Thomas Freitag

Montag Nachmittag ging ich nach Vollersroda


Скачать книгу

2fc1a-0009-566e-83a4-06b644c5f3f9">

      Thomas Freitag

      Montag Nachmittag ging ich nach Vollersroda

      Dieses ebook wurde erstellt bei

       Verlagslogo

      Inhaltsverzeichnis

       Titel

       1 Feininger vor Ort

       2 Briefe an Julia

       3 Bauhaus Weimar, Lehrer Matze in Vollersroda

       4 Feininger mit großen Plänen

       5 Im Vollersrodaer Schulhaus

       6 Atelierfenster 1919

       7 Matzes Schulbeginn 1975

       8 Zentralschule und alte Kirchtürme

       9 Wie die Schule startete

       10 Zwischen Anspruch und Realität

       11 Neue Menschen?

       12 Melancholy,Revolution und Atmosphäre

       13 Mutmachende Lieder

       14 Die umgeworfene Schulbank

       15 1000 Jahre Weimar

       16 Künstlerfamilie Hess

       17 Von politischen Liedern

       18 Kunst und Technik

       19 Preussentum, Antikunst und totes Bildungsgut

       20 Rückbesinnung: Amerika

       21 Bach ganz nah

       22 Entzauberte Wirklichkeit

       23 Immer wieder steht das Militär vor der Tür

       24 Biermann-Abend

       25 Deutsch-deutsche Geschichte

       26 Dessau ganz nah, New York so fern

       27 Eine verschwundene Bibliothek

       28 Halle-Bilder und "beleidigte" Werktätige

       29 Innere Abkehr

       30 Am Potsdamer Stadtrand

       31 Amerika-Reise und andauernde Überwachung

       32 Für immer New York und kein Entkommen vorm Militär

       Impressum neobooks

      1 Feininger vor Ort

      Schule? Matze Friedrich traut bis heute nicht vorbehaltlos einer Einrichtung, die sich Schule nennt. Ganz gleich, ob niedere oder höhere oder sonst welche Schule. Dabei kann es ohne Schulen gar nicht gehen, das ist auch klar. Er hatte oft in große und helle Kinderaugen gesehen und gewusst, diese Kinder da wollen lernen, etwas erfahren. Die sollten nicht enttäuscht werden. Aber jeden Tag kann eine Schule die größten Missverständnisse produzieren. Oder die Dinge werden verkürzt, es gibt zu enge Lehrpläne, es wird gemaßregelt. Selten nur wird gelacht.

      Als das Land, in dem Matze Friedrich, der eigentlich Mathias Friedrich heißt, geboren wurde, etwa die Hälfte seiner Lebensdauer erreicht hatte, hieß es unter Leuten, die sich den frischen Blick auf die pädagogische Zunft erhalten hatten: Der Lehrer sei der Pfahl im Fleisch der Intelligenz an dem sich jedes Schwein rüffeln dürfe. Das war so in der Zeit, als Matze selbst Lehrer wurde.

      Matze wurde Lehrer, ausgerechnet Lehrer. Er hatte Pläne. Es müsste gelingen, Jungen und Mädchen zu begeistern. Mit ganzem Herzen hatte er es versucht. Aber dann verflog diese Begeisterung allmählich. Dieser Lärm in den Schulen, dieser immer gleiche Geruch auf Korridoren und in Klassenzimmern, Lehrer Lämpel und die Schwarze Pädagogik. Leute, die einen von der Arbeit abhielten. Ein andauerndes Falschverstehen zwischen jenen, die vor Klassen stehen und oft viel zu viel Gutes wollen und jenen, die da sitzen müssen. Diese Normierungen und Hackordnungen. Nur beim Militär konnte es schlimmer sein. Aber es gab immer auch ein paar unvergessliche, wunderbare Lehrertypen. Die kennt auch jeder, aber die sind sehr selten.

      Es war damals fast schon alles zu spät. Aber es sollte weitergehen, wie es immer weiter geht. Noch mal über lange zehn Jahre hin. Zu spät war es noch nicht und immer wieder gab es die Hoffnung, dass in diesem kleinen Land noch Besseres gelingen könnte. „Es gibt genügend ehrlich arbeitende Leute“, dachte sich Matze, und „viele Wahrheiten würden sich schon durchsetzen“. Davon war er fest überzeugt. Und dann gab es diesen Feininger, der ihm zur Seite stand.

      Feininger war für ihn die große Entdeckung, eine wirkliche Entdeckung in der Zeit und gerade an diesem Ort. Man braucht jemanden, der einem gelegentlich über die Schulter sieht, einen manchmal anerkennend antippt und ermuntert. Der Maler Lyonel Feininger war so einer, Deutsch-Amerikaner. Seiner Julia in Berlin schrieb Feininger: Montag Nachmittag ging ich nach Vollersroda allein und habe gezeichnet. Es war herrliches, warmes Wetter, und ich war 3 ½ Stunden unterwegs ...

      Es war der 28. Mai 1919, als Feininger dies schrieb. Gerade war er Bauhausmeister in Weimar geworden. Aber vielleicht mochte der Feininger Schulen auch nicht besonders. Schon deshalb nicht, weil ihn seine Künstlereltern so oft fortgeben mussten und er dann in die Obhut anderer Erziehungspersonen kam. Die Eltern waren als gefragte Musiker immer auf Tour und so wird der Knabe schon mit 16 Jahren von Amerika nach Deutschland geschickt. Aber er ist begabt, sehr begabt, er würde