er längere Zeit geschlafen hatte. Inzwischen war es später Nachmittag geworden. Dunkle Wolken schoben sich vor die Sonne und in der Ferne hörte er Donnergrollen. Ein heftiges Sommergewitter zog auf. Er packte seine Badesachen ein und machte sich auf den Heimweg. Als er am kleinen Strand vorüber kam, waren Charline und Timmi nicht mehr da. Sie waren vor ihm aufgebrochen. Er ging weiter in Richtung Bauernhof. Kurz bevor er ihn ereichte, kam er an eine Böschung. An deren Rand lagen Charline und ihr Bruder flach auf dem Bauch. So konnten die beiden beobachteten, was auf dem Hof geschah, ohne dabei selbst von dort aus gesehen zu werden. Hanno wunderte sich darüber.
Charline hatte sich ein kurzes Strandkleid über ihren Badeanzug gezogen. Ihre Badelatschen lagen neben ihren Füssen im Gras. Als sie Hanno hinter sich kommen hörte, sprang sie hoch, packte ihn und riss ihn mit sich zu Boden. Mit ihrer einen Hand hielt sie seinen Mund zu, sodass er nicht sprechen konnte. Mit der anderen drehte sie seinen Arm auf den Rücken, bis es ihm weh tat. Das Mädchen zog ihn zum Rand der Böschung und drückte ihn dort hinunter. Zuerst vermutete Hanno eine neue Gemeinheit von Charline, aber er spürte, dass sie aufgeregt und ängstlich war.
„Ich nehme jetzt langsam meine Hand weg. Wenn du nur einen kleinen Mucks machst, dann breche ich dir deinen Arm“, zischte sie leise zu ihm.
Der Junge fühlte instinktiv, dass sie es ernst meinte. Tatsächlich löste sie allmählich ihre Hand von seinem Mund. Gleichzeitig drehte sie mit ihrer anderen Hand Hannos Arm weiter auf den Rücken. Aus Angst, Charline würde ihm den Arm brechen, sagte der Junge nichts.
Er lag neben dem Mädchen auf der Böschung und konnte beobachten, was sich in einiger Entfernung auf dem Hof vor dem Bauerhaus ereignete, in dem Charline und Timmi mit ihren Eltern wohnten. Obwohl er es mit eigenen Augen sah, verstand er nicht, was dort geschah.
Vor dem großen Haus standen mehrere Personen. Zuerst fielen ihm Charlines Eltern auf. Ihr Vater war ein großer und kräftiger Mann mit sonnengebräunter Haut und einem dichten Haarschopf. Ihre Mutter sah genauso aus wie Charline, nur dass sie älter war und ihr Haar nicht so lang trug. Hanno bemerkte, dass bei den beiden die Hände mit Stricken auf dem Rücken gefesselt waren. Einige Meter vor ihnen stand der Dorfpolizist. Er hatte seine Dienstwaffe auf die beiden gerichtet und bedrohte sie damit. Zwei Männer, die Hanno flüchtig aus dem Dorf kannte, öffneten an dem roten Kombiwagen von Charlines Eltern alle vier Türen.
Dann bekam Hanno einen fürchterlichen Schrecken. Hinter den Eltern von Charline stand ein Mann, den er gut kannte. Es war sein eigener Vater. Er hatte das Gewehr, mit dem sein Großvater früher auf die Jagd gegangen war, im Anschlag und zielte damit auf die beiden. Mit vorgehaltener Waffe und harter Befehlsstimme zwang Hannos Vater Charlines Eltern, hinten in ihr eigenes Auto einzusteigen. Als sie auf der Rücksitzbank Platz genommen hatten, schlugen die beiden Männer aus dem Dorf die hinteren Türen zu.
„Was sollen wir mit den Kindern machen?“, rief der Dorfpolizist zu Hannos Vater hinüber.
„Die sind jetzt noch unterwegs“, antwortete Hannos Vater. „Die holen wir uns nachher, wenn sie wieder zu Hause sind.“
Daraufhin stiegen die zwei Männer aus dem Dorf vorne in das Auto von Charlines Eltern ein und brausten damit durch das offene Gattertor davon. Der Dorfpolizist lief zu seinem Streifenwagen, den an der Einfahrt zum Bauernhof abgestellt hatte, und fuhr ebenfalls weg. Nun stand Hannos Vater alleine auf dem Hof. Er schulterte das Gewehr und ging hinüber zu seinem Häuschen.
Als er die Haustür hinter sich geschlossen hatte, sprach Charline entsetzt: „Was war das denn? Was läuft da ab?“
Sie drehte Hannos Arm fester auf seinen Rücken, sodass er vor Schmerz aufschrie, und fragte ihn: „Was hat dein Vater mit meinen Eltern vor? Wo lässt er sie hinbringen?“
„Ich habe keinerlei Ahnung“, antwortete der Junge mit schmerzverzerrtem Gesicht.
„Lügner!“, brüllte ihn Charline an und drückte weiter zu. „Du steckst doch mit deinem Vater unter einer Decke.“
„Nein, ich weiß es wirklich nicht. Ich bin genauso überrascht wie du“, sagte Hanno gequält.
Sein Arm tat schrecklich weh. Er hielt es nicht aus und schrie.
„Nun erzähl schon, in welche Sache dein Vater verwickelt ist“, verhörte das Mädchen ihn weiter.
„Frag lieber, in welche Sache deine Eltern verwickelt sind. Schließlich hat der Polizist sie gefangen genommen“, entgegnete Hanno.
„Das war aber keine ordentliche Festnahme. Außerdem haben die beiden Männer aus dem Dorf sie anschließend mitgenommen und nicht die Polizei“, blieb Charline hart.
Das Mädchen kam ins Grübeln. Eine einfache Erklärung der Ereignisse war nicht zu finden. Das alles ergab keinen Sinn. Hanno hatte Charline bislang nie so ratlos und verunsichert erlebt.
„Bis sich das alles geklärt hat, bleibst du erst einmal bei mir“ befahl sie streng.
Dann ließ sie den Jungen los und die drei Kinder standen auf.
Hanno rieb sich seinen schmerzenden Arm und rief: „Nein, bei dir bleibe ich nicht. Ich gehe jetzt zu meinem Vater und frage ihn, was los ist.“
„Kommt gar nicht in Frage. Du willst uns nur an ihn verraten, damit er auch Timmi und mich holen kommt“, erwiderte das Mädchen.
„Ich lasse mir von dir nicht vorschreiben, was ich zu tun habe“, antwortete Hanno trotzig.
Mit diesen Worten rannte er in Richtung auf das Häuschen seines Vater zu. Charline verfolgte ihn. Nach zwei Sätzen hatte sie ihn eingeholt und grätsche von hinten in seine Beine. Hanno fiel der Länge nach hin und schlug sich dabei seinen Ellbogen auf.
Das Mädchen half ihm beim Aufstehen und sagte zu ihm: „Tu das nie wieder! Du weißt, dass ich schneller und stärker bin als du. Du bleibst jetzt bei mir.“
Hanno folgte ihr und hielt sich den anderen schmerzenden Arm.
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