C. Harrer

Tränen der Finsternis


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nachließ. „Rechts!“, dröhnte es in seinem Kopf. „Nach rechts! Nun lauf schon!“ Ohne nachzudenken folgte er der Stimme und rannte los. „Schneller!“, drängte sie ihn. Drei der Bestien waren ihm direkt auf den Fersen. Unycron schrie, als er die scharfen Zähne der Monster erblickte. „Schneller!“, befahl die Stimme und er folgte blind. Er stolperte und die rechte Klaue eines Hundes streifte ihn an der linken Wade. „Nach links!“ Unycron schlitterte um die Ecke und konnte somit in letzter Sekunde einem verheerenden Hieb ausweichen. „Lauf schneller!“ Er rannte weiter den Tunnel entlang, bis er zu seinem Ende kam. Die Monster bauten sich hinter Unycron auf. Sie knurrten und fletschten die Zähne, als der Rudelführer seine Pranke zum finalen Schlag erhob. „Ducken!!!“ Erneut befolgte er die Anweisung der Stimme in seinem Kopf. Doch mehr gezwungenermaßen, denn diesmal war die Stimme so laut, dass er die Hände über seinem Kopf zusammenschlug und vor Schmerzen zu Boden ging. Der Angriff des Rudelführers verfehlte sein Ziel nur um einige Millimeter, während eine große schwarze, monströse Kreatur, über Unycron hinweg sprang und die Höllenhunde attackierte. Blut spritzte, als die schwarze Bestie einem Hund die Bauchdecke aufgeschlitzte und dessen Innereien über den Boden des Raumes verteilte. Gleichzeitig brach sie einem anderen, mit einem gezielten Biss das Genick. Und nur Augenblicke später trennte sie dem Rudelführer mit einem Prankenhieb, den Kopf vom Rumpf. Auch den nun nachfolgenden Kriegern, ließ die Bestie nicht den Hauch einer Chance und so glich der Raum binnen Sekunden einem Schlachthaus. Die Schreie der Opfer verstummten und kurz darauf herrschte Stille. „Steh auf!“, hallte es durch seinen Kopf. Er rappelte sich hoch und seine ängstlichen Blicke streiften durch den Raum. Er kletterte über die Leichen und bemerkte hierbei, dass der Kadaver eines Hundes fehlte. Eine Spur aus Blut und Schleim führte zu einem scheinbar zugewachsenen Zugang, eines weiteren Tunnels. Unycron fragte sich, ob er wohl denselben Weg wie die Kreatur einschlagen sollte. Aber ihm blieb offensichtlich nichts anderes übrig. Er schob einige Äste zur Seiteund blickte hindurch. Ein ewig langer Gang verbarg sich hinter dem Dickicht. Plötzlich wurde sein Blick trüb, er taumelte und war kurz davor das Bewusstsein zu verlieren. „Atme ein! Beruhige Dich! Entspanne Dich! Erinnere Dich! Atme aus!“ Pater Siegfrieds hypnotische Stimme drang durch seinen Kopf. Sein Pulsschlag sank und die Erinnerung kehrte langsam zurück. Stein für Stein, setzte sich die Kanalisation vor Unycrons Augen wieder zusammen. Er atmete tief ein und trat über die Schwelle, zu einem weiteren Teil seiner Erinnerung.Das pulsierende schwarzblaue Licht des Medaillons erhellte die Umgebung und Unycron folgte dem Verlauf des Tunnels für etwa zweihundert Meter, bis sich ein schier endlos, tiefer Abgrund vor ihm auftat. Das Loch hatte einen Durchmesser von ungefähr zwanzig Metern. Auf der gegenüberliegenden Seite befand sich ein riesiger Wasserfall. Grüne Ranken wucherten die steilen Wände empor und die Umgebung glich einer kleinen Jungeloase. Unycron sah sich um. Er hatte doch denselben Weg wie die Bestie genommen. Also, wo war das Biest? Er sah sich weiter um und die Antwort auf seine Frage rückte in immer weitere Ferne. Doch plötzlich entdeckte er einen Schatten hinter dem Wasserfall. An besagter Stelle war ein kleiner Felsvorsprung der knapp zwei Meter aus dem Wasserfall ragte. Aber dieser Vorsprung war zu weit entfernt, um ihn zu erreichen. War dies das Ende? Die Verzweiflung stand ihm ins Gesicht geschrieben und er war kurz davor in Panik auszubrechen, da er auf die schnelle keinen Ausweg sah. „JUNGE!“ Da war sie wieder, diese beherrschende Stimme in seinem Kopf. „Panik ist für die Schwachen. Ich kann dich von deiner Angst befreien. Aber nur, wenn du mir einen guten Grund nennst. Also was ist dein Begehr?“ Unycron stellte sich vor den Abgrund, schloss die Augen, streckte seine Arme aus und brüllte nur ein einziges Wort. „Rache!!!“ Der Hall jedes einzelnen Buchstabens des Wortes erschütterte die Wände. Die Erde bebte und riesige Felsbrocken vielen in den Abgrund. Sie rissen Äste und Wurzeln mit sich. „So sei es!!!“, dröhnte es erneut durch seinen Kopf. Die Zeit schien einzufrieren. Die fallenden Steine bewegten sich nur noch im Schritttempo und somit war es für ihn ein leichtes diese als provisorische Brücke zu nutzen. Schritt für Schritt näherte er sich dem Vorsprung auf der anderen Seite. Er hatte sein Ziel fast erreicht. Doch der Felsen war glitschig und es war kein leichtes das Gleichgewicht zu halten. Unycron rutschte seitlich weg, ruderte mit den Armen und versuchte irgendwie dem Sturz in den Abgrund zu entgehen. Er bekam gerade noch eine, an der Seite, herabhängende Ranke zu packen. Das Gewächs hielt sein Gewicht gerade so aus und unter ihm öffnete sich ein schier endloser, schwarzer Schlund. Der Ast knarzte und drohte sogar zu brechen, als er sich daran hoch zog. Adrenalin schoss in seine Adern, sein Herz raste und mit jedem Herzschlag kam er seinem Ziel ein Stück näher. Kurz danach stand er auf dem Ast und drehte sich langsam zum Wasserfall. Gerade in dem Moment, als die Ranke mit einem lauten Knacken brach, stieß er sich mit all seiner Kraft ab, sprang durch das kühle Nass und landete in einer kleinen Höhle hinter dem Wasserfall. Unycron hatte den Abgrund hinter sich gelassen und folgte nun dem einzigen Weg, der hoffentlich zu einem Ausgang führte. Er rannte durch die angrenzenden Tunnel und Höhlen, bis er ein lautes Knurren, hinter einer der Wände, vernahm. Er blieb abrupt stehen, warf sich auf den Boden und robbte leise auf das Geräusch zu. Er hielt den Atem an und entdeckte einen riesigen, monströsen, tief schwarzen Löwen, der mitten in der angrenzenden Höhle lag und an den Überresten eines Höllenhundes knabberte. Die langen Reißzähne und mächtigen Pranken trieften vor Blut. In seine lange Mähne, waren Zöpfe geflochten, die mit Platinringen gehalten wurden. Und mit seinen leuchtend roten Augen sah er immer wieder in Unycrons Richtung. Zumindest war der Löwe momentan keine Bedrohung, aber er versperrte den Weg zum Ausgang. Und so beschloss Unycron abzuwarten, bis der Löwe sein Mahl beendet hatte. Geraume Zeit später war es dann soweit. Die üppige Mahlzeit verlangte ihren Tribut und der mächtige Löwe schlief, wie ein Kätzchen, zusammengerollt ein. „Das ist deine Chance, Junge!“, flüsterte die Stimme in seinem Kopf. „Jetzt oder nie“, sagte Unycron und setzte sich langsam in Bewegung. Er schlich auf Zehenspitzen an der Wand entlang, an dem Raubtier vorbei, immer darauf bedacht, das Biest nicht zu wecken. Ein riesiger wütender Löwe war genau das, was er nicht brauchen konnte. Alleine beim Gedanken daran stockte ihm der Atem. Vorsichtig schlich er weiter durch die Höhle. Sein Ziel, den Ausgang, stets vor Augen und zum Greifen nahe. Es fehlten nur noch ein paar Meter.Unycrons Blicke trübten sich erneut, er wankte, wie ein Boxer kurz vor dem Niederschlag. „Atme. Atme. Entspanne Dich. Ich bin das Licht in der Dunkelheit.“ Pater Siegfrieds Stimme half Unycron dabei, nicht zu Boden zu gehen. „Netter Zaubertrick. Alter Mann! Aber nicht annähernd hilfreich. Meiner ist besser! Seht selbst“, lachte eine weibliche Stimme, während sich die Einzelheiten der Szenerie verformten und sich in einer anderen Konstellation wieder zusammenfügten. Schlamm, Matsch, Pfützen und Stein wandelten sich zu Spiegeln, Marmor Säulen und prunkvollen Möbeln. Kronleuchter aus Kristallglas mit hunderten Kerzen manifestierten sich an manchen Stellen des Saales und erhellten diesen auf angenehme Art und Weise. Unycron erkannte die schemenhaften Umrisse von Pater Siegfried, der ebenfalls die räumliche Veränderung betrachtete. Seine Blicke schweiften von Wand zu Wand, über Möbel hinweg bis hin zu einem riesigen Spiegel in dem er sich selbst, als erwachsenen Mann erkannte. „Ich bin Hüterin Jana, junger Darkstone, es ist schön zu wissen, das es euch den Umständen entsprechend gut geht“, sagte die Gestalt mit einem Lächeln auf den Lippen, als sie den Saal durch eine große Flügeltür betrat. Jana war eine kleine Frau, etwa eins sechzig groß, mit kurzen roten Haaren. Sie trug eine schwarze Lederrüstung die an diversen Stellen mit Ketten, Nieten und Platten verstärkt war. Ihr langer roter Umhang untermalte jede ihrer eleganten Bewegungen. Sie näherte sich Unycron, hielt kurz inne und sah ihm dann direkt in die Augen. „Ich habe vor vielen Jahren einige Barrieren in eurem Geiste erschaffen. Sie hallten Erinnerungen unter Verschluss. Schmerzhafte Erinnerungen. Verluste von Freunden, Gefährten und vielem mehr.“ „Ach!!“Unycron sprach mit einem etwas genervten Unterton. „Und das habt ihr einfach so über meinen Kopf hinweg entschieden. Ohne mich zu fragen?Jana sah Unycron verzweifelt an. „Verzeiht mir bitte, junger Darkstone. Ihr wart noch ein Kind. Völlig verstört, geschockt, emotional zutiefst verletzt. Es war keine böse Absicht, sondern eher eine gute Alternative. Ich hatte gehofft, ich könnte euch dadurch beschützen und somit eurer Mutter, die letzte Ehre erweisen.“ „Ihr kanntet meine Mutter?“, fragte Unycron. „Ja, aber das erkläre ich euch ein anderes Mal.“ Das hat Mutter auch immer gesagt.“ Sie warf ihm einen grimmigen Blick zu. „Meine Zeit hier, ist leider begrenzt.“ Erzählt bitte weiter“,