Ole R. Börgdahl

Fälschung


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Umgebung gemalt hat. Die Fotografie stammt aus dem Jahr 1904 und sie stammt sogar von der Insel Hiva Oa.«

      »Hiva Oa?«, wiederholte Heinz Kühler. »Es ist schon erstaunlich, dass Sie vor kurzem von jemandem Besuch hatten, der ganz in der Nähe lebt. Die Welt ist doch klein.«

      »Ganz richtig und jetzt passt doch alles sehr gut zusammen. Ihre Recherche in London ist natürlich auf keinen Fall umsonst gewesen und das wissen Sie auch. Jetzt haben wir ausgeschlossen, dass das Bild jemals öffentlich gezeigt wurde oder sonst wie publik geworden ist und das passt wiederum sehr gut zu der Geschichte.«

      »Zu welcher Geschichte?«, fragte Heinz Kühler überrascht. »Haben Sie noch weitere Informationen?«

      Simon schüttelte den Kopf. »So habe ich das nicht gemeint. Ich habe meine eigenen Rückschlüsse gezogen. Wenn ein solches Meisterwerk weder bei Tate noch in den Historic Catalogues der National Art Library zu finden ist, muss es die ganze Zeit in Privatbesitz gewesen sein, und zwar nicht bei einem Sammler, sondern ganz und gar privat.«

      »Aber Sie glauben doch nicht an die Geschichte vom Dachboden oder vom Kellergewölbe«, unterbrach ihn Heinz Kühler. »Und Sie glauben doch auch nicht daran, dass der Gauguin dort unentdeckt geblieben ist, all die Jahrzehnte, bis Herr Linz ihn schließlich gekauft hat.«

      »Natürlich habe ich meine Theorie«, erklärte Simon, »und nachdem wir in den herkömmlichen Quellen nicht fündig geworden sind, sollten wir vielleicht dieser Theorie folgen.«

      Heinz Kühler nickte. »Dann lassen Sie mal hören.«

      »Also«, begann Simon, »ich denke, es gab nicht allzu viele Franzosen auf den Marquesas, Kolonialbeamte und eben auch die Angehörigen des Militärs, zu denen ja auch der Fotograf, dieser Victor Jasoline gehörte. Sicherlich hatten auch viele der Beamten und Offiziere ihre Familien dabei. Die Kleine gehörte mit Bestimmtheit in eine dieser Familien. Das Gemälde und die Fotografie sind ja etwa zur gleichen Zeit entstanden, Gauguin hat mit 1902 signiert und das Foto stammt von 1904, da liegt nicht viel dazwischen. Dieser Victor Jasoline hat vielleicht sogar von dem Ölgemälde gewusst und er hat bestimmt gewusst, wer das kleine Mädchen mit dem Sonnenhut ist. Wir müssen herausfinden, wer die Kleine war und wir müssen dafür nach diesem Fotografen suchen.«

      Simon ging zum Besprechungstisch und blendete an dem linken Laptop wieder die Benutzeroberfläche ein. Er öffnete aus dem angezeigten Ordner eine weitere Bilddatei.

      »Hier ist das andere Foto, das uns Madame Uzar geschickt hat«, kommentierte er die Einblendung auf der Leinwand.

      »Jetzt habe ich sie sofort entdeckt, aber sie ist ja auch wieder mit einem Kreis markiert.« Heinz Kühler ging an die Leinwand und tippte auf eines der Kinder, die vor dem Laden standen. »Diesmal trägt sie aber keinen Hut. Sie hat tatsächlich langes Haar, auf dem Gemälde ist das nur angedeutet und sie ist recht groß im Vergleich zu den anderen Kindern. Wie alt mag sie wohl damals gewesen sein?«

      Simon zuckte mit den Schultern. Er ging zu seiner Mappe, die auf dem Besprechungstisch lag, und zog ein Blatt Papier heraus. Er gab es Heinz Kühler.

      »Hier ist der Kurzlebenslauf von Victor Jasoline«, erklärte er. »Leider endet der Bericht bereits im Jahr 1906 und es klingt nicht so, als wenn unser Fotograf in diesem Jahr gestorben sei.«

      Heinz Kühler überflog den Text. »Hier steht nur, dass er aus dem Staatsdienst ausgeschieden ist«, sagte er schließlich.

      »Gut wir haben jetzt zwei Namen«, sagte Simon, »Victor Jasoline und Julie, wobei der Name des kleinen Mädchens nicht ihr richtiger sein muss. Ich bezweifle nämlich, dass sie wirklich Julie hieß. Es ist ja bekannt, dass Gauguin ein und dieselbe Person auf unterschiedlichen Werken in verschieden Rollen gemalt hat. Nehmen wir das Bild von der schönen Angelie.«

      Heinz Kühler nickte. Er kannte das Gemälde.

      »Es gibt davon einige Variationen«, fuhr Simon fort. »Auf einigen anderen Werken Gauguins ist eigentlich immer diese Angelie dargestellt, ich meine ihr Gesicht, sie hat dabei aber jedes Mal einen anderen Namen oder war namenlos. Vielleicht hat Gauguin es in unserem Fall anders herumgemacht und er hat dem kleinen Mädchen nur den Namen eines seiner früheren Modelle gegeben. Sie verstehen.«

      Heinz Kühler schüttelte den Kopf. »Sie meinen also, dass Gauguin den Namen Julie von einem seiner früheren Modelle verwendet hat. Ich habe natürlich in Gauguins Werk nach einer Julie gesucht, aber nichts auch nur Annäherndes gefunden. Ich kann es zwar nicht zu hundert Prozent ausschließen, aber es scheint sehr sicher zu sein.«

      »Es wäre natürlich gut, wenn wir da schon Sicherheit hätten«, sagte Simon. »Es gibt aber immer noch einiges zu tun. Wir haben jetzt lediglich einen guten, nein ich würde sogar sagen, einen sehr guten Ansatzpunkt.«

      »Da fällt mir ein, haben Sie schon mit Herrn Linz gesprochen?«, fragte Heinz Kühler. »Vielleicht hieß der Mann, von dem er den Gauguin gekauft hat, ja sogar auch Jasoline und war ein Nachfahre unseres Fotografen.«

      Simon überlegte. »Dieser Linz behauptet ja, den Verkäufer nicht zu kennen, keinen Namen, es war ein anonymes Geschäft. Wir können ihn natürlich noch einmal fragen, ihm den Namen nennen, vielleicht erinnert er sich dann ja an etwas. Bevor ich mit Herrn Linz spreche, möchte ich aber mit Ihnen zusammen überlegen, wie wir jetzt vorgehen. Ich denke eine Recherche in Ausstellungskatalogen oder Museumsdokumenten wird hier nicht zum Erfolg führen. Außerdem haben Sie ja bereits alles durch. Bessere Quellen, als die, unter denen Sie recherchiert haben, gibt es leider nicht. Wie gesagt, ich möchte die Spur Jasoline weiterverfolgen. Ich bin davon überzeugt, dass uns die Nachfahren von Victor Jasoline etwas über das Ölgemälde erzählen können.«

      »Gut, aber vielmehr als den Namen Jasoline haben wir für die Recherche nicht«, sagte Heinz Kühler nachdenklich.

      »Wir haben schon ein wenig mehr als nur den Namen«, meinte Simon. »Wir wissen, was er von Beruf war. Ich denke sein Beruf als Offizier, als Angehöriger des französischen Militärs, ist sogar der Schlüssel zu unseren Nachforschungen. Es gibt bestimmt noch Unterlagen bei den Behörden, Unterlagen über ehemalige Offiziere oder so etwas Ähnliches. Ich denke wir haben große Chancen etwas herauszubekommen. Dieser Victor Jasoline hat das Foto von der Kleinen gemacht und Gauguin hat sie gemalt und das alles etwa zur selben Zeit, nämlich so um 1902 oder 1903. Im Jahre 1904 war Gauguin ja leider schon tot. Ich denke über diesen Victor Jasoline werden wir herausfinden, wer diese Julie wirklich war.«

      Heinz Kühler ging noch einmal näher an die Leinwand heran und betrachtete sich die Fotografie, auf der das kleine Mädchen neben den anderen Kindern stand. Er besah sich die Körbe, die vor der Gruppe aufgebaut waren, und versuchte auch das Firmenschild zu entziffern, das durch den Bildrand des Fotos abgeschnitten war.

      Heinz Kühler überlegte. »Gibt es Informationen über diesen Laden hier? Vielleicht hat die Kleine etwas mit den Geschäftsinhabern zu tun?«

      »Mag sein«, erklärte Simon, »aber es wird wohl schwer sein, etwas herauszufinden, leider lässt sich nicht erkennen, wie das Geschäft richtig heißt. Übersetzt steht dort nur das Wort Handel. Es ist allerdings möglich, dass die Freundin meiner Frau mehr dazu sagen kann. Wir werden noch einmal Kontakt mit ihr aufnehmen. Sie weiß selbst auch noch gar nicht, was sie da entdeckt hat. Das Ganze war wie gesagt ein Zufall.«

      »Die großen Dinge im Zeitgeschehen werden immer durch Zufälle ausgelöst«, kommentierte Heinz Kühler.

      Simon sah ihn an. »Jetzt beginnen Sie aber nicht, auch noch in Reimen zu sprechen«, sagte er kopfschüttelnd.

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