Isabel Tahiri

Dorran


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konnte. Allerdings hatte sie bald so viel davon, dass man es gar nicht mehr essen konnte, sie musste ihn verkaufen, bevor er schlecht wurde. Also ging sie einmal in der Woche nach Kirchberg und verkaufte auf dem Marktplatz ihren selbstgemachten Käse. Mit der Zeit mischte sie immer raffiniertere Kräutermischungen unter, ihr Käse war sehr beliebt. Nun verdiente endlich auch Bella eigenes Geld. Sie kaufte sich zwei weitere Ziegen, aber den Rest gab sie Dorran. Sie brauchte kein Geld, also hob er es auf. Dorran war stolz auf sie, aus eigener Kraft hatte sie etwas gelernt und es zu etwas gebracht. Er verwahrte ihr Geld gesondert und als sie achtzehn wurde, baute er auch ihr ein Haus. Allerdings am Rande des Grundstückes, sie rodeten noch ein bisschen mehr vom Wald. Mit den Ziegenpferchen und dem Stall, brauchte Bella einfach etwas viel Platz. Es sah hübsch aus, als es fertig war, richtig idyllisch. Auch hier kamen mit der Zeit die Leute und kauften direkt bei Bella.

      Dorran war inzwischen Vierzig, auf seinem Grundstück gab es jetzt schon drei Geschäfte Wilburs Schmiede mit Verkaufsraum, Bellas Käserei und Dianas Kurzwaren. Melissa war Künstlerin, ihr Atelier war im Haupthaus, aber trotzdem, langsam wurde es eng. Als stadteinwärts ein Stück Land direkt neben seinem zu verkaufen war, erwarb Dorran es.

      Es floss ein Bach hindurch, und das erinnerte ihn an seine Jugend, als er Keilberg zum ersten Mal sah und die Mühle dort. Auch seine Arbeit in der Schänke hatte er in guter Erinnerung. Er besprach sich mit Simone.

      Die redete ihm sogar noch zu. „Das ist gut, die Leute kommen sowieso her, warum nicht auch gleich noch etwas zu Essen und zu Trinken anbieten. Ich kann kochen, wenn Du willst.“

      Also bauten sie wieder ein neues Haus, einstöckig mit flachem Dach, zwei großen Räumen und einer Küche. Nach vorne hinaus baute Dorran mit Daniels Hilfe eine große überdachte Veranda an, da konnten die Leute sitzen im Sommer, auch wenn es einmal regnete. Melissa malte ein schönes Schild, auf dem der Name der Schänke, Dorrans, stand. Das Wirtshaus war von Anfang an gut besucht, nicht nur die Kundschaft von Bella, Wilbur und Diana kamen. Als es sich herumsprach, kamen auch die Kirchberger, anfangs aus Neugier, aber dann immer öfter. Dorran hatte günstige Preise und das Essen Simones wurde gerne genommen. Das Bier braute der Schwanenwirt und wurde dafür am Getränkeumsatz beteiligt, sonst gab es Wasser und Kräutertee. Und jeden Tag ein Eintopfgericht. Auch hier war ihm Erfolg beschieden, die Leute kamen ja sowieso vorbei, wenn sie bei den Kindern einkauften oder ein Pferd zu beschlagen hatten. Langsam entwickelte sich sein vergrößertes Grundstück zu einer kleinen Ansiedlung.

      Auch Daniel baute sich ein Haus auf das neue Grundstück, in das er mit der Tochter des Schwanenwirts zog. Helene hatte endlich ja gesagt, er war überglücklich. Sie würde einmal erben, und der Schwanenwirt hielt große Stücke auf Daniel. Die beiden heirateten und bald war wieder ein Enkelkind auf der Welt. Franz, solle er heißen, wie der Schwanenwirt und Dorran, wie der Vater.

      Das Leben für die Dorrans verlief ausnehmend gut, sie waren allesamt erfolgreich, mit dem was sie taten. Melissa bekam eine Ausstellung im Rathaus von Kirchberg und als Folge davon einige Aufträge. Simone verkaufte nebenbei ihre selbstgemachten Marmeladen und hatte sich Bienen angeschafft. In Wilburs Schmiede fing sie mit einem Regal an und innerhalb kürzester Zeit benötigte sie einen eigenen Raum. Damit sie alles beaufsichtigen konnte, baute man an die Schmiede nochmals an. Zu ihrem Sortiment aus Marmelade und Honig gesellten sich mit der Zeit noch eingelegte Früchte, Essiggurken und getrocknete Kräuter. Bella kaufte noch mehr Ziegen und verkaufte auch einen Teil der Milch als Dickrahm oder Quark. Das kam bei ihren Kunden gut an. Diana hatte mehr Kunden von außerhalb Kirchbergs als je zuvor, ihre Spitze war allseits beliebt. Dorrans Schänke, brummte von früh bis spät und Daniel übernahm auch hierfür die Buchhaltung. Sie kauften günstig ein, und verkauften zu moderaten Preisen weiter. Das sprach sich herum, bei Dorrans wurde man nicht übers Ohr gehauen. Nach einiger Zeit nannten die Leute ihre kleine Ansiedlung Dorrans Markt, einfach weil man dort inzwischen alles mögliche bekommen konnte. Die ganze Familie arbeitete hart für ihren Erfolg, aber es machte ihnen auch Spaß. Das Familienvermögen wuchs immer weiter an, alle waren zufrieden.

      Dorran war fünfundvierzig, als eines Tages eine Kutsche vor der Schänke hielt, auf den Türen der Kutsche ein Wappen aufgemalt war, das exakt so aussah, wie das auf seinem Wickeltuch.

      Aus reiner Neugier fragte er den hochgewachsenen, blonden Gast nach seinem Namen, Hermann von Wolkenstein, der jetzige Besitzer der Burg an der Grenze zu Südland. Dieser erzählte, dass er in die Hauptstadt wolle zum Gericht, er müsse sich als Erbe eintragen lassen, sein Vater sei gerade gestorben. Dorran bekundete sein Beileid und fragte beiläufig nach Verwandten. Nein, da wären keine, es gab einmal einen Bruder seines Vaters, aber der war vor fünfundvierzig Jahren verschwunden, alle hielten ihn für tot. Jetzt wurde Dorran doch hellhörig, das würde von der Zeit her passen. Er spendierte dem Gast ein Bier und ließ ihn die Geschichte des verschollenen Bruders erzählen.

      „Genau weiß ich es auch nicht, aber mein Vater hat erzählt, dass sein Bruder Michael eine Frau heiraten wollte, mit der ihr Vater nicht einverstanden gewesen ist. Es gab Streit und Michael verschwand eines Tages und ward nicht mehr gesehen. Mein Vater wurde dann der Nachfolger, und ich komme jetzt nach ihm. Wenn Michael noch leben würde, und Nachkommen hätte, wären wir gar nicht an der Reihe gewesen. Mein Vater war der jüngere Sohn.“ Das waren interessante Neuigkeiten, ob er das Wickeltuch noch finden könnte, Dorran hatte es Jahre nicht gesehen. Er überlegte kurz, etwas zu sagen, entschied sich dann aber dagegen, er hätte ja keinen Beweis, es wäre nur schön gewesen, Bescheid zu wissen. Und eine gewisse Ähnlichkeit war vorhanden, der hohe Wuchs und die blonden Haare, machten sie einander ähnlich. Er lud Hermann ein, doch wieder einmal vorbeizukommen, als der sich verabschiedete und nahm sich vor, das Wickeltuch zu suchen. Aber es war nicht zu finden, wahrscheinlich verbrannt, also vergaß er die ganze Sache.

      Wer den Wirt des Dorrans nicht vergessen konnte, war dagegen Hermann. Ihm war die Ähnlichkeit sofort aufgefallen, dieser Dorran sah aus wie sein Vater, als er noch jünger gewesen war. Sollte das Michaels Sohn sein? Wenn ja, war er ein Konkurrent auf die Anwartschaft der Burg, er musste sich etwas einfallen lassen, sonst wäre er sie schneller los als er glauben könnte.

      Zwei Nächte später wurde Dorran auf dem Weg von der Schänke nach Hause überfallen, die Täter waren maskiert. Sie hielten ihn fest und zerrissen sein Hemd. Einer der Angreifer war groß und blond, der andere klein und dunkelhaarig. Sie untersuchten seinen Rücken und als er fragte, was das soll, schlugen sie ihn mit einem Knüppel nieder.

      Als Dorran aus seiner Ohnmacht erwachte, fror er jämmerlich. Er rappelte sich auf und schleppte sich nach Hause, es war ja nicht weit. Simone empfing ihn ganz aufgelöst, sie hatte sich Sorgen gemacht. Als sie seine Verletzungen sah, schrie sie erschrocken auf und zwang ihn, sich sofort niederzusetzen. Sie holte ein Tuch und etwas kalten Tee und wusch seine Wunden. Dabei erzählte er ihr Alles.

      „Du willst mir erzählen, dass Du wahrscheinlich der Erbe von Burg Wolkenstein bist, und dass Dein Cousin, dieser Hermann, Dich heute Nacht überfallen hat und etwas auf Deinem Rücken gesucht und offensichtlich nicht gefunden hat.“ Fragte sie. So war es, das Einzige, dass sich auf seinem Rücken befand, am unteren Teil, am Übergang zum Po, war ein Muttermal, in Form eines Blattes. Simone kannte es und machte ihn darauf aufmerksam.

      Er schüttelte den Kopf. „Ach das, daran habe ich nicht mehr gedacht, seit ich ein Kind war. Mechthild hat es mir erzählt, aber ich hatte es vergessen. Meinst Du, das hat er gesucht?“

      „Sonst ist da nichts auf Deinem Rücken, dass oder er hat sich in Dir geirrt.“

      Simone hatte recht, vielleicht war es so etwas wie ein Familienkennzeichen. Wie konnte er das herausfinden? „Ich muss nach Wolkenstein, mit den Leuten reden, besonders mit den Alten. Einer wird was wissen. Vielleicht auch mit dem dortigen Pfarrer.“ Simone bat ihn bis zum Frühjahr zu warten, sie würde ihn begleiten, das wäre auch unauffälliger. Dazu erklärte Dorran sich bereit.

      Bevor es richtig kalt wurde, baute er einen der geschlossenen Wagen nach dem Vorbild von Gertrudes großem Fuhrwerk um, innen gab es jetzt zwei Räume, wobei das vielleicht etwas übertrieben ausgedrückt war. Hinten brachte er eine Trennwand an, so dass ein Verschlag entstand, der genau für einen schönen