Angelika Nickel

Tobias, ich schreib Dir ein Buch


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keine Lust sich mit dem Geist zu streiten, würde eh zu nichts führen. Und der Scheiß mit dem Buch, wäre er in einem Buch, dann wäre er noch mehr gefangen als diese Jahrhunderte, die er im Keller gelebt hatte. Aber auch darüber zu diskutieren wäre Unsinn gewesen, denn Schniefer war mittlerweile ungeduldig. Er wollte endlich mehr über sich erfahren und das konnte Tobias gut verstehen. Sehr gut sogar.

      »Wie soll ich denn nachdenken können? Ich hab doch so vieles vergessen...« Schniefer machte seinem Namen mal wieder alle Ehre, denn er fing just im gleichen Moment wieder an loszuheulen.

      Tobias erschrak darüber so sehr, dass er vor lauter Schreck vom Stuhl fiel. Gleich darauf war Schniefer bei ihm und zog ihn hoch. Tobias bedankte sich bei Schniefer, ging zur Tür und rief seinen Hund. Kurz danach kam Emilie ins Zimmer und fing sofort wieder zu knurren an.

      »Hör mit dem Knurren auf, Emilie. Das ist Schniefer. Schniefer ist ein Geist, der unsere Hilfe braucht. Deine und meine, Emilie. Wir werden jetzt mal sehen, ob dieser alte Kasten auch ein paar Geheimgänge hat, so wie man das in den Filmen immer sieht. Und Du, Emilie, Du bist ein Hund und Du gehst voraus. Schnüffle mal mit Deiner Nase an den Wänden und wenn Du glaubst, einen Geheimgang gefunden zu haben, dann bellst Du leise, hörst Du?«

      Emilie saß vor Tobias, stellte ihre kurzen Öhrchen und bellte einmal kurz zustimmend. Danach stand sie auf und lief zu Schniefer, an dem sie sehr lange herumschnupperte. Schniefer beugte sich vorsichtig zu dem Hund hinunter, hob ihm seine kleine durchsichtige Geisterhand hin und ließ diese von dem kleinen Hund abschlecken. Danach hüpfte er vom Bett und nahm Emilie in seinen Arm, woraufhin der kleine champagnerfarbene Hund den kleinen Geist abschleckte.

      Auf Tobias machte es den Anschein, als hätten die beiden soeben Freundschaft geschlossen.

      Emilie sprang auf und rannte durch´s Zimmer. Sie schnüffelte hier, sie schnüffelte dort, am Ende stand sie vor der Tür und wollte hinaus.

      »Ob sie mich auch richtig verstanden hat, Schniefer?«, fragend sah Tobias den Geist an.

      »Das hat sie, Tobias, das hat sie. Sie hat es mir nämlich gerade erzählt. Ich hab Dir doch gesagt, dass ich ein schlechter Geist wäre, könnte ich mich mit den Tieren nicht verständigen.« lachte Schniefer seinen Freund Tobias an.

      »Wenn Du es sagst.« Damit setzte sich Tobias in Bewegung und ging hin zur Tür, hin zu seinem Hund. Schniefer folgte den beiden.

      Der Geist war so aufgeregt, dass er mit seinen Zähnen zu klappern begann.

      Erschrocken drehte sich Tobias zu ihm um: »Bist Du krank? Sollen wir noch warten? Du kannst Dich gerne in mein Bett legen, wenn Du willst. Dann geh ich runter und mach Dir eine Wärmflasche, das hilft immer. Oder soll ich Dir etwas zum Essen holen? Vielleicht ist ja noch `was von Papas Pizza da. Übrigens, wenn Du mal jemanden siehst, der ein bisschen muskulös ist, dann ist das mein Vater. Aber deswegen brauchst Du meinen Vater nicht zu fürchten. Ich glaube sogar, dass er es als ganz klasse ansieht, wenn er erfährt, dass es Dich gibt...« erklärte Tobias seinem Geisterfreund.

      »Nein, vorerst soll gar niemand von mir erfahren, bitte. Wir müssen doch erst meine Vergangenheit herausfinden.« bat der kleine Geist.

      »Ja, ist gut, du hast ja Recht. Hier, Emilie will raus. Lass uns ihr folgen, wer weiß, vielleicht findest sie ja den Weg zum Geheimgang.« Tobias öffnete die Tür und Emilie rannte hinaus. Hurtig suchte sie den Weg nach oben.

      Tobias und Schniefer rannten ihr hinterher. Das heißt, Tobias rannte und Schniefer schwebte. Hätte Karin van de Ströhm dies sehen können, sie hätte sich keine Sorgen um den barfüßigen Jungen zu machen brauchen, denn Füße, die den Boden nicht berührten, konnten wohl auch nicht kalt werden..., zumindest nicht fußbodenkalt.

      Kapitel 8: Emilie kennt sich aus

      Emilie rannte als wäre ein beißender Bullterrier hinter ihr her. Ihre kleinen Beinchen rannten so schnell die großen Stufen des alten Schlosses hoch, dass Tobias schon dachte, dass die Beine seiner Hündin gewachsen sein mussten. Der kleine Hund rannte die Treppen hoch, dann ging er ein Stück auf dem geraden Treppenteil, um sofort wieder weiterzurennen. Das Ganze machte er solange bis er vor der Dachbodentreppe stand. Von hier aus konnte Emilie nicht weiter, eine Tür versperrte ihr den Weg.

      Ganz außer Atem kam Tobias angerannt, Schniefer folgte auf dem Schwebefuß.

      »Was ist, Emilie, müssen wir da rein?«, fragte Tobias seinen Hund.

      Es war Schniefer, der anstelle Emilies antwortete.

      »Genauso ist es. Wir müssen dort rein. Von dort aus geht’s bestimmt noch höher, denn wir haben noch nicht die letzte Etage des Schlosses erreicht, wenn Du mich fragst. Hast Du einen Schlüssel für diese Tür?«

      »Nein, habe ich nicht.« antwortete Tobias, der bereits ahnte, was nun kommen würde.

      »Dann musst Du ihn holen gehen. Emilie und ich warten hier auf Dich. Beeil Dich aber!«, schlug der in Jeans gekleidete Geist vor.

      »Na, danke, als wenn ich es nicht geahnt hätte. Ich kann also die ganzen Stufen nochmals runter rennen, um sie anschließend wieder hoch zu rennen. Warum machst Du das nicht, Schniefer? Immerhin suchen wir ja Deine und nicht meine Vergangenheit.«

      »Tobias, ich kann das schon machen, nur bezweifle ich, dass mir deine Mutter den Schlüssel für hier oben geben würde. Erst recht dann nicht, wenn man bedenkt, dass sie mich erst mal gar nicht sehen kann. Oder meinst Du, dass Deine Mutter Geister sehen kann, Tobias?« Schniefer machte ein unschuldiges Geistergesicht.

      »Ich hab´s schon verstanden, ich geh ja schon. Emilie, Du bleibst bei Schniefer.« Tobias drehte sich um und rannte die Stufen wieder hinunter.

      Seine Mutter war gerade dabei einige Einstellungsgespräche zu führen. Tobias machte ihr ein Zeichen, dass sie mal kurz zu ihm kommen sollte.

      Karin van de Ströhm täuschte einen Hustenanfall vor und ging kurz aus dem Zimmer.

      »Hab ich Dir nicht gesagt, dass Du Dein Zimmer aufzuräumen hast...«

      »Das hab ich schon getan, Mama. Und jetzt ist mir langweilig und da dachte ich, dass ich mir mal den Dachboden des Schlosses ansehe. Immerhin habe ich noch niemals in meinem Leben einen Schlossdachboden gesehen. Wer weiß, vielleicht finde ich da ja auch ein paar alte Kräuterbücher, die Dich interessieren. Aber, um dorthin zu kommen, brauche ich einen Schlüssel und den hätte ich gerne von Dir. Du hast doch nun hier die Schlüsselgewalt, wie? Du brauchst ihn mir auch nicht zu holen, ich hole ihn mir schon selbst. Sag mir einfach nur, wo er hängt.«

      »Er hängt im Schlüsselschränkchen in der großen Schlossküche. Aber, was Dein Zimmer angeht, wenn ich da nachher nachsehen gehe und es nicht aufgeräumt ist, dann bekommst Du eine Woche-Zimmerarrest, also überleg´ Dir gut, ob Du nun lieber auf den Dachboden oder in Dein Zimmer gehst. Und das nächste Mal, wenn Du siehst, dass ich Gespräche führe, dann wartest Du gefälligst bis ich damit fertig bin. Immerhin sind wir jetzt Schlossbesitzer und da kann ich von meinen Kindern auch erwarten, dass sie sich auch als solche benehmen. Und jetzt stör´ mich nicht weiter.« Mit quietschendem Absatz drehte sich Karin van de Ströhm auf dem frisch gebohnerten Parkettboden um und ging zurück zu der jungfräulichen Gouvernante, die sich um den Posten der Haushälterin bewarb. Allerdings war sich Tobias´ Mutter bereist jetzt schon sicher, dass sie diese Frau niemals einstellen wollte, denn die, so wie sie aussah, brächte es noch fertig, ihr ihr Bierchen im eigenen Schloss zu verbieten. Und so etwas, das wollte sich Karin mal so gar nicht vorschreiben lassen.

      Tobias sah seiner Mutter mit großen Augen nach. Danach konnte er nur noch hören, wie sie entschuldigend zu der gouvernantenhaften Frau sagte: »Entschuldigen Sie bitte, aber ein Fröschlein hatte sich in meinem Hals verirrt. Nun, wo waren wir stehen geblieben? Ah, ja. Sie wollten mir Ihre Zeugnisse zeigen. Bei wem, sagten Sie, waren Sie schon in Anstellung? Wie, bei Miss Marple? Oh, tatsächlich, ich dachte immer, dass die ihren Mister Stringer hatte. Da sehen Sie mal, wie man sich irren kann. Wie... Und auch noch bei Mister de Winter? Noch zu Lebzeiten von – Rebecca –?«

      Während