Katrin Fölck

Zahltag


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sie zu mir sagt, verstehe ich nicht.

      Mit dem Gedanken, dass ich gerettet bin, falle ich zurück ins Dunkel.

      6

      Eine Fackel und eine Öllampe spenden das einzige Licht. Viel erkenne ich nicht, nur dass ich mich in einer Art Höhle befinde.

      Ich liege auf dem steinigen Boden, auf einem Fell. Da sind noch weitere Menschen. Soweit ich sehen kann, sind es sieben an der Zahl, alle in lange Gewänder gehüllt. Ihrem Äußeren nach sind es Araber. Alles Männer. Sie rauchen Wasserpfeife.

      Das Mädchen sitzt am Feuer. Es knetet etwas mit den Händen und formt daraus mehrere gleich große Teile. Dann holt sie mit einem Stock etwas der Glut aus dem Feuer und verteilt sie auf dem Höhlenboden. Sie legt die Teile hinein und bedeckt sie mit Glut. Kurze Zeit später befreit sie diese mit Hilfe des Stockes wieder von der Asche. Jetzt erst sehe ich, dass es Fladenbrote sind, die sie da bäckt.

      Sie legt Holz nach und wartet, bis das Feuer auflodert. Dann hängt sie einen Kessel mit Wasser in eine Vorrichtung und wartet, bis es kocht. Einen Teil davon gießt sie in einen Topf. Kurze Zeit später durchdringt der Geruch von Pfefferminz die Höhle. Sie seiht den Inhalt nach einigen Minuten in eine Kanne ab, den anderen Teil des Wassers belässt sie im Kessel und schüttet etwas aus einem der an der Höhlenwand stehenden kleinen Säcke dazu.

      Sie stellt Schälchen, einen Teller mit Käse, eine Schüssel mit Quark und frischen Feigen, einen Krug mit Milch und ihre frisch gebackenen Fladenbrote auf ein auf dem Boden ausgebreitetes Tuch, stellt die Kanne mit dem Tee dazu und holt den Kessel vom Feuer. Der Geruch von Essen erfüllt die Höhle, und ich verspüre zum ersten Mal Hunger. Doch ich muss warten, bis alle anderen gegessen haben.

      Ich höre die Gespräche der Männer, von denen ich nichts verstehe, und weiß jetzt, dass die Laute, die ich nachts gehört habe, die ihrer Kamele waren.

      Nachdem sie ihr Schlaflager bereitet haben, wendet sich das Mädchen mir zu. Sie hilft mir, mich aufzurichten, und führt dann mit einem Holzlöffel etwas vom Inhalt des für mich gefüllten Schälchens in meinen Mund. Es ist Hirsebrei.

      Als der Brei alle ist, nimmt sie eines der Fladenbrote und bricht es auseinander. Sie tunkt den Fladen in die große Schüssel und reicht ihn mir. Es schmeckt nach Quark. Überraschenderweise schmeckt es besser als ich mir vorgestellt habe. Dazu gibt es Pfefferminztee mit viel Zucker und Milch und dem besonderen Zusatz, dessen Aroma meine Geschmacksnerven

      herausfordert und an das ich mich wohl nie gewöhnen kann.

      „Willst du mehr?“, fragt sie leise, erst auf

      französisch und dann, als ich nicht reagiere, auf englisch.

      Ich bin, ihrer Sprachkenntnisse wegen, überrascht.

      Sie merkt es.

      „Denkst du wir sind ungebildet, nur weil wir hier in der Wüste leben?“

      Ich schüttele den Kopf, mein Blick sagt aber etwas anderes aus.

      „Du hast großes Glück, dass du noch lebst…“

      „Ja.“, sage ich. „Und dass ihr mich gefunden habt.“

      „Das war Zufall, dass die Karawane gerade diese Strecke genommen hat.“

      „Wie lange bin ich schon bei euch?“.

      „Seit drei Tagen.“

      „Drei Tage?“

      Sie nickt.

      „Hast du Schmerzen?“, fragt sie.

      „Wenn ich ruhig liege, nicht.“

      „Dann schlaf jetzt. Die Gruppe will morgen ganz früh weiter. Die Männer haben viel an Zeit verloren. Aber sie konnten dich ja nicht in der Wüste zurücklassen…“

      „Warte, wie heißt du?“, frage ich.

      „Khadija.“

      7

      Die Abreise unserer Karawane verzögert sich.

      Die Kamele müssen erst mit sämtlichen Utensilien und Besitztümern bepackt werden, bevor sich die Gruppe zum letzten Teilstück ihrer Reise aufmacht.

      Als letztes wird das Kamel, das mich transportieren soll, mit Fellen ausgepolstert, bevor mich zwei der Männer aus der Höhle holen und dann mit Hilfe der Anderen zwischen den Höckern des Kamels in Position bringen. Jedoch nicht, ohne mich noch festzubinden, damit ich nicht herunterstürze.

      Khadija kommt mit einem Becher in der Hand zu mir. „Hier, trink das.“, sagt sie, während sie mir das Gefäß reicht.

      „Was ist das?“, frage ich.

      „Tee mit kif. Du kennst es schon. Du würdest die Schmerzen sonst nicht aushalten…“

      Ich führe den Becher an die Lippen. Ich rieche Pfefferminze und sehe, wie sich die Milch mit dem Tee vermengt. Im ersten Moment schmeckt noch die Süße des Zuckers vor. Der Rest, der folgt, ist einfach nur widerwärtig. Auch, wenn ich den Geschmack nicht mag, die Wirkung ist überragend.

      Unter schwankenden Bewegungen werde ich sanft in`s Land der Träume geschaukelt.

      -----

      „Sch.“, höre ich die Stimme Khadijas, als ich wieder zu mir komme. Sie steht neben meinem Kamel und hält ihres und meins am Zaumzeug fest.

      „Alles gut?“, fragt sie.

      Ich bin verwirrt, weil ich gar nichts davon mitbekommen habe, wie lange wir bereits unterwegs sind und wo wir uns mittlerweile befinden.

      Ich sehe, dass die Sonne kurz überm Horizont steht.

      Geht sie unter? Oder geht sie gerade wieder auf?

      Das Sitzen erschöpft mich.

      Aus einiger Entfernung kommt eine Staubwolke auf uns zu. Es ist eine Gruppe von fünf Reitern.

      „Sei still und sag keinen Ton, hörst du? Keinen! Egal, was passiert!“, sagt Khadija, bevor sie mir ein weiteres Tuch um den Kopf wickelt, so dass ich jetzt aussehen muss wie eine Mumie.

      „Tuareg.“

      Ich weiß nicht, was das bedeutet, aber in ihrer Stimme schwingt etwas mit, das ich als Angst deute.

      Die Kamele werden zusehends unruhiger und geben Geräusche ähnlich einem Schnauben oder Wiehern ab.

      Das Hufgetrappel kommt schnell näher und mit ihm die schwarzen Reiter, deren Gewänder sich farblich von Nahem als dunkelblau heraus stellt. Sie preschen Sand aufwirbelnd heran und umkreisen unsere Karawane, die damit zum Stehenbleiben gezwungen wird.

      Eine der Gestalten, wahrscheinlich der Anführer der Gruppe, schreit etwas. Einer unserer Karawane antwortet ihm. So geht das einige Male hin und her. Bis einer der Tuareg sich meinem Kamel nähert, das immer noch von Khadija am Zaumzeug festgehalten wird. Er zerrt an den Fellen, um nachzusehen, ob sich noch etwas anderes darunter befindet.

      Khadija zischt etwas in Richtung des vorwitzigen Fremden und reißt beherzt am Zaumzeug meines Kamels, das sich daraufhin sofort in Bewegung setzt.

      Der Fremde lacht und ruft den anderen Reitern etwas zu, woraufhin sie ebenfalls in Gelächter ausbrechen, und dann, in entgegen gesetzter Richtung, abziehen.

      „Sie sind weg, Allah sei Dank!“, sagt Khadija.

      „Das war knapp.“

      „Was wollten die denn?“, frage ich. „Handeln?“

      „So ähnlich…“, sagt sie. „Wenn sie dich entdeckt hätten, hätten sie dich mitgenommen und Lösegeld für dich gefordert… Sie haben deinen Mietwagen gefunden… Hier in der Wüste gibt es einige schlimme Banden. Sie verbreiten nicht nur Angst und Schrecken, sie plündern auch oder Schlimmeres.“

      „Das wusste ich nicht.“