfe, soviel Ansichten; die Sicht von Christus her führt zur Einsicht im
Denken.
1. Richte dein Auge auf dich selbst und hüte dich, über das Tun anderer zu Gericht zu
sitzen. Das Urteilen über andere ist vergebliche Mühe, der Mensch urteilt öfters
falsch und fällt dabei leicht in Sünde. Wenn er sich aber selber kritisch beurteilt,
bringt ihm diese Mühe allezeit Segen. Wie uns eine Sache am Herzen liegt, so
urteilen wir gewöhnlich darüber; denn wegen der Eigenliebe verlieren wir leicht den
Blick für das rechte Urteil. Wäre Gott stets das reine Ziel unseres Verlangens, wir
würden durch den Widerstand unserer Denkart nicht so leicht aus der Fassung
geraten. Aber oft bleibt uns von innen her etwas verborgen oder kommt von außen
auf uns zu, was uns sofort mitreißt. Viele suchen im geheimen bei ihrem Tun und
Lassen sich selbst und wissen es nicht. Dem Anschein nach leben sie, solange die
Dinge nach ihrem Wunsch und Willen gehen, in tiefem Frieden. Kommt es aber
anders, als sie wünschen, sind sie gleich erregt und traurig.
2. Wegen der Verschiedenheit im Fühlen und Denken entstehen häufig Zwistigkeiten
unter Freunden und Mitbürgern, unter Ordensleuten und Gottesfreunden. Eine alte
Gewohnheit gibt man schwerlich auf, und niemand lässt sich gern über seine eigene
Anschauung hinausführen. Wenn du dich mehr auf deine Vernunft und auf deinen
Fleiß verlässt als auf die bezwingende Kraft Jesu Christi, wirst du nur selten und erst
spät ein Mensch der Erleuchtung; denn Gott will,