Levi Krongold

Die merkwürdigen Erlebnisse des Astronauten Ribor Raskovnik bei seiner Rundreise durchs Weltall


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bekommt er einen tierischen Sonnenbrand, so dass er sich krebsrot verfärbt. Tierschutzorganisationen, die sich dem Schutz der niederen und missachteten Lebensformen verschrieben haben, insbesondere der Grottenolme, forderten deshalb bereits die Verdunklung des ein oder anderen Sterns, allerdings bislang ohne Erfolg.

      Neben der moralischen Motivation zum Schutz gegen die Sonnenbestrahlung der Grottenolme zu Felde zu ziehen, kommt allerdings auch eine nicht unerhebliche akustische hinzu. Grottenolme mit Sonnenbrand jammern und klagen derartig nervtötend in den schrillsten Tönen, dass man leicht einen Hochtongehörschaden davontragen kann. Sie werden deshalb schon von Gesetz wegen völlig verdunkelt gezogen.

      Da der Grottenolm an sich eher kugelig und klein ist, geröstet aber einen angenehm nussartigen Geschmack entwickelt und als Spezialität in der asiatischen und japotrabantischen Küche gilt, wird er im Laufe der Entwicklung von speziell ausgebildeten Erziehern täglich ein wenig in die Länge gezogen, bis er sich im Alter von 2 Normaljahren ungefähr bequem um ein Essstäbchen wickeln lässt.

      Dennoch gilt er bei dem Rest der Galaxis als so ziemlich das niederste denkbare Lebewesen. Vom Grottenolm sind auch ungefähr nur zwei Gedanken bekannt: »Hau ab!« und »Lass mich in Ruhe!« (Ein weiterer Gedanke gilt als fremdenfeindlich und wird deshalb verschwiegen: »Verdammte Schlitzaugen!« )

      Ich schaute also hilflos und unfähig mich aufzurichten in das über mich gebeugte, struppige ungewaschene Gesicht des Freibeuters und wurde zum ersten mal Zeuge seiner häufigen und plötzlichen Stimmungswechsel, die so charakteristisch für ihn sein sollten.

      Plötzlich traten ihm Tränen in die Augen, sein Mund verzog sich zu einem fast debil zu nennendes Grinsen und er beugte sich so tief über mich, dass ich von seinen stinkenden Atem, von seinen maroden und braungelb gefärbten Zahnstummeln herrührend, fast betäubt wurde. Er stupste mir mit seinen dicken Fingern leicht unters Kinn und sagte: »Du bist ja ein putziges Kerlchen, Olmi!- Komm mach Pappi eine Freudi, Freudi und sei ein bisschen lieb zu ihm! - Lauf nicht weg... Willy kommt gleich wieder!«

      Damit richtete er sich auf und entfernte sich schnellen Schrittes aus dem Raum 'tapklacktappklacktappklack'. Die mächtige Stahltür knallte er mit einer derartigen Wucht zu, dass der ganze Raum in minutenlanger Vibration durchgerüttelt wurde.

      Da Willy Wikinger das Licht angelassen hatte fand ich nun Gelegenheit, mich ein wenig umzuschauen.

      Die vier Polizisten lagen fest verschnürt in jeder der vier Ecken des Raumes. Auch sie brauchten offenbar einige Zeit, um sich von dem Schreck zu erholen.

      Einer der Polizisten, ein Dicker, mit unglaublich großen Kugelbauch und Doppelkinn schaute unentwegt in meine Richtung und bewegte ruckartig den Kopf. Dabei stieß er ein bittendes »hmhmhm« aus.

      Ich massierte unentschlossen meine Beine, damit wieder Gefühl in sie hineinkam. Langsam hörte das Kribbeln in den Füßen auf und ich konnte den ein oder anderen Zeh bereits wieder bewegen.

      Der Polizist stieß wieder ein heiseres, diesmal drängenderes »hmhmh-hmmm« aus und wackelte mit dem Kopf.

      Nun war mir die »HMHM«-Sprache ja völlig fremd, so dass ich den Sinn dieser Laute nicht genau verstand und annahm, er wolle sich mir vorstellen.

      Ich sagte »Hallo, wie geht es Ihnen? Hatten sie eine gute Reise?«

      So begrüßte jedenfalls der Translator jeden Außerirdischen und deshalb konnte dies nicht falsch sein.

      Die Polizisten schauten sich gegenseitig an und fingen an zu grimmassieren.

      Sie hatten wohl meine Worte verstanden und wollten mir zum Ausdruck bringen, dass ihre Reise offenbar nicht so günstig abgelaufen war.

      Das war verständlich, denn sie befanden sich auch in einer jämmerlichen Situation. Nicht nur hatten sie den Mund zugepflastert, sie waren auch derartig verschnürt, dass keiner von ihnen sich auch nur einen Normmillimeter von Fleck bewegen konnten.

      Ein besonders langer dünner Polizist bewegte seine Zehen hin und her und ich verstand, dass sie wohl eine Art Zeichensprache benutzten um sich zu verständigen.

      Ich versuchte es auf diese Weise, indem ich meinen Fuß etwas von Boden hob, damit sie ihn besser sehen konnten und mit den Zehen wackelte.

      Dies hatte sofortigen Erfolg.

      Sie hmhmhmten jedenfalls nun alle zusammen und rollten mit den Augen und es klang wie Zustimmung.

      Daher wackelte ich nochmals mit den Zehen, rollte mit den Augen und stieß ein langes »hmhmhm« aus.

      Dies schien sie zu beruhigen, denn sich entspannten sich augenblicklich, ließen ihre Köpfe wieder sinken und atmeten hörbar durch die Nase aus.

      Vielleicht konnte ich auf diese Weise eine Art Kommunikation mit Ihnen entwickeln?

      So wurde damals auch mit den Semantikern verfahren.

      Die Semantiker waren die erste sprachbegabte Spezies, auf die die ins Weltall aufgebrochene menschliche Spezies traf. Das war kurz nach dem Interkontinentalcrasch.

      Die Semantiker kamen, soweit man weiß, aus dem orthographischen Galaxiennebel und sprachen eigentlich kyrillisch. Sie hatten eine Technik entwickelt, die es ihnen ermöglichte Zeit durch Worte zu überbrücken.

      Wie jeder Weltraumfahrer ja weiß, ist die Zeit das größte Hindernis bei der Überbrückung von Entfernungen. Die Zeit ist elastisch und verhält sich unberechenbar. Mal ist sie lang und vergeht langsam, mal ist sie kurz und fliegt sozusagen dahin. Deshalb wusste man in den Kindertagen der Raumfahrt lange nichts damit anzufangen. Jeder Versuch den Abflug und die Ankunft eines Raumschiffes fahrplanmäßig genau anzugeben scheiterte daran, dass die Zeit überall unterschiedlich verging. So konnte es sein, dass eine Rakete zwar Sonntagmorgen abhob, und die Mannschaft hoffte am Abend rechtzeitig zum Essen wieder zurück zu sein, bei der Ankunft jedoch feststellen musste, dass bereits Dienstagabend war und nur noch das dreckige Geschirr herumstand, was abgewaschen werden musste, vom Abendessen jedoch vielleicht nur noch ein paar vertrocknete Brötchen oder vermatschte Nudeln.

      Auch machte es jede Berechnung der Flugdauer unmöglich. In näherer Umgebung der Erde, etwa bis zum Pluto, macht das noch nicht so viel aus. Jedoch darüber hinaus wird es problematisch.

      Dadurch bekam man früher den Eindruck, dass eine Reise zum Beispiel zum benachbarten Orion sich nicht lohne, da dort erst die Enkelkinder ankämen.

      Dieses Problem überbrückten die Semantiker in genialer Weise.

      Sie schufen zeitlose Sätze, so dass der Einfluss der Zeit unbedeutend wurde, sie benutzten den Zeitgeist um sich zu verständigen und waren daher nicht auf die langsamen elektromagnetischen Wellen angewiesen und sie vertrieben die Zeit, sobald sie sie auf ihrer Reise auch nur ansatzweise entdeckten mit unsinnigen Aneinanderreihungen von Wörtern und ganzen Sätzen. Dies war lustig und nützlich gleichzeitig, denn das wichtigste auf jeder Raumreise ist eben der Zeitvertreib.

      Als nettes Nebenprodukt ihrer Kunst entstanden haufenweise Bücher, die aus dem Antrieb ihrer Raketen ins All katapultiert wurden, wo sie es um nette, wenn auch vergleichsweise nutzlose Werke bereicherten. Auch diese Zeilen stammen letztlich aus diesem Ausstoß.

      Dadurch konnten sie sich mühelos von einem Ort zum anderen bewegen.

      Als einziges Nahrungsmittel war ihnen die Herbstzeitlose erlaubt, denn andere Nahrung hätte zu einer zeitweiligen Rückkehr der Zeit geführt und ihre Reise unterbrochen. Das ist nicht jedermanns Sache, denn der Geschmack der Herbstzeitlosen ist auf die Dauer etwas eintönig, weshalb sich diese Art des Reisens nicht allgemein durchsetzen konnte.

      Wollten sie eine Stadt erbauen oder eine Raketenrampe erneuern, so redeten sie es sich einfach ein, wodurch eine hohe und differenzierte Kultur in ihrer Konfabulation entstand.

      Es gab mehrere Konfabulationen, die miteinander durch lange Sätze verbunden waren und komplizierte Gebilde darstellten, die alle jedoch von einem Regenten beherrscht wurden, dem Grammatiker. Dieser waltete streng über die Konfabulationen.

      Alle anderen Bewohner betrachteten