Agatha Cross

Und tot bist Du!


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sehr still im Haus, bis auf den Fernseher. Niemand besuchte ihn, niemand rief ihn an.

      Wer auch. Kinder hatten sie nicht. Die Nachbarn mieden ihn seit Lindas Tod. Auch die wenigen Freunde hatten sich abgewandt. Jeden Abend, wenn er sich schlafen legte, hoffte er, dass es kein Erwachen gab. Aus einem sich ihm nicht erschließen wollenden Grund musste er weiter sein einsames Leben führen. Also lebte er sein Leben.

      2.Kapitel „Der Jäger“

      Das Wetter war umgeschlagen. Der Herbst hielt mit aller Macht Einzug. Alles wirkte nur noch grau und ungemütlich. Der Wind blies kalt um die Häuserecken von Devonhall und die sonst so belebte kleine Fußgängerzone war fast menschenleer.

      DI Peter Ashton von der Polizeistation in Devonhall quälte sich durch den Stadtverkehr. Natürlich sprangen sämtliche Ampeln auf rot. Wie immer, wenn man es eilig hat. Der Parkplatz direkt vor dem Bahnhof war überfüllt. Er musste eine Weile warten, bis endlich eine Lücke frei wurde. Die Zeit brannte ihm langsam unter den Nägeln.

      DI Tom Barns stand unschlüssig auf dem Bahnsteig 2 des kleinen Bahnhofs. Eigentlich sollte jemand da sein, der ihn abholte. Sein neuer Kollege, hatte ihn gestern extra deswegen in London angerufen.

      Er prüfte sein Handy. Keim Empfang, auch das noch. Das fing ja gut an.

      „Hallo Mr. Barns. Ich bitte vielmals um Entschuldigung. Aber die Parkplatzsuche gestaltete sich als äußerst schwierig“, ertönte es plötzlich hinter ihm.

      Barns drehte sich um. Peter Ashton lächelte etwas unbeholfen und strich seine braunen Haare, die ihm der Wind ins Gesicht blies, zurück. Barns musterte den knapp vierzigjährigen Kollegen, der in einem sehr teuer aussehenden dunkelblauen Anzug mit dezenter Krawatte vor ihm stand kurz und brummte nur.

      „Ach Du lieber Himmel“, dachte Ashton. „Das fängt ja gut an.“

      Zumal er vorgewarnt wurde, das Barns sehr speziell sein sollte. Aus London von der Metropolitan Police strafversetzt, weil er letztes Jahr zu seinem fünfundfünfzigsten Geburtstag den Wagen seiner früheren Frau aus Wut über deren Unterhaltsvorstellungen in dem totschicken Friseursalon an der Kensington High Street in London geparkt hatte. Die Angelegenheit hatte damals viel Wirbel ausgelöst.

      „Folgen Sie mir bitte unauffällig“, versuchte Ashton den Fehlstart zu berichtigen.

      Aus dem Augenwinkel heraus betrachtete er seinen neuen Chef und Kollegen von der Seite. Ein nicht unattraktiver Mann für sein Alter. Wache Augen, dunkle Haare, die Schläfen bereits ergraut. Aber dieser Trenchcoat. Erinnerte ihn irgendwie an Columbo.

      Barns sah in wortlos an und zuckte nur mit den Schultern. Die beiden Männer gingen schweigend aus dem Bahnhof zum Auto, das auf dem Vorplatz ganz am Ende stand.

      Ashton öffnete die Tür eines Bentley Corniche, Baujahr 1972.

      „Ist das etwa unser Dienstwagen?“ fragte Barns mit finsterem Gesicht. Er konnte es nicht fassen, dass ein junger Beamter ein derart teures Auto fuhr.

      Ashton zog die linke Augenbraue hoch.

      „Das ist mein Privatwagen. Wie Sie sehen, Sir, ist der Wagen ein Oldtimer. Ich fahre grundsätzlich keinen Dienstwagen“, verkündete er stolz und näselte dabei vornehm.

      „Auch das noch“, dachte Barns und stieg ein. „Wer es sich leisten kann“, sagte er laut.

      Die Fahrt verlief ohne viele Worte. Ashton überlegte verzweifelt, worüber er mit seinem Vorgesetzten reden sollte. Barns sah aus dem Fenster.

      „Provinz“ dachte er, „nicht mein London.“ Innerlich seufzte er tief.

      „Wo wohnen Sie denn in Devonhall?“, versuchte Ashton das Gespräch zu beginnen.

      „St. Michael`s Inn“, kam es lakonisch zurück. ?

      „Nicht schlecht. Wird aber teuer mit der Zeit. Sie sollten so schnell wie möglich eine Wohnung suchen.“

      Barns antwortete nicht und starrte weiter aus dem Fenster.

      „Na dann eben nicht“, dachte Ashton. Er hatte es nur gut gemeint. Nach einer Weile bogen sie auf den Behördenparkplatz ein. Ashton parkte den Wagen.

      „Dort müssen wir hin.“

      Er deutete auf ein düster wirkendes Behördenbau. Die beiden Männer betraten das Gebäude und fuhren mit dem Aufzug in den zweiten Stock. Dort befanden sich die Räumlichkeiten der Abteilung für Kapitalverbrechen.

      Mit den Worten: „Ich darf vorgehen, Sir“, übernahm Ashton die Führung durch die Büroetage.

      „Ich melde uns schnell bei Ms. Ellis an. Das ist die Sekretärin von Chief Superintendent Reed.“

      Ashton klopfte an einer Tür.

      „Immer hereinspaziert“, klang es von drinnen fröhlich.

      „Mr. Barns wäre jetzt da“, Ashton grinste.

      Die kleine, zierliche blonde Frau lächelte ihn an.

      „Der Chief hat jetzt noch keine Zeit. Ich melde mich, wenn er frei ist.“

      „Sehr schön. Wir erwarten dann Ihren Anruf“, entgegnete Ashton höflich.

      Er ging eiligen Schrittes den Flur entlang bis er auf der rechten Seite eine Tür öffnete.

      „Hier befinden sich unsere Räumlichkeiten, Sir“, Ashton winkte einladend.

      Barns betrat das sehr kleine Büro. Zur Ausstattung gehörten lediglich zwei kleine aber moderne Schreibtische nebst PC und Telefonen. An der linken Wand standen Aktenschränke.

      „Ach du lieber Himmel“, dachte Barns.

      „Da hat man ja keine Luft zum Atmen“, sagte er laut.

      „Sparmaßnahmen. Größere Büros sind nun mal nicht möglich. Man gewöhnt sich daran.“

      Ashton lächelte etwas verlegen.

      „Sie sind aus London wohl was anderes gewohnt, Sir?“

      Statt einer Antwort ging Barns mit den Händen in den Hosentaschen zum Fenster, öffnete es, um frische Luft hineinzulassen. Sein Blick fiel auf den Behördenparkplatz, der mit Autos gut gefüllt war.

      Mit Wehmut dachte er an sein Londoner Büro. Von dort aus sah man auf die Themse und konnte die vorbeifahrenden Schiffe und Containerriesen beobachten.

      „Der Chief ist übrigens sehr nett. Sie werden angenehm überrascht sein, Sir“, sagte Ashton.

      Barns sah weiter aus dem Fenster ohne zu antworten. Seine Laune wurde immer schlechter.

      Es klopfte sanft an der Tür. Ms. Ellis streckte den Kopf zur Tür herein.

      „Der Chief wäre jetzt frei.“

      Barns und Ashton folgten ihr zum Büro des Leiters der Abteilung für Kapitalverbrachen. Barns hatte schon viel über ihn gehört. Streng aber gerecht. Seine Mitarbeiter mochten ihn.

      Die Sekretärin kündigte Barns bei ihrem Chef an.

      „Na, denn mal herein mit ihm“, ertönte eine tiefe sonore Stimme aus dem rustikal eingerichteten Büro.

      Barns betrat das Büro mit einem flauen Gefühl in der Magengegend. Ihm war es peinlich, dass der neue Chef natürlich wusste, warum er strafversetzt worden war.

      Barns sah einen Mittfünfziger mit brauner Strickjacke und Ellbogenflicken aus Leder hinter dem großen Schreibtisch sitzen.

      Die Brille auf der Nasenspitze und in der linken Hand eine Tasse mit heißem Tee.

      „Ihre Anreise war gut?“ fragte Michael Reed freundlich.

      „Ging so, Sir“, antwortete Barns. Mit den Worten: „Nehmen Sie doch Platz“, deutete der Chief auf eine kleine Sitzgruppe vor dem Fenster.

      Barns