Levi Krongold

Die merkwürdigen Erlebnisse des Astronauten Ribor Raskovnik bei seiner Rundreise durchs Weltall


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immer mehr Einzelheiten sichtbar werden.

      Genaugenommen scheinen alle Innenwände bekrakelt zu sein. Wenn ich richtig sehe sogar die Sitzbank.

      Das ist immerhin so merkwürdig, weil es einen Hinweis darauf geben könnte, dass vor mir schon andere hier gewesen sein müssen!

      Vielleicht ist ja dieser Ort – oder Abort gar nicht so singulär wie ich angenommen habe und es kreuzen sich verschiedene Raumzeitkoordinaten gerade an dieser Stelle. Ich glaube rechnerisch wäre die Wahrscheinlichkeit dafür gar nicht zu ermitteln.

      Aber was heißt schon Wahrscheinlichkeit? In einem unendlich großen Weltall, mit genügender zeitlicher Faltung, ist die Wahrscheinlichkeit, die unwahrscheinlichsten Ereignisse zu erleben, theoretisch unendlich groß. Was aber heißen würde, dass die Möglichkeit, einem Raumfahrer könnte im Laufe seines Lebens mehrmals dieselbe Situation zustoßen, nicht unwahrscheinlicher wäre, als beispielsweise die Geschichte, die Demian damals zugestoßen ist.

      Demian war ein Kumpel von mir, der extrem reinlich war. Er war deshalb in der Abteilung für Putziges beschäftigt und extrem dick, da er auch Krümelreste entfernen musste, die beim Essen übriggeblieben waren. Das waren mitunter recht beträchtliche Mengen und da er auch dazu neigte, sich möglichst ökonomisch, dass heißt gar nicht, zu bewegen, weil dabei die eingesetzte Energiemenge im Vergleich zum Verbrauch am geringsten ist, griff er erst gar nicht zum Kehrblech sondern ließ nur den Unterkiefer herunterhängen, was in der Energiebilanz sogar positiv wirkt, weil es durch weglassen der Muskelspannung im Mund bewirkt werden kann, ließ sich sodann gegen die Tischplatte sinken und atmete entweder tief ein oder ließ sich die Krümel von anderen in den Mund schaufeln. (Womit dieser Satz ein Ende fände.)

      Mit diesem Trick bekam er mehrfache Auszeichnungen für die ökonomischste Arbeitsweise in der gesamten Charge. Allerdings muss man wissen, dass der Samenspender ein hohes Tier in der Verwaltungshierarchie gewesen sein muss und da sollte die Anlage zu solchem Verhalten schon irgendwie mit vererbt werden.

      Aber nicht nur damit erreichte er ein hohes Ansehen, was ihm später bei seiner Karriere sehr geholfen hat, sondern auch damit, dass er besonders putzig schauen konnte, so mit Schmusemund, herunterhängenden Backen und großen, unschuldigen Äuglein, die neben seiner kleinen Stupsnase immer wieder Anlass zu Entzücken bei den möglichen Eispenderinnen führte.

      Einmal allerdings passierte etwas entsetzliches. Demian wurde im Laufe seiner Ausbildung zum Sternbild Leier versetzt, wo die Bewohner zu dauerhaft schlechter Laune neigten. Sie nörgelten an allem und jedem herum.

      Keiner seiner neuen Mitschüler war bereit, ihm die Krümel in den Mund zu schieben. Und gerade, als seine Rakete in eine Raumzeitturbulenz geriet, plärrte er so heftig und so laut über diese Bosheit, dass er die auf dem Tisch liegenden Krümel in die Ventilation blies, wo sie mit einer singulären Materieverdichtung interagierten, die eine mittlere Supernova zündete wodurch das gesamte Sternbild der Leier ausgelöscht wurde und noch heute dort nur unmanifestierte schlechte Laune herrscht, so dass sich kein Raumschiff mehr dorthin wagt aus Furcht, als Kristallisationskern für derartige Empfindungen zu wirken.

      Tja –so kann es zugehen im All.

      Aber genauer betrachtet sind meine Überlegungen auch nicht logischer als wenn ich davon ausgehen würde, dass das gesamte Weltall eben aus dem hiesigen Abort entstanden wäre. Zu dieser Überlegung neigen jedenfalls die Virtualisten, denn sie behaupten, dass gesamte Weltall leide nur unter der Illusion seiner Existenz. Es wäre weg, wenn gerade niemand hinschauen würde.

      Der Urheber solcher Gedanken war glaube ich Max Planck, ein ebenso krauses Gehirn wie der verbotene Einstein.

      Er hatte sogar die witzige Idee, dass Zeit aus kleinwinzigen Bausteinchen bestünde, die nur so winzig wären, eben klitzeklitzeklein, dass niemand sie wahrnehmen könnte womit er eigentlich nur die alten Griechen imitierte, die damals an die Existenz eines Atoms glaubten, ohne je eines gesehen zu haben. Aufgrund dessen entwickelte er bezaubernde Formeln die alle gemeinsam hatten, dass sie wunderschön waren, man damit alles Mögliche und Unmögliche beweisen konnte nur eben nicht der Wirklichkeit entsprachen.

      Naja... Philosophie... wer hier wohl die Wände bekrakelt hat?

      Und hier ist sogar ein Herzchen mit schrägen Pfeil durch. Da steht wohl auch was drüber...

      Ribor liebt Cynthi!

      Kann nicht sein…. so ein Zufall... Ribor liebt Cynthi...

      Müssen wohl noch mehr Humogene so heißen wie ich.

      Genaugenommen heiße ich 'Ribor Raskovnik H 32-A-0-5546H/univ.35Gte./clon201.typ34a, wobei 'Raskovnik' eigentlich ein unüblicher Namenszusatz ist, eine Laune einer unserer Züchter, der für seine Verschrobenheit bekannt war weil er Geschichte primitiver Kulturen studiert hatte und ein Anhänger alter Romane war. Er soll sogar eine komplette Ausgabe von »In Hauspantoffeln durch den Weltraum« besessen haben in gebundener Ausgabe auf einem Material das aus Bäumen irdischer Urwaldbäume gewonnen wurde . Sie muss ein Vermögen gekostet haben, denn es sind immerhin über 2000 Bände.

      Er gab jedem unserer Kohorte einen Zusatznahmen. Dies wurde zuerst nur als Scherz aufgefasst und war von seinen Vorgesetzten gar nicht gerne gesehen. Aber es bürgerte sich so ein und schließlich war es auch schneller auszusprechen als der gesamte Namen.

      Und hier, schau mal da, hat jemand eine lange Reihe Striche in den Türpfosten geritzt. Was steht da drüber? »Wieder da!« und da unten: »Schon wieder da!« und ganz unten: »Verdammte Hacke !«

      Vier senkrechte Striche drunter.

      Wer besucht denn so oft ein Plumpsklo im All?

      Wird verdammt heiß hier drin, beginne zu schwitzen.

      Willy Wikinger, da war doch noch was? Wieso muss ich immer an den Freibeuter denken?

      Er hatte nicht gerade viel Geduld mit mir. Kaum hatte sich sein raues und spöttisches Gelächter gelegt da brüllte er schon grimmig: »Komm raus da du elender Wurm oder soll ich dich aus deiner Konservendose raus schütteln?«

      Das Gesicht verschwand wieder und das Kreischen der Metallsäge begann wieder gefolgt von dem bekannten Geräusch zerschnittenen Metalls. Von neuem stieben gelbe und blaue Funken in die Rakete als die Säge sich ein weiteres mal durch die Bordwand fräste, diesmal ein bedeutendes Stück näher als vorher. Es dauerte gar nicht lange, da fiel wieder ein Segment der Rakete auf den Boden und das Loch war wesentlich größer als vorher.

      Meine Gedanken rasten. An Entkommen war nicht mehr zu denken. Meine Rakete unbrauchbar geworden, gestrandet auf einem gekaperten Polizeiraumer, denn so etwas war dies hier wohl.

      Als sich wieder Willys Kopf in der Öffnung zeigte war diese so groß, dass er bereits hindurchgepasst hätte.

      »Buh!!« machte Willy plötzlich und lachte hämisch. Ich nehme an, ich wurde bewusstlos.

      Jedenfalls wachte ich auf mit dem unangenehmen Gefühl über rauen Boden gezogen zu werden und als ich die Augen aufschlug stellte ich fest, dass das genau der Realität entsprach. Der Freibeuter hatte mich an den Beinen mit einem Strick zusammengebunden und zog mich hinter sich her.

      Ich konnte gerade noch die Reste meiner Rakete entdecken, in deren Mitte ein kreisrundes Loch gesägt war, bevor sie hinter einer Ecke meine Blicken entschwand. Obwohl mein Rücken brannte, als sei dort nur noch rohes Fleisch, zog ich es vor, keinen Laut von mir zu geben.

      Ich polterte durch lange Gänge, die mit den unterschiedlichsten Gerätschaften ausgestattet waren, Rettungsankern, Nebelkerzen, die man als Notbeleuchtung vorn am Raumschiff anbringen konnte, wenn man durch einen Sternennebel flog, der die Sicht behinderte, und ähnlichen Notfallgegenständen.

      Dann wurde ich eine verrostete Treppe runtergezogen, wobei mein Kopf bei jeder Stufe schmerzhaft aufschlug.

      Während dessen brummelte, schimpfte und spuckte der Pirat unentwegt, tackerte mit seinem Ersatzbein auf den Boden klack- tap –klack –tap erreichte jedoch trotz dieser Behinderung ein erstaunliches Tempo.

      Nach