Eva Markert

Stiefbrüder küsst man nicht


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      Eva Markert

      Stiefbrüder küsst man nicht

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      Inhaltsverzeichnis

       Titel

       Eins

       Zwei

       Drei

       Vier

       Fünf

       Sechs

       Sieben

       Acht

       Neun

       Zehn

       Elf

       Zwölf

       Dreizehn

       Vierzehn

       Fünfzehn

       Sechzehn

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       Impressum neobooks

      Eins

      Die Geschichte begann vor etwa zwei Jahren. „Du lieber Himmel“, dachte ich damals, „eins steht fest: Wenn ich mal heirate, werde ich nicht einen solchen Aufwand treiben mit Restaurant und mehrgängigem Festmenü, unzähligen Gästen, Blumenschmuck und was weiß ich noch alles!“ Ich schaute mich um. Die meisten Leute kannte ich nicht. Wahrscheinlich waren es Verwandte und Freunde von Stefan.

      Mein Blick fiel auf Oma und Opa. Ich liebe meine Großeltern sehr, bin praktisch bei ihnen aufgewachsen. Ich verbrachte jeden Tag dort, wenn Mama arbeitete, bis ich dreizehn wurde. „Mit dreizehn kann Merle nachmittags allein zu Hause bleiben“, sagte Mama, und ich war derselben Meinung. Aber auch danach besuchte ich Oma und Opa oft. Das tue ich übrigens auch heute noch.

      Bei der Hochzeitsfeier sahen die beiden rundum zufrieden aus. Sie waren begeistert von Stefan und meinten, es wäre gut, dass bei uns jetzt endlich ein Mann ins Haus käme. Um ehrlich zu sein – von mir aus wäre das nicht nötig gewesen. „Wozu?“, fragte ich mich. Mama und ich kamen prima allein zurecht. Allerdings hätte es schlimmer kommen können. Stefan ist in Ordnung, obwohl er Lehrer ist. Das fand ich von Anfang an.

      Aber nicht nur Stefan „kam ins Haus“, sondern leider auch sein Sohn, Dominik. Ich ließ meine Blicke schweifen. Wo war der eigentlich? Etwa abgehauen? Wundern würde es mich nicht. Ich wusste, dass er mit der Heirat nicht einverstanden war. So wie ich anfangs. Aber ich hatte mich inzwischen an den Gedanken gewöhnt. Und es hatte durchaus auch Vorteile, wenn Mama nicht bloß damit beschäftigt war, auf mich zu achten ...

      Dominik wollte nicht, dass irgendjemand in der Familie auf ihn achtete. Er war am liebsten allein in seinem Zimmer oder mit seinen Kumpels zusammen. Er ging übrigens auf dieselbe Schule wie ich. Witzigerweise war er mir und den Mädchen in meiner Klasse schon vorher aufgefallen. Wir fanden ihn süß mit seinen blonden Haaren und den blauen Augen. Nie hätte ich mir träumen lassen, dass wir eines Tages Geschwister sein würden!

      Er hat übrigens eine kleine Narbe am rechten Augenwinkel. Die stammt von dem Autounfall vor vielen Jahren, bei dem seine Mutter ums Leben kam. Diese Narbe fand ich von Anfang an ziemlich niedlich. Ich muss verrückt sein! Wie kann man eine Narbe niedlich finden??? Und dass ich damals überhaupt etwas niedlich fand an Dominik, grenzte schon fast ein Wunder!

      Ich schreckte aus meinen Gedanken hoch, als Beifall aufbrandete. Mama schnitt gerade die Hochzeitstorte an. Sie – also Mama, nicht die Torte – war damals schon knapp 40, aber sie sah und sieht heute immer noch gut aus für ihr Alter. An dem Tag trug sie ein cremefarbenes Seidenkostüm. Ein bisschen langweilig für meinen Geschmack. Sie hatte ihr Haar hochgesteckt, und das stand ihr richtig gut. Ich denke, das sollte sie öfter machen, aber dazu hat sie morgens vor der Arbeit keine Zeit. Sie ist Goldschmiedin und arbeitet in einem Juweliergeschäft.

      Mama hatte es geschafft, den Leuten Hochzeitstorte auf die Teller zu bugsieren, ohne dass ein Stück umfiel. Stefan stand neben ihr und sah lachend zu. Wirklich ein netter Kerl! Als er und Mama heirateten, kannte ich ihn seit ungefähr vier Jahren. In der Unterstufe hatte ich ihn in Mathe. Da war er außerdem mein Klassenlehrer. Wenn mir damals einer gesagt hätte, dass der Grau eines Tages mein Stiefvater werden würde ... Ich hätte es nicht geglaubt. Ich konnte mir sowieso nicht vorstellen, wie das ist, einen Vater zu haben. Ich habe meinen eigenen nie kennengelernt.

      An einem Elternsprechtag ging Mama zu Stefan hin. Sie wollte mit ihm reden, weil ich eine Fünf in Mathe geschrieben hatte. Da fing es an mit den beiden. Im Grunde können sie mir dankbar sein, dass ich schlecht in Mathe bin. Was heißt hier „schlecht“? So schlimm ist es nun auch wieder nicht. Ich stehe zwischen Drei und Vier. Eine Fünf hatte ich seitdem nie mehr.

      Vor den Ferien war mein neuer Dad übrigens das Thema Nummer 1 in meiner Klasse. Die einen sagten, es wäre schrecklich, den lieben langen Tag einen Lehrer am Hals zu haben. Die anderen fanden es eher spannend, weil sie glaubten, dass ich einiges mitkriegen würde von dem, was hinter den Kulissen im Lehrerzimmer ablief und was die Lehrer über einen sagten.

      Das stimmt übrigens nicht. Stefan spricht zu Hause nur selten von der Schule.

      „Du hättest es schlechter antreffen können“, meinte Annika, meine beste Freundin. „Lieber den Grau als so manchen anderen.“

      Die meisten in meiner Klasse waren derselben Meinung. Der Stefan war und ist nämlich ziemlich beliebt an unserer Schule.

      Ich schaute hoch, weil es plötzlich leiser wurde. Mein Stiefbruder war gerade reingekommen. Alle Hochzeitsgäste sahen zu ihm hin. Das ist immer so. Wenn Dominik einen Raum betritt, gucken alle. Wahrscheinlich, weil er so gut aussieht. Allerdings war ich damals der Ansicht, dass es reichlich übertrieben wäre, bei seinem Anblick fast zu erstarren.

      Er trägt übrigens Kontaktlinsen, weil er kurzsichtig ist. Ich erinnere mich noch, wie ich ihn zum ersten Mal mit Brille sah. Wir waren alle zusammen über ein verlängertes Wochenende weggefahren. Stefan hatte das vorgeschlagen. „Und die Kinder nehmen wir mit“, hatte er zu Mama gesagt.

      Die Kinder! So nannten sie uns. Ich fand das unpassend und Dominik ebenfalls. Darüber waren wir uns ausnahmsweise mal einig. Aber wir konnten protestieren, soviel wir wollten, es nützte nichts. Wir waren und blieben „die Kinder“.

      In diesem Kurzurlaub fuhren wir ans Wattenmeer. Ich hätte die offene See vorgezogen, aber Stefan