Agatha Cross

Und tot bist Du!


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sich langsam. Wo sollte er nur mit den toten Körpern hin? Wie sollte das bloß weitergehen?

      Erst musste er etwas finden, worin er die Lynch und ihren Hund einwickeln konnte. Aber was dann? Dann fiel ihm der Keller ein. Ja, das würde gehen.

      „Das Blut. Oh Gott, soviel Blut! Ich spüle es einfach weg“, dachte er in aufkeimender Panik.

      In der Mitte der Küche befand sich ein Bodenabfluss. So hatten sie es früher auch in seiner Schlachterei getan.

      Er wankte durch den Flur in Richtung Hintertür zum Garten, um in die Garage zu gelangen. Auf seinem Weg dorthin kam er an Lindas Foto vorbei. Er sah es liebevoll an und streichelte sanft mit seinen riesigen Händen über das Bild seiner geliebten Frau.

      Doch plötzlich stieg ungeheurer Zorn in ihm hoch.

      „Du bist schuld! Du hast mich hier allein gelassen!“ schrie er und warf das Bild krachend an die Wand.

      Im selben Moment bereute er es auch schon. Er nahm das Bild vom Boden auf, das Glas war zersplittert. Er legte es auf die Kommode, Lindas Gesicht nach unten. Er wollte nicht, dass sie sah, was er getan hatte.

      Dann ging er in den Garten und von da aus in die Garage. Dort lag noch die große Plastikfolie, in der der schöne Teppich im Wohnzimmer geliefert wurde, den sie sich kurz vor Lindas Tod gekauft hatten. Sie hatte ihn sich so sehr gewünscht. Sie wollte das Zimmer gemütlicher einrichten. Im Winter sollte er die Bodenkälte abhalten.

      Drei Jahre was es jetzt her. Linda wurde plötzlich sehr krank. Krebs, keine Heilung möglich, so lautete das vernichtende Urteil der Ärzte. Eines Morgens fand er sie im Bad. Neben ihr lagen zwei Röhrchen Schlaftabletten.

      Irgendetwas ging damals in seinem Kopf kaputt. So hatte es sein Hausarzt, Dr. Edwards, ihm erklärt. Und oft diese Erinnerungslücken. Das geht vorbei, hatte der Doktor gesagt.

      Aber es ging nicht vorbei. Im Gegenteil. Es wurde immer schlimmer. Die Badewanne lief über und er konnte sich nicht daran erinnern, das Wasser angestellt zu haben. Zumal er ohnehin lieber duschte. Er wachte auf der Couch im Wohnzimmer auf. Aber er war sich sicher, sich in sein Bett gelegt zu haben.

      Er schüttelte heftig den Kopf, um die Gedanken abzuschütteln.

      „Charles, reiß´ Dich zusammen“, mahnte er sich selbst.

      Er ging in die Ecke des Gartens zur grossen Eisentonne, in der sie früher ihre Gartenabfälle verbrannt hatten und entfernte die hölzerne Abdeckung. Dann nahm er die blutige Kleidung, legte sie hinein, goss etwas Brennspiritus darüber und warf ein brennendes Streichholz darauf. Fast hätte ihm die Stichflamme das frische Hemd versengt. Er konnte gerade noch rechtzeitig zurückweichen. Gedankenverloren stocherte er in der Glut herum und wartet darauf, dass das Feuer alles vernichtete.

      Dann holte er die Folie, ging zurück ins Haus und breitete sie auf dem Wohnzimmerboden aus. Er ging durch den Flur an Lindas Foto vorbei in die Küche. Dort lag die Leiche der Frau, unter ihr der Hund.

      „Endlich sind sie ruhig“, dachte er und ein irres Grinsen lag auf seinem Gesicht.

      Ohne Skrupel fasste er die Tote unter den Armen, schleppte sie ins Wohnzimmer und legte sie unsanft auf die Folie. Dann holte er den Hund und warf ihn verächtlich auf den Bauch der Frau.

      Hämisch lächelnd sagte er: „Und tot bist Du!“

      Er wickelte die Körper sorgfältig ein und verklebte die Folie mit Klebeband. Dann verfrachtete er das Paket zur Kellertreppe und ließ es hinunterrutschen.

      „Ich komme gleich wieder und kümmere mich um euch beiden Hübschen!“ rief er fast gutgelaunt. Er grinste immer noch.

      „Ich muss nur noch eben sauber machen.“

      Er ging durch den Flur in die Küche. Dabei kam er an dem großen antiken Spiegel vorbei, den Linda so geliebt hatte.

      Er sah hinein und wich erschreckt vor seinem Spiegelbild zurück. Von dem einst so stattlichen Mann war nur noch ein alter, gebrochener Mann von 70 Jahren übriggeblieben, der kaum noch Haare und ein aufgedunsenes Gesicht hatte, was eine durch übermäßigen starken Alkoholkonsum ungesund rote Farbe aufwies. Ohne den Alkohol, den er häufig und oft in großen Mengen trank, war die Einsamkeit einfach nicht zu ertragen.

      Die einst so stolze aufrechte Haltung war seit Lindas Tod gewichen, und er ging nur noch gebeugt, als ob die Last der letzten Jahre ihn zu erdrücken drohte. Er starrte mit leeren Augen in den Spiegel. Irgendwann riss er sich los und ging in die Küche, um die Spuren der Tat zu beseitigen.

      Er ließ Wasser in einen großen Putzeimer laufen, nahm einen alten Aufnehmer und begann hastig die Schränke abzuwischen. Dann schüttete er immer wieder Wasser auf den Boden und schrubbte den Fußboden mit kräftigen Zügen sauber. „Fast wie früher in der Schlachterei“, sagte er sich. Mit einem Abzieher lenkte er die rote Brühe in den Ausguss. Es schien Ewigkeiten zu dauern, bis auch der letzte Rest verschwunden war.

      Zufrieden sah er sich um. Es sah alles wieder sauber aus. Als er in den Flur kam, sah er die blutige Schleifspur, die die Leiche hinterlassen hatte. Er fluchte laut. Er holte erneut Eimer und Aufnehmer und wischte alles weg. Niemand würde merken, was hier geschehen war. Dann ging er in Keller.

      Er zog das grausige Paket in die hinterste Ecke und deckte es mit alten Kartoffelsäcken zu. Man wusste ja nie. Lieber erst einmal dafür sorgen, dass nichts sichtbar war. Durch die kleinen vergitterten Kellerfenster konnte man nicht in den Keller sehen. Das beruhigte ihn sehr. Jetzt war alles gut.

      Dann stieg er die Kellertreppe wieder hinauf, schaltete das Licht aus, schloss die Kellertür, ging in die Küche und schüttete sich ein Glas Whiskey ein. Genüsslich trank er ihn in großen Schlucken. Ein Gefühl von Befreiung und Zufriedenheit durchströmte ihn. Nie wieder würde dieser Hund nerven. Und die Lynch auch nicht. Es hatte alles wieder seine Ordnung.

      „Siehst du Linda. War doch alles gut so. Jetzt herrscht endlich wieder Ruhe“, und prostete ihr zu, so als säße sie auf dem Stuhl ihm gegenüber. In dem Moment fiel das Bild im Flur von der Kommode herunter.

      Er erschrak sich fast zu Tode. Vorsichtig ging er dem Geräusch nach. Als er sah, dass das Bild seiner verstorbenen Frau auf dem Boden lag, wurde ihm heiß und kalt. Natürlich wäre sie nicht damit einverstanden gewesen, was er getan hatte. Er nahm das Bild auf und legte es wieder mit dem Gesicht nach unten auf die Kommode zurück. Scham trieb ihm die Röte ins Gesicht. Es war jetzt nicht mehr zu ändern.

      Plötzlich überkam ihn eine ungeheure Müdigkeit. Er wollte nur noch schlafen. Er schlurfte in sein Schlafzimmer und legte sich auf sein Bett. Wehmütig sah er nach rechts, wo seine Linda immer gelegen hatte. Zärtlich strich er über ihr Kopfkissen. Manchmal roch er sie noch. Tränen liefen über seine Wangen. Er war so allein, so einsam ohne sie.

      Der nächste Morgen graute, als der alte Mann erwachte. Das Bett neben ihm war leer, wie jeden Morgen. Ihn fröstelte. Er warf die Bettdecke zurück und zog seine Hausschuhe an. Lustlos schlurfte er in die Küche. Hunger hatte er wieder nicht.

      Er ging zum Küchenschrank und nahm sich eine Flasche Whiskey heraus. Gierig setzte er die Flasche an und trank. Bald fühlte er die Wärme. Mit der Flasche in der Hand ging er ins Wohnzimmer und schaltete den Fernseher ein.

      Auf seinem Lieblingssender BBC liefen nur die verschiedenen Regionalprogramme. Er konnte sich ohnehin nicht richtig darauf konzentrieren. Gedanken an den gestrigen Tag schlichen sich ein.

      Ein Film spulte sich in seinem inneren Auge ab. Die Tat selbst bereute er nicht. Im Gegenteil. Auch jetzt empfand er immer noch das Gefühl von Ruhe und Zufriedenheit, dass der Hund nicht mehr bellte und die Lynch nicht mehr keifen konnte.

      Nur die Fahrt vor ein paar Tagen ins Moor und die Rückfahrt gingen ihm immer wieder durch den Sinn. Es hatte derart gestürmt, dass ihm beinahe ein Ast auf sein Auto gefallen wäre. Das war wirklich knapp gewesen. Eigentlich fast schade, dass er nicht vor den Baum gefahren war. Dann hätte alles jetzt ein Ende. Und er wäre wieder bei seiner Linda.

      Die nächsten Tage spielten sich immer auf dieselbe Art und Weise ab. Er sah stundenlang