George Tenner

Der Tod zwischen den Inseln


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von deinem Volk sprechen«, sagte Limas leise.

      »Aber es stimmt.«

      »Was stimmt?«, fragte Aaron nach.

      »Dass es in Deutschland Fremdenhass gibt. Ganz vorn trifft er die schwarze Haut. Die kommt noch vor den Türken, denn die erkennt man erst richtig, wenn sie den Mund aufmachen«, sagte Yakubu Uhuru.

      »Ich will da hingehen«, beharrte Aaron.

      »Taabu …« Limas meinte das als Aufforderung an den Massai, ein Machtwort zu sprechen. Er wusste, dass Zarahn wohl der Einzige war, auf den Aaron hören würde.«

      »Limas hat recht«, sagte Zahran. »Einer bleibt hier. Du wirst, der heute die erste Wache übernimmt, Aaron.«

      Aaron schäumte. Doch er wusste, wie der Vater reagierte, würde der Massai über seine Widerspenstigkeit berichten.

      Sie setzten sich in der Messe an den Tisch.

      »Es sieht gut aus«, sagte Limas, als Yakubu Uhuru das Essen auf den Tisch stellte.

      »Und es riecht schon verführerisch«, gab Aaron zu bedenken.

      »Dabei könnte es wohl gerade für dich reichen«, sagte Yakubu Uhuru mit einem breiten Grinsen.

      »Wir lassen ihm den Hauptanteil«, beschied Taabu Zahran kurz. Er legte sich einen Löffel des auch für ihn köstlichen Geflügelsalates vor. Dann brach er ein großes Stück eines der drei Baguettes ab, die ihre knackige Frische bereits verloren hatten. Doch das störte den Mann nicht.

      »Der Hafenmeister hat uns eine Übersicht der Möglichkeiten gebracht, die uns die Insel bietet«, sagte Limas. »Wir werden sie wohl kaum nutzen können. Wir werden hier nur eine Nacht liegen, und müssen morgen am Spätnachmittag verschwunden sein.«

      »Ist das ein Problem?«, fragte der Massai.

      »Wir fahren, bis es dunkel wird, ankern draußen im Wieker Bodden«, sagte Limas. »Dann haben wir noch immer eine rund 10-Stunden-Reise bis zum Treffpunkt.«

      Einen Augenblick schwiegen sie kauend.

      »Wenn wir allen Unbilden aus dem Wege gehen wollen«, sagte Taabu Zahran nachdenklich, »bleiben wir gemeinsam an Bord bis morgen.«

      »Glaubst du, dass es Ärger geben kann?«, brauste Aaron auf.

      »Ich will es gar nicht darauf ankommen lassen. Was meinst du, Hector?«

      Limas zucke mit der Schulter. »Jeder von uns brauchte zwar ein wenig Landgang. Doch müssen wir vermeiden, was die Operation gefährdet.«

      »Dann bleiben wir heute alle an Bord«, beschied Taabu Zahran.

      Aaron brauste auf. »Ich werde mit meinem Vater telefonieren.«

      »Tu das«, sagte der Massai ruhig. »Aber er wird nicht sonderlich begeistert reagieren. Hat er doch ausdrücklich angeordnet, nur im äußersten Notfall Kontakt mit ihm aufzunehmen. Einen Notfall kann ich nicht erkennen.«

      Aaron erkannte die aussichtslose Lage.

      »Du kannst dich nützlich machen. Hilf Yakubu beim Abräumen, Aaron.« Taabu Zahran stand auf. Lass uns hochgehen«, sagte er zu Limas.

      Die beiden Männer gingen ins Ruderhaus.

      Der Massai schaute hinaus zum Horizont. Die Sonne ging glutrot unter. Es ist fast wie zu Hause, dachte er. Nur das Brüllen der Löwen fehlt, und der schnelle Wechsel vom Tag zur Nacht.

      Limas steckte sich eine Zigarette an. Zweimal glühte sie auf, bevor er sagte: »Wir haben den Termin morgen elf Uhr. Die Frage ist, wer geht hin?«

      »Ich denke, dass wir beide das machen werden«, sagte der Massai.

      »Wie erklärst du das Yakubu? Er ist der Europachef.«

      »Ich werde ihm sagen, dass er zusammen mit Aaron hier sein muss, weil wir gezwungen sind, nachzutanken.«

      »Ich bin der Einzige mit einem Patent.«

      »Wer weiß das außer uns? Yakubu ist schon mit seinem Vater auf dem Victoriasee zwischen Muhuru und Kisumu hin und her geschippert. Wusstest du das nicht? Der Alter war dort Kapitän. Yakubu kann das.«

      Später, als der Massai über das Wasser des Jasmunder Boddens schaute, sah er in der Abenddämmerung ein großes Motorboot näherkommen. »Wir kriegen Besuch.«

      Limas justierte das Fernglas. »Es ist ein umgebauter Fischkutter«, sagte er ruhig. »Solche Schiffe gibt es ebenfalls bei uns in Großbritannien, seegängig, zuverlässig. Sie bieten viel Raum.«

      »Ein Fischkutter?«

      Limas antwortete nicht. Er beobachtete, wie der Kutter am Kopf des linken Stegs festmachte.

      »Es ist eine Frau an Bord«, sagte er nach einer Weile. Beruhigt legte er das Glas weg.

      Yakubu Uhuru und Aaron spielten Scrabble. Aaron war ganz scharf darauf. Yakubu hingegen ließ es über sich ergehen. Sie mussten so die Zeit totschlagen, um den Jungen daran zu hindern, Unruhe wegen seines Wunsches zu verbreiten, die Störtebekerfestspiele nicht ansehen zu dürfen.

      Kurz nach zehn ging Yakubu Uhuru, der eine der beiden Kojen im Vorschiff benutzte, und legte sich hin. Limas ging kurz nach ihm. Er war geschlaucht von den überlangen Wachen, die er während der Fahrt am Ruder gestanden, oder zumindest wach daneben aufgepasst hatte, dass keiner von den anderen ihr Schiff versenkte.

      Aaron Chandu räumte das Spiel zusammen. Legst du dich gar nicht hin?«, fragte er.

      Taabu Zahran schaute auf. Er schob das kleine Buch beiseite, in denen er stichartig Tagesereignisse notierte. Später würde er sich Erinnerungsanstöße holen, wenn er die Berichte für Juma Chandu, seinen Boss schreiben würde.

      »Ich brauche wenig Schlaf«, sagte er. »Da ich keine Ruhe finde, solange du nicht im Bett bist, bleibe ich, bis auch du müde sein wirst.«

      Aaron schluckte einen Fluch herunter. Dann ging wortlos ins Achterschiff, wo er sich die Kabine mit dem Massai teilte.

      Taabu Zahran ging noch einmal hoch zum Steuerstand des Bootes. Er setzte sich und beobachtete in die Dunkelheit hinein, ob er im fahlen Licht der Laternen Bewegungen auszumachen konnte. Auch der umgebaute Fischkutter, der wenige Stunden zuvor ankam, lag im Dunklen. Er konnte keine Bewegung an Bord des Schiffes feststellen. Als er überprüft hatte, dass die Außentüren des Motorseglers verschlossen waren, ging auch er hinunter zu seiner Koje in der Heckkabine. Er bewegte sich wie ein Gepard beim Anschleichen an eine Beute. Bevor er die Schiebetür öffnete, lauschte er hinein. Was er vernahm, befriedigte ihn. Aaron stieß ein gedämpftes Röcheln aus, das der Massai schon aus anderen Nächten kannte. Sehr leise legte er sich auf die Koje. Er hatte sich nicht ausgezogen, um jederzeit sprungbereit zu sein, falls Aaron ihn erfolgreich getäuscht hatte. Seine Vorsicht war unbegründet.

      Aarons gleichmäßiges Atmen zeigte ihm, dass der Sohn des Chefs der KW schlief. Doch wenn er versuchte, ihn zu täuschen, um von Bord zu schleichen. Er würde nicht einmal bis zur Messe kommen, denn der Massai war es aus vielen Nachtjagden und Wachen bei den Zelten während der Safaris in der ostafrikanischen Savanne gewöhnt, selbst die spärlichste Regung wahrzunehmen. Der kleinste Laut, den ein Löwe von sich geben würde, oder das Knacken eines Astes, wenn ein Springbock in der Nähe äste, wären ihm nicht entgangen. Hier lagen die Situationen anders. Doch die zarte Welle, die von einem Paddelboot übertragen, sich an der stählernen Wand des Schiffes leicht plätschernd brach, das leiseste Geräusch eines eintauchenden Paddels, – keiner der Mitreisenden könnte sie bemerken. Der Jagdinstinkt eines Massai aber schläft nie.

      Kurz nach vier brach die Morgendämmerung herein. Für Taabu Zahran das Zeichen, aufzustehen. Nichts würde er anders machen als Zuhause in seiner Enkaji in der kenianischen Savanne. Es war eine typisch kenianische Rundhütte, gebaut mit getrocknetem Kuhdung, in denen auch Ziegen über Nacht blieben, damit sie nicht einem Raubtier zum Opfer fielen. Dementsprechend herb kam der Geruch an empfindlichen Nasen an, den seine beiden Frauen als durchaus normal ansahen.

      Für