Thomas Pfanner

Kampf um Katinka


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große glänzende Kiste, die mitten in der Notzentrale stand und auf deren Spitze eine rotierende Kamera zu besichtigen war. Watkins ahnte, was seinen Kommandeur interessierte und vergrößerte das Bild. Die Aufschrift auf der Kiste war nun lesbar. Anheuser fluchte wild, hatte sich aber sogleich im Griff.

      »Skipper?«, fragte er grimmig, schaltete das Display und die Verbindung auf den vertraulichen Modus.

      »Ich sehe es auch«, gab Tanner zurück, eine leichte Beunruhigung schwang in seiner Stimme mit. Gefestigter sprach er weiter.

      »Diese Idioten meinen es wirklich ernst. Ich erhalte gerade die Meldung, dass man ein Gespräch wünscht, und zwar auf der Stelle. Ich vermute, die wollen verhandeln. Und wenn das trotzdem in die Hose geht, dann sprengen sie den ganzen Laden in die Luft. Ich möchte nur zu gerne wissen, wo die das Zeug herhaben.«

      Das "Zeug“ befand sich in der Kiste und diese Kiste war offizielles Nachschubmaterial der Kaiserlichen Flotte. Es enthielt Lyso-Plasma, den Brennstoff, den die kegelförmigen Raketen zum Aufschweißen von Cardonium benutzten. Es war sehr heiß, expandierte ungeheuer rasch und gab daher auch eine ziemlich gute Bombe ab. Besonders an diesem Ort. Lyso-Plasma verhielt sich ohne Ausrichtung durch entsprechende Apparaturen wie ein Blitz, es bündelte sich zu einem Strahl, der wild umherzuckte. Dabei musste unweigerlich eine der Plasmaleitungen getroffen werden. Eine Kettenreaktion würde in Gang kommen, alles Plasma verbrennen, die Kupplungen verglühen, der Meiler wegen der verbrannten Steuerelektronik nicht zurückschalten, überhitzen und detonieren, dass Schiff komplett von innen ausbrennen. Anheuser knurrte angewidert: »Die wollen keinen Kampf gewinnen, die wollen berühmt werden.«

      Tanner nickte leicht, seufzte sachte und stellte die entscheidende Frage:

      »Hast du einen Plan?«

      Den hatte der riesenhafte Major in der Tat bereits im Verlaufe des Gesprächs entwickelt. Er schenkte seinem Captain ein böses Grinsen.

      »Die Kamera ist der Schwachpunkt. Ihre Anwesenheit bedeutet, dass in der Zentrale jemand sitzt, der ganz bewusst auf den Knopf drücken will und damit bis zum letzten Augenblick warten wird. Wir müssen beides gleichzeitig machen, Sturm der Zentrale und Sicherung der Bombe.«

      »Schön, und was ist mit der Prinzessin? Du kannst nicht einfach eine Granate reinwerfen, um alle zusammen zu erwischen. Die Prinzessin muss überleben, selbst wenn sich hinterher herausstellen sollte, dass es eine Hochstaplerin ist.«

      Anheuser nickte mehrmals rasch, die aufeinander gepressten Zähne ließen seine Kieferknochen noch mehr hervortreten. Selbst in den Wangen schienen die Muskeln trainiert zu sein. Was keiner ahnte, sie waren es tatsächlich.

      »Ich schon klar. Die Zentrale hat zwei Eingänge. Wir werden von beiden Seiten gleichzeitig reingehen und mit Schockgeschossen arbeiten müssen. Dabei kann die Prinzessin nicht getötet werden.«

      Der Skipper machte eine Grimasse irgendwo zwischen Ungläubigkeit und Zustimmung. Er kannte die Optionen, die Anzahl war sehr übersichtlich. Trotz der angespannten Lage belustigte ihn die diplomatische Ausdrucksweise des Füsiliers, dessen Antwort zwar den Tod der Prinzessin ausschloss, das hohe Risiko einer ernsthaften Verletzung jedoch unerwähnt ließ. Es gab kaum eine Alternative. Natürlich konnten seine Leute die Bombe unschädlich machen, indem sie Kamera und Zünder mit einer Neutrino-Granate zerstörten, doch damit gaben die den taktischen Vorteil aus der Hand. Solange die Gangster an Bord der Saskia all ihre Hoffnungen auf die Bombe richteten, waren die Chancen gut, die Prinzessin wohlbehalten aus den Händen ihrer Häscher zu befreien. Schlug man den Verteidigern des Schiffes die Bombe aus der Hand, würden sie sich auf ihre Geißel besinnen.

      »Gut, macht es so. Ich beschäftige mich ein wenig mit dem Anführer und lege das Bild auf dein Display.«

      »Roger.« Anheuser wechselte auf den allgemeinen Kanal und gab seine Anweisungen.

      *

      Der Sonnenuntergang verlief wie immer, also absolut überwältigend. Die riesige Sonnenscheibe prangte in metallischem Kupferrot über dem endlosen Meer, dessen tiefes Türkis sich in zahllose rasch wechselnde Farbspiele auflöste, als die Sonne ihren unteren Rand in den Horizont tauchte. Den Vorgang zeichnete eine frappante Ähnlichkeit mit den Kaleidoskopen aus, die man den Kindern von Katinka zum Spielen schenkte. Solche Sonnenuntergänge waren es, die den Reichtum des Planeten begründeten. Anerkanntermaßen galt Katinka als schönste7 aller Welten. Niemals wieder konnte der Mensch einen Planeten betreten, der wie dieser Schönheit und Harmlosigkeit in sich vereinte. Die Evolution hatte auf diesem Planeten bei der Entwicklung der Natur einen partiellen Gedächtnisverlust erlitten. Es gab keine Raubtiere, weder zu Wasser noch zu Land. Alles, was in der Biosphäre kreuchte und fleuchte, ernährte sich von Sonnenlicht oder von Pflanzen. Das Wasser beherbergte neunundneunzig Prozent der gesamten Biomasse, was nicht weiter verwunderlich schien angesichts des verschwindend geringen Anteils, den das Land im Verhältnis zum Meer einnahm. Direkt am Äquator existierte der einzige Kontinent, ein zerfaserter Fleck von zweitausend Kilometer Länge und vierhundert Kilometern Breite, unendlich viel Strand mit relativ wenig Fläche in der Tiefe. Entlang des Äquators verteilte sich dann noch wie an einer Schnur aufgereiht eine Anzahl ständig kleiner werdender Inseln. Die Adligen von Horave kolportierten auf ihren Orgien eine Version der Entstehungsgeschichte, wonach ein Riese den Hauptkontinent aus dem Himmel heraus erbrochen und beim weglaufen noch ein paar Spritzer verloren hatte.

      Erbherzog Stanislaus spuckte angewidert aus. Horave! Was sollte man auch von diesen Banausen erwarten? Die glaubten auch an ein ominöses Monsterraumschiff, das ihnen die Rotsteinberge vor die Tür geworfen haben sollte. Ungebildete Hornochsen waren sie alle zusammen. Unglücklicherweise besaßen sie aber die Macht. Und gerade deswegen verzog sich das an sich sehr freundliche und feinnervige Gesicht des Erbherzogs bereits seit Stunden zu einer übellaunigen Maske. Der Vizekönig hatte ihn zur Audienz gebeten. Da der Vizekönig ein genusssüchtiger Mensch war, dem die Bevölkerung Katinkas inklusive des Landadels herzlich gleichgültig blieb, stellten Audienzen eine absolute Ausnahme dar. Dies konnte entweder bedeuten, dass den Vizekönig eine zeitweilige Impotenz plagte, oder aber es drohte handfestes Ungemach. Und da Erbherzog Stanislaus regelmäßig recht gute Basisinformationen über Kondition und Gesundheit des Vizekönigs erhielt, vermochte er sich plastisch vorzustellen, dass der anstehende Termin keine wirklich erfreuliche Veranstaltung zu werden versprach.

      Er stand am Rande des kleinen Flugfeldes, dort, wo der Belag aus hitzefestem Plast direkt in den ultrafeinkörnigen Sand des Strandes überging und erwartete seinen Aufruf. Er mochte sich gar nicht umdrehen, stand doch hinter ihm das Symbol der Fremdherrschaft. Ein Palast von epischen Ausmaßen, mehr breit als hoch, um sich deutlich über den drängenden Mangel an Siedlungsraum auf einer Wasserwelt lustig zu machen. Links ein kleiner, überaus hässlicher Wohnturm, in dem die Service-Abteilung des Vizekönigs mehr hauste als wohnte. Obszöner Protz, gleich daneben Elend im Reihenbau, überall wimmelte es zudem von Sicherheitsleuten und Kaiserlichen Dragonern, der gefürchteten Leibwache des Stellvertreters der Kaiserin auf Katinka. Zum nicht geringen Glück für die Bevölkerung hatte die Kaiserin für ihre Zwingburg eine Insel requiriert, was dem Kontinent einiges an Unannehmlichkeiten erspart hatte und noch immer ersparte.

      »Seine Eminenz, der Vizekönig, lässt bitten.«

      Der Großherzog unterdrückte einen Fluch. Der Horaveische Adel hielt sich in seiner unendlichen Selbstherrlichkeit selbst den Göttern überlegen, man beliebte selbst auf den Adel, der auf den Kolonien beheimatet war, herabzublicken, möglichst oft zu demütigen und grundsätzlich als minderwertig zu betrachten. Derlei Einstellungen färbten stets auf nachrangiges Personal ab. Selbst dieser nichtswürdige Lakai, der zu nichts anderem taugte, als den ganzen Tag Botschaften seines Herrn wortgetreu und ohne Einschaltung seines eigenen Gehirns weiterzugeben, befleißigte sich eines mehr als herablassenden Tones, dem er zu allem Überfluss mit einer näselnden Sprechweise zusätzliche Verachtung verlieh. Ihm blieb als Strafmaßnahme nichts weiter, als dem Kerl eine Antwort zu verweigern. Stumm und mit abweisendem, kalten Blick folgte er dem Lakaien in den Palast. Auch wenn er sich abwesend und in sich gekehrt gab, so entging ihm doch kein einziges Detail. Für den möglicherweise daraus entstehenden Nutzen nahm er alles Wichtige wahr und verankerte es in seinem Gedächtnis, von der Zahl, Bewaffnung und Positionierung der