Nelia Gapke

Eva Sofie


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Schule angetroffen. Ich nehme an, Sofie ist mit dem Bus nach Hause gefahren und ist vielleicht bei irgendeiner Freundin oder so.“

      „Ja, du hast Recht. Sie ist vielleicht einfach noch unterwegs und vermutlich ist bei ihrem Handy der Akku leer gegangen“, sie schwieg einen Moment, „Wirst du denn morgen vorbei kommen können? Morgen bist du doch nur bis Mittag im Büro?“

      „Nein, wahrscheinlich nicht. Mein Auto ist kaputt und ich wollte es morgen zu Arno in die Werkstatt bringen. Außerdem habe ich morgen Abend noch ein Geschäftsessen mit einem wichtigen Kunden.“

      „Wirklich schade. Ich werde dich vermissen. Sieh bitte zu, dass du dir den Sonntag für uns frei hältst, ja?“

      „Ich versuche es, mein Schatz. Ich liebe dich.“

      „Ich liebe dich auch. Bis Sonntag!“

      Laura legte auf und wählte abermals Sofies Nummer, doch wieder erfolglos. Es sah Sofie gar nicht ähnlich, dass sie von zu Hause wegblieb, ohne Laura Bescheid zu sagen, wo sie war. Aber wenn ihr Akku leer war, konnte sie ja gar nicht anrufen.

      *

      Christian hörte sein Handy läuten und sein Herz setzte für einen Moment aus. Hatten sie Sofies Leiche schon gefunden? Hatte jemand doch sein Auto gesehen und das Kennzeichen aufgeschrieben? Tausend Gedanken gingen ihm durch den Kopf, bevor er sein Handy in die Hand nahm. Er blickte auf Lauras Nummer und atmete einmal tief durch, bevor er ranging.

      „Hallo, Laura. Ist etwas passiert?“

      „Christian, es tut mir leid, dass ich dich geweckt habe, aber Sofie ist immer noch nicht aufgetaucht und ihr Handy ist entweder aus oder ihr Akku ist wirklich leer. Es ist bereits ein Uhr nachts! Sie ist noch nie so lange weggeblieben, ohne mir Bescheid zu sagen. Ich weiß nicht was ich machen soll?!“

      „Mein Gott, Laura. Sie ist achtzehn und lange kein Kind mehr. Vielleicht feiert sie mit ihren Freunden den Schulabschluss und ihr Handy hat keinen Empfang oder wie auch immer. Geh jetzt ins Bett und versuche zu schlafen. Du musst ja schließlich morgen noch arbeiten. Sofie wird schon irgendwann wieder auftauchen.“

      „Ach, wenn du wenigstens hier bei mir gewesen wärst“, sie machte eine Pause, „Ich mache mir Sorgen um Sofie, aber wahrscheinlich hast du Recht und es geht ihr gut. Ich versuche jetzt wirklich zu schlafen. Entschuldige noch mal, dass ich dich geweckt habe.“

      „Kein Problem. Geh jetzt einfach schlafen und ich lege mich auch wieder hin.“

      Christian legte auf und strich sich mit der Hand langsam übers Gesicht. Er hätte beim Mittagessen doch nicht so viel Alkohol trinken sollen und sich nur mit Laura begnügen, anstatt Sofie zu begrapschen. Dann hätte er jetzt auch nicht bei jedem Anruf und jedem Geräusch an der Eingangstür zusammenzucken müssen. Er schüttelte energisch den Kopf. Es war nichts mehr zu ändern, es war geschehen und Sofie hatte selber Schuld daran. Sie hätte ihn nicht beißen sollen, dieses Biest. Er sah sich die Wunde am Unterarm an. Eine gute Ausrede dafür musste er sich noch für Laura ausdenken.

      Er ging zur Bar und goss sich noch einen Cognac ein. Er sollte aufhören sich unnötig Sorgen zu machen und versuchen tatsächlich zu schlafen. Wenn Sofies Leiche gefunden werden sollte, würde keiner wissen, wer sie war. Er hatte schließlich dafür gesorgt, dass ihr Handy und ihre Papiere nicht bei ihr waren. Nur wenn jemand seinen Wagen gesehen und das Kennzeichen aufgeschrieben hatte, dann wäre er dran. In diesem Fall hätte er aber schon etwas von der Polizei hören müssen, oder? Nun, vielleicht hatte er doch Glück gehabt und würde ungeschoren davonkommen. Sofie war tot. Ihr war jetzt alles egal, aber er lebte und er wollte auf keinen Fall in den Knast!

      Kapitel 3

      Andres setzte sich an den Bettrand, zog die Schublade des Nachtischschränkchens auf, in dem seine Socken lagen und zog ein Paar heraus. Silvie umarmte ihn von hinten und strich zärtlich mit den Handflächen über seinen nackten Bauch und seine Brust.

      „Bleib doch noch ein bisschen im Bett, Liebling. Draußen ist es doch so ungemütlich“, bettelte sie und schmiegte ihre Wange an seinen Rücken.

      „Für dich ist es ungemütlich, aber für Neli ist es perfekt. Sie mag es durch den Matsch zu laufen.“

      Silvie verzog das Gesicht.

      „Dann macht sie den ganzen Boden wieder schmutzig und ihr Fell stinkt so widerlich, wenn es nass ist.“

      Andres lachte.

      „So etwas muss man in Kauf nehmen, wenn man sich einen Hund anschafft.“

      „Manchmal glaube ich, dass du deine Hündin mehr liebst, als mich“, beschwerte sie sich schmollend und war gezwungen ihn loszulassen, da er sich vom Bett erhob.

      „Wieso? Du könntest doch mitkommen. Ein schöner Spaziergang an der frischen Luft vor dem Frühstück, ist eine feine Sache.“

      Er schlüpfte in seine Jeans und ging dann zum Schrank. Zog einen warmen Pullover heraus und streifte sich diesen über. Silvie streckte sich und gähnte.

      „Nein, danke. Gestern wäre ich vielleicht mitgekommen, da war es warm und es schien die Sonne. Heute nieselt es, ist dunkel und kalt.“

      Andres zuckte mit den Achseln.

      „Wie du willst. Bin spätestens in einer Stunde wieder da, dann können wir frühstücken.“

      Er ging aus dem Schlafzimmer, die Treppe herunter und goss sich in der Küche ein Glas kalte Milch ein. In einem Zug trank er es aus und wischte sich den Milchbart mit dem Handrücken ab.

      „Neli! wo bleibst du, altes Mädchen?“

      Die Collie Hündin kam, über den Holzboden schlitternd, aus dem Flur eilig angelaufen. Er ging in die Hocke und kraulte ihren Hals und hinter ihren Ohren.

      „Uns beide stört das miese Wetter nicht, nicht wahr?“, meinte er leise zu ihr und versetzte der Hündin einen leichten Klaps auf das Hinterteil. „Los, wir gehen heute zum Waldsee.“

      Die Hündin lief zur Eingangstür und er folgte ihr. In der Diele streifte er sich die Regenjacke über, zog seine Wanderstiefel an und legte das Handy und die Hausschlüssel in die Jackentasche.

      Draußen war es wirklich frisch, man konnte sogar den Dampf vom eigenen Atem sehen. Der feine nebelartige Nieselregen überzog die Landschaft mit einem glänzenden Film. Es war weit und breit noch keine Menschenseele zu sehen. Wer wollte auch bei diesem Wetter, an einem Samstag so früh aus dem Bett, außer er musste zur Arbeit oder besaß einen Hund, der reichlich Auslauf brauchte.

      Sie liefen eine Weile neben der kaum befahrenen Straße her und bogen dann nach rechts in einen Waldweg ab, der zum Waldsee führte. Neli jagte einer Bachstelze nach, die hochflog, als sie näher kamen. Der Vogel gewann jedoch immer mehr an Höhe und die Hündin gab ihr Unterfangen alsbald wieder auf.

      „Na los, Neli, tob dich ein bisschen aus!“, rief Andres.

      Er bückte sich, hob einen Stock auf und warf ihn soweit er konnte. Die Hündin preschte los, die aufgeweichte Erde mit den Pfoten hinter sich her schleudernd. Stolz brachte sie ihm den Stock wieder und blickte ihn erwartungsvoll an. Er lobte sie und tätschelte ihren Hals, bevor er den Stock aufhob und diesen wieder warf. Neli preschte abermals los, blieb jedoch in einiger Entfernung stehen, bellte kurz, lief ein paar Schritte, duckte sich und schnupperte, richtete sich wieder auf und bellte erneut.

      „Was hast du denn wieder gefunden, Neli? Etwa einen Igel?“, rief Andres.

      Die Härchen an seinem ganzen Körper richteten sich auf, als er näher kam und sah, was seine Hündin gefunden hatte. Eine Frau lag bewegungslos am Wegrand und es sah beinahe aus, als wäre sie tot. Ihr Gesicht war bleich, ihre Lippen bläulich angelaufen. Ihre Haare und ihre knappe Kleidung waren komplett durchnässt und zum Teil mit Schmutzspritzern übersät. Auf ihrem Hinterkopf erblickte er eine verkrustete Wunde. Seine Hände zitterten leicht, als er eilig sein Handy herauszog und die Nummer des Rettungsdienstes eintippte.

      „Medizinischer