Tara Albers

Merlin


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zeigst mir, wann ich aufstehen muss um einen bequemen, warmen Kokon und den Raum, in dem ich mich wohnlich eingerichtet habe, zu verlassen, damit wirkliche Veränderung, Neuwerdung und Wachstum geschehen kann.

      Und jetzt beginnt die Geschichte von Merlin, einem einzigartigen und klugen Kater, der zu Recht einen großen Namen trägt. Er wartete in einer Box, dort, wo ein Mensch auf seinem Weg in eine, wie er dachte, ganz andere Richtung unterwegs war. War es Vorsehung, dass sich genau dieser Kater und dieser Mensch trafen?

      Dieses Buch ist mehr als nur eine einfache Geschichte.

      Wir können tiefe Wahrheiten und Geheimnisse durch das Zusammenleben mit Tieren, und besonders mit einem Kater wie Merlin, entdecken und verstehen – immer dann, wenn wir unserer inneren Wahrnehmung und dem Ruf unseres Herzens vertrauen.

      Merlin ist wunderschön. Er hat goldfarbenes, glänzendes, weiches Fell. Seine großen Augen blicken wissend und friedvoll in die Welt. Mit den Jahren ist aus ihm ein erwachsener und starker

      Kater geworden. Er lebt und erschafft sich sein Leben so, wie er es sich wünscht – jeden Tag aufs Neue...

      Er glaubt daran, dass es seine Bestimmung ist, glücklich zu sein und sein Glück mit anderen zu teilen. Merlin erfüllt die Absicht, die ihn ins Leben gerufen hat und lebt aus Freude am Sein. Die Farbe seines Fells und seiner Augen lässt uns dies gleich auf den ersten Blick erkennen.

      Doch Merlin wird nun selbst erzählen, wie alles begann und wie sich sein Leben entfaltet hat. Er spricht mich, die ich dies aufgeschrieben habe und auch dich, den Leser, die Leserin, dabei oft ganz direkt an. Einiges wird Sinn für dich machen, anderes lässt vielleicht Fragen offen, die erst beim nochmaligen Hinschauen eine Antwort finden werden.

      Jede Reise beginnt mit dem ersten kleinen Schritt, deshalb schlage nun eine neue Seite auf...

      Teil 2

      Merlin erzählt

      Wege kreuzen sich

      ICH BIN MERLIN, ein Kater, der es wirklich gut getroffen hat. Nach all den Schwierigkeiten, mit denen mein Leben begann, hätte es auch anders ausgehen können, wenn, ja, wenn ... Aber ich will der Reihe nach erzählen.

      Als ich noch ganz klein war, nahm meine Katzenmutter uns Katzenkinder mit auf einen Streifzug durch die Felder. Ich wollte an einer Ecke noch etwas länger spielen und lief deshalb nicht sofort beim ersten Rufen meiner Mutter zu ihr und meinen anderen Katzengeschwistern, um ihnen zu folgen. Nach einer Weile waren sie verschwunden und ich war ganz allein.

      Ich schrie fürchterlich laut nach ihnen, aber leider hat meine Mutter mich nicht mehr gehört. Ein Mensch jedoch, der dort in der Nähe vorbeiging, hörte mein klägliches Miauen, kam zu mir und schaute auf mich herunter. Dann kam noch ein Mensch dazu. Die beiden tuschelten miteinander. Einer von beiden streckte seinen Arm nach mir aus. Seine eiserne Hand packte mich im Nacken und hob mich hoch. So sehr ich auch fauchte und mich wehrte, der Mensch hielt mich ganz fest und steckte mich dann in eine Tasche oder etwas Ähnliches hinein. Nun ging es mit einem Auto bergauf und bergab.

      Ich fürchtete mich sehr. Ich fühlte, dass ich mich immer weiter von meiner Mutter entfernte.

      Schließlich hielt das Auto an und ich wurde in der Tasche in ein Haus getragen. Ich roch, dass hier viele Tiere sein mussten und wurde ganz aufgeregt. Vielleicht brachten sie mich ja doch zu meiner Mutter und meinen Katzengeschwistern? Die Menschen redeten eine Weile und dann wurde die Tasche einen schmalen Spalt breit geöffnet. Wieder packte mich eine starke Hand, hob mich heraus und schob mich in einen kleinen Käfig. Die Gittertür des Käfigs wurde schnell zugemacht. Heraus konnte ich nicht, aber ich konnte zwischen den Stäben hindurch sehen. Nach Umhersehen war mir aber nicht zumute. Vor lauter Aufregung musste ich mal und machte alles nass. Jemand öffnete vorsichtig die Gittertür, schob eine Schale herein mit etwas, das ähnlich war wie Sand. Aha, das war wohl die Stelle, wo ich reinmachen konnte, wenn ich mal musste. Ein kleiner Napf mit Wasser wurde mir ebenfalls hingestellt und ein zweiter mit etwas Essbarem.

      In dieser engen Box lebte ich nun tagein, tagaus, ohne dass ich auch nur ein einziges Mal heraus gehen durfte. Neben mir und um mich herum lebten noch andere Katzen in solchen kleinen Gefängnissen. Manche von ihnen miauten, weil sie zu ihrer Mutter oder in die Freiheit oder zu einem lieben Menschen wollten, der ihnen das Fell krault. Wir bekamen regelmäßig zu essen und auch die „Sandkisten“ wurden jeden Tag sauber gemacht, jedoch dies war nun wirklich kein Leben nach meinem Geschmack. Ich war gefangen. Ganz tief in mir ahnte ich jedoch, dass sich die Tür dieser Box einmal ganz weit öffnen und ich heraus gehen würde.

      Ich hatte nun sehr viel Zeit. Ich steckte in einer Situation fest, die ich nicht ändern konnte. Es machte keinen Sinn, mich aufzuregen, zu kämpfen oder auch nur zu versuchen, mich in dieser Enge bewegen zu wollen.

      Ich musste mich ruhig verhalten. Es war gerade so wenig Platz neben der Scharrkiste, dass ich mich hinlegen konnte. Das Einzige, was ich im Überfluss hatte, war Zeit. Ich lernte schon sehr früh eine wichtige Lektion: „Bedauere nicht das, was du nicht hast, sondern mache das Beste aus dem, was dir zur Verfügung steht.“

      Anstatt meine Zeit mit Miauen, Schreien, mich Beschweren, mit Ungeduldigsein oder mit Versuchen, aus der Box zu entkommen, zu verbringen, was reine Zeitverschwendung gewesen wäre, konnte ich sie genauso gut dafür nutzen, etwas zu tun, was mich meinem Ziel näher bringen würde, ein Leben in Freiheit und Erfüllung zu leben.

      Also beschäftigte ich mich mit dem, was Katzen oft tun, wenn sie ganz still daliegen: Mit Bildern. Bildern nennen wir Katzen das, was ihr Menschen Meditation oder konzentriertes Nachdenken oder Sich-mit-seinem-eigenen-Herzen-Verbinden nennt. Ich legte dazu beide Vorderpfoten nahe an mein Herz, um meinen Herzschlag zu fühlen. Dies ist die Haltung, in der wir Katzen uns am leichtesten in eine Stimmung hinein versetzen können, in der Bilder aus den tiefen Schichten unseres Seins aufsteigen und sich uns zeigen.

      Wenn ich auf diese Weise mit meinem Herzen verbunden war, wurde ich ganz ruhig. Ich sah meinen Weg vor mir liegen – einen Weg dorthin, wo ich das tun könnte, wofür ich auf der Welt war. Ahnungen und Träume wurden in mir lebendig und je tiefer ich mich auf sie konzentrierte, desto deutlicher wurden sie im Laufe der Zeit. Ich bilderte, träumte oder meditierte von einem idealen, lieben und geduldigen Menschen, einem Garten mit einem großen Katzenminzebusch, einem Feld mit Mäusen, einer Sandkuhle in frischer Luft unter einem schattigen Strauch, von leckerem Essen und von warmer Milch.

      In unseren Träumen liegt die Absicht und Kraft, sich zu verwirklichen, genauso wie im Apfelkern, der im Apfel schläft, die Kraft und der Plan steckt, ein großer, fruchtbarer Apfelbaum mit vielen saftigen Äpfeln zu werden. Wenn ein Apfel unreif gepflückt wird, sind die Apfelkerne noch weiß und nicht ausgereift. Wie im Apfelkern die Lebenskräfte Zeit brauchen, um sich zu sammeln, brauchen auch unsere Ahnungen und Träume Zeit zum Reifen, damit sich, wenn es soweit ist, etwas Starkes und Großartiges daraus entwickeln kann.

      Indem ich mich auf das Bildern konzentrierte, verband ich mich immer tiefer mit meinen Träumen. Unsere Träume zeigen uns den Weg zu den Sternen. Sie sind gleichzeitig Erinnerungen, die in unserer Seele liegen – Erinnerungen an Schönheit und Vollkommenheit und an Ereignisse, die noch durch uns geschehen wollen. Je deutlicher wir unsere Träume sehen und fühlen, desto genauer können sie, wenn ihre Zeit gekommen ist, im Leben zu unserer Wirklichkeit werden. Da ich nichts anderes zu tun hatte, vertiefte ich mich in meine Träume und gab ihnen auf diese Weise Kraft und Energie. Dadurch, dass ich meine Aufmerksamkeit auf sie gerichtet hielt, half ich ihnen dabei, dass sie sich schnell und genau verwirklichen konnten.

      Ich saß in einer engen Box, aber ich wusste, dass es der Sinn und die Aufgabe meines Lebens ist, in Freiheit zu leben und das Leben eines Menschen zu bereichern. Ich habe einmal gehört, wie ein Kind ein wunderbares Lied gesungen hat, vielleicht kennst du es:

      Die Gedanken sind frei.

      Wer kann sie erraten?

      Sie fliegen vorbei.

      wie nächtliche Schatten.

      Kein