Michaela Santowski

Schatten und Licht


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Kuss auf die Wange.

      „Vertrau mir!“

      Dann ging er und ließ sie in jeder Hinsicht verwirrt zurück.

      4

      „Du machst mich mit deinem Summen wahnsinnig.“

      Teddy, Sarahs Kollege, blickte genervt von seiner Zeitung hoch. „Ich habe noch zehn Minuten, um in Ruhe meinen Kaffee zu trinken. Dann muss ich wieder in die Flure raus und mich den Patienten und Ärzten stellen. Also, bitte Sarah, wenn du mich nur ein wenig magst, gönn mir diese letzte Oase der Ruhe.“

      Sarah, die nicht gemerkt hatte, dass sie vor sich hinsummte, schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. „Ach Teddy, das Leben kann so schön sein.“

      Teddy klappte resigniert die Zeitung zu. Dann nahm er einen Schluck Kaffee und blickte Sarah an. „Da steckt doch ein Mann hinter, oder?“

      Sarah legte den Kopf schief. „Meinst du?“

      „Das sieht doch ein Blinder mit Krückstock, dass du quasi über Nacht ein anderer Mensch geworden bist.“

      Sarah lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Jetzt, wo Teddy es aussprach, musste sie zugeben, dass sie sich sehr auf den Nachmittag mit Luca freute. Auch wenn ihr die Schwimmsachen immer noch ein Rätsel waren, und Kino zugegebenermaßen nicht ganz so prickelnd für ein erstes Date ist. Doch seit dem gestrigen Tag ging Luca ihr nicht mehr aus dem Kopf. Sie spürte immer noch die sanfte Berührung seiner Lippen auf ihrer Wange, seinen Blick, als er mit seiner dunklen Stimme Vertrau mir gesagt hatte. Wenn bereits eine Stunde mit ihm solche Gefühle in ihr auslösten, was würde dann ein kompletter Tag erst anrichten?

      Egal, dachte sie und klaute dem protestierenden Teddy den letzten Schluck Kaffee, bevor sie die Kantine verließ. Ich lasse es auf mich zukommen.

      Luca sah fluchend auf seinen Wecker. Verdammt, dieses Mistding machte, was es wollte. Mal weckte er ihn und mal nicht. Da würde das Frühstück wohl wieder ausfallen müssen. War ja nichts Neues. Was für ein Glück, dass es auf der Arbeit wenigstens guten Kaffee gab. Er zog sich schnell die Jeans und ein T-Shirt an, darüber die Motorrad-Kluft, fuhr sich mit der Hand durch sein Haar und rannte schon die Treppen runter.

      „Drei, zwei, eins“, hörte er Mandy zählen, als er in den Laden stürmte.

      „Grade noch so“, sagte sie und grinste beim Blick auf die Wanduhr.

      Luca schnaufte. „Kaffee!“ flehte er.

      „Das habe ich gerne“, entgegnete sie empört. „Quasi zu spät kommen und dann auch noch einen Kaffee von der einzigen weiblichen Kollegin hier verlangen. Echt billiges Klischee.“

      „Ich mache es wieder gut. Aber sonst komme ich gar nicht in Schwung.“

      „Dich möchte ich gerne mal in Schwung erleben.“ Der leichte Unterton in ihrer Stimme war nicht zu überhören.

      „Was würde dein Mann dazu sagen, wenn er dich so sprechen hören würde“, spielte er den leicht Verwirrten.

      „Ich würde dich entlassen, um meine Frau nicht in Versuchung zu führen.“

      Ralf, Mandys Mann, war unbemerkt hinter Luca getreten. „Und wie kommst du da jetzt wieder raus?“, hakte Ralf nach.

      Luca ließ resigniert die Schultern hängen. „Gar nicht. Du wirst mich wohl entlassen müssen.“

      „Ich bin doch nicht bescheuert und schmeiße meinen Top-Verkäufer raus. Tja, Mausi“, wandte er sich an Mandy, „dann muss ich wohl leider dich entlassen.“

      Mandy lachte laut auf. „Ja, genau. Du weißt auch, dass Luca nur ein Top-Verkäufer ist, weil die Mädels auf unseren Sunnyboy stehen. Nicht, weil er besondere Talente hätte.“

      „Und ich dachte, du wärst der festen Überzeugung, ich hätte besondere Talente“, flirtete er verschmitzt.

      Ralf und Luca lachten. So entging beiden der Blick, den Mandy Luca zuwarf. Und der besagte eindeutig, dass sie seinen `Talenten` gegenüber nicht unempfänglich war.

      „Schluß jetzt mit dem Geplänkel. Ich hole Luca einen Kaffee und er sortiert die neuen Motorradjacken und Helme ein, die heute Morgen gekommen sind.“ Mandy drehte sich auf dem Absatz um und verschwand im hinteren Teil des Ladens.

      Ralf klopfte Luca noch mal auf die Schulter und ließ ihn dann ebenfalls mit den Kisten alleine.

      Luca holte ein Teppichmesser, schnitt die Kartons auf und kontrollierte die Inhalte. Dabei pfiff er vor sich hin, bis Mandy mit einer dampfenden Tasse vor ihm stand. Dankbar unterbrach Luca seine Tätigkeit und nahm die tiefschwarze Flüssigkeit entgegen.

      „Gott sei Dank“, sagte er nach dem ersten Schluck und schloss genussvoll die Augen. „Dein Kaffee ist echt der verdammt beste, den ich je getrunken habe. Schon alleine deswegen würde ich deinen Rausschmiss sehr bedauern.“

      „Also, Sunnyboy, wenn mein eigener Mann mich schon vor die Tür setzen will, um dich nicht zu verlieren, dann doch auch bitteschön mit Grund. Ich sehe dich in einer halben Stunde im Lager.“

      Luca starrte Mandy entsetzt über den Rand der Tasse an. Bis diese plötzlich auflachte. „Du solltest mal dein Gesicht sehen.“

      Erleichtert atmete Luca auf. Einen Moment hatte er Mandy wirklich geglaubt. Dabei war sie mindestens zwanzig Jahre älter als er und, so weit er wusste, glücklich verheiratet.

      „Vorsicht“, entgegnete er, um ihr nicht die Genugtuung des letzten Wortes zu lassen, „sonst nehme ich dich irgendwann noch beim Wort.“

      Ihr gemurmeltes `Schön wäre es` hörte er bereits nicht mehr.

      Der Tag im Motorradladen verlief wie immer. Kichernde, rotwangige Teenager und hübsche junge Frauen ließen sich von Luca beraten. Seit er für sie arbeitete, war ihr Umsatz um zehn Prozent gestiegen. Allerdings fiel Mandy auf, dass heute etwas anders war. Obwohl Luca charmant wie immer zu der Kundschaft war, schien er doch einen gewissen Abstand zu halten, der vorher nicht da gewesen war. Als eine groß gewachsene Brünette Luca eindeutige Avancen machte und er sie nett aber bestimmt abwies, war sie sich sicher, dass etwas nicht stimmte. Luca war in ihren Augen noch nie ein Kostverächter gewesen, worüber sie sich mehr als einmal geärgert hatte. Schließlich war sie auch nicht grade hässlich mit ihren naturblonden Haaren, die sie modisch kurz trug und den blauen Augen. Bisher hatte sie Luca immer so eingeschätzt, dass er auch vor der Frau des Chefs nicht haltmachte, wenn sie ihm nur eindeutige Zeichen geben würde. Anscheinend hatte sie zu lange gewartet. Mandy beschloss, das Ganze weiter zu beobachten.

      Sichtlich nervös betrachtete Sarah sich das bestimmt tausendste Mal im Spiegel. Sie hatte sich für eine enge schwarze Hose und eine rote Bluse entschieden. Dazu trug sie dezentes Make-up und hochhakige Pumps. In solchen Momenten fehlte ihr ihre beste Freundin aus Hannover. Melanie würde ihr auf ihre eigene humorvolle Art die Nervosität nehmen. Er ist mit Sicherheit nicht wie Sven, würde sie sagen. Und er sieht wesentlich besser aus.

      Sarah lächelte bei der Erinnerung. Melli sah immer nur das Positive. Selbst als Sarah Sven in ihrem Bett mit einer dreißig Jahre älteren Frau erwischt hatte, hatte Melli sie nicht in ihrem Selbstmitleid bestärkt. „Pack deine Sachen und verschwinde endlich nach Frankfurt! Du hast den Job doch nur wegen dieses Nichtsnutzes abgelehnt.“

      „Soll ich dich jetzt etwa auch noch verlieren“, hatte Sarah geheult.

      „Schätzchen, Menschen wie mich wird man nie los.“ Melli hatte sie fest in den Arm genommen, dann ihr Laptop angeschaltet und die Wohnungsanzeigen ausgedruckt. So war Sarah schließlich in Königstein gelandet.

       Netter ruhiger Ort. Und Frankfurt ist gut über die Autobahn zu erreichen.

      „Da hattest du recht, Melli“, sagte Sarah zu ihrem Spiegelbild, „aber du hast mich nicht auf meinen Nachbarn vorbereitet.“

      In