Ulrich Pätzold

Führung durch den Roman "Sonnenfinsternis-Im Hinterhof der Politik"


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die Touristen hat er eigentlich nichts gegen Araber, Türken, Schwarze und die vielen nicht Arbeitenden, die es hierher verschlagen hat. Aber in ihrer Vielzahl sind sie ihm unheimlich, und er wird das Gefühl nicht los, sie nicht beherrschen zu können. Das Böse entsteht in solchen Brennpunkten wie um das Ostkreuz. Hier, so hat M oft seine Überzeugungen bildhaft ausgemalt, leben zu viele Menschen, die der Gesellschaft feindlich gesonnen sind, die den Staat bekämpfen, von dessen sozialen Segnungen vor allem sie profitieren.“

       Wie ein mittelmäßiger Detektiv macht sich M auf die Spurensuche. Er glaubt, der Bundestag könne bedroht sein. Die wenigen Informationen, die er hat, versucht er exklusiv für seine Person und für sein Agieren im Parlament zu nutzen. Die beiden wichtigsten Bezugspersonen, um deren Aufmerksamkeit er buhlt, sind der Vorsitzende des Innenausschusses und sein Fraktionsvorsitzender. Es gehört zu der bewussten Konstruktion des Romans, dass diese erste große Aktion von M nicht auf linke Terroristen gemünzt ist – auch nicht auf Islamisten – sondern vorgeblich nationalistische Aktionisten aus der rechten Szene ins Visier nimmt. Am Ende eines Brief an den Fraktionsvorsitzenden, in dem M die drohenden Anschläge ausmalt, schreibt er:

      „Es steht mir als einzelnem Abgeordneten nicht zu, unserer gemeinsamen Verantwortung durch eigene Ermittlungen und mit eigenen Bewertungen nachzukommen. Sie werden mit mir übereinstimmen, dass wir uns nach den NSU-Skandalen als wehrhafte Demokratie nicht noch einmal zu spät beweisen dürfen. Deshalb möchte ich in Erwägung bringen, ob es angesichts auch der hohen Symbolkraft dieser Anschläge nicht angemessen ist, dass unsere Fraktion einen Untersuchungsausschuss beantragt, der aufzuklären hat, wie es geschehen kann, dass der Deutsche Bundestag zur Zielscheibe von Anschlägen von Extremisten oder gar Terroristen werden kann. Selbstverständlich würde ich einem solchen Ausschuss gerne angehören.“

       Madame, seine Mitarbeiterin, versucht ihn vor zu schnellen Schritten zu bewahren, vergeblich:

      „Madame macht ein paar Schritte in seinen Raum hinein und setzt sich auf die Lehne eines Sessel an der Vorderseite des Besprechungstisches. Ihr Chef steht fast ungeschützt vor seinem Schreibtisch, und sie schaut ihm direkt ins Gesicht. Sie holt tief Luft und merkt, wie sie ruhiger wird, wie ihr die Sätze auf die Zunge kommen, die sie sich vorhin überlegt hatte, als sie zur Kenntnis nehmen musste, dass die Briefe bereits nicht mehr im Büro waren. „Ich hatte Ihnen die Notiz geschrieben, weil ich überzeugt war, es könne der Sache nur gut tun, noch einmal eine Nacht über die Absicht zu schlafen, einen Untersuchungsausschuss anzuregen. Ich hoffte, im Gespräch können wir klären, ob wir genügend Indizien und Argumente haben, um für diesen Vorschlag Verständnis und Unterstützung Ihrer Kollegen beanspruchen zu können.“

      M schaut sie nicht an, während sie redet. Seine Augen liegen abgelenkt auf dem dicken Stapel der Unterlagen für die gleich beginnende Sitzung. Er braucht diesen kurzen verbalen Schlagabtausch mit seiner Mitarbeiterin, will ihn aber auch nicht richtig. Am liebsten wäre es ihm jetzt gewesen, der Gong für die Abgeordneten wäre in dieses Gespräch gefallen, das Zeichen, sich nun in den Plenarsaal rufen zu lassen und die Plätze einzunehmen. Er schaut auf seine Uhr und vergewissert sich, dass es bis zum befreienden Gong noch etwas dauern wird. So gewinnt er Zeit und bewegt sich langsam hinter seinen Schreibtisch, setzt sich auf seinen Stuhl und faltet seine Hände auf der Tischplatte. Die innere Ordnung stellt sich bei ihm wieder ein, die Dinge um ihn herum verlieren ihr provozierendes Eigenleben. Es ist wieder klar, wer hier Chef ist. Durch die geöffnete Tür ruft er seiner Sekretärin mit seiner liebenswürdigen Stimme zu: „Schatz, hast du für uns noch einen Kaffee?“ Er wendet sich nun seiner Mitarbeiterin zu, die er mit konzentriert ernster Miene ins Visier nimmt. „In der Politik gibt es Situationen, in denen entschieden werden muss, auch wenn noch nicht alle Fakten und Argumente auf dem Tisch liegen, die gegen diese Entscheidung ins Feld geführt werden können.“ Seine Augen bleiben jetzt fest gerichtet auf das Gesicht von Madame.“

       Die erste große Aktion von M scheitert. Es kommt im Bundestag nicht zu dem entscheidenden, von M so heiß erwarteten Gespräch mit dem Fraktionsvorsitzenden. Etwas anderes platzt mitten in die Ablaufdramaturgie:

      „Er konzentriert sich nun vollständig auf seinen Fraktionsvorsitzenden und wartet, dass sich dieser von seinem Platz erhebt. Denn er hat sich vorgenommen, ihm im angemessenen Abstand nach draußen zu folgen, sobald der Vorsitzende nicht weit von ihm den Saal verlässt. Nun nimmt er wahr, wie auf einmal ein Saaldiener auf den Fraktionschef zugeht und diesem einen Zettel übergibt. Der Fraktionsvorsitzende überfliegt ihn schnell und M glaubt erkennen zu können, wie Fassungslosigkeit, Erschrecken und Erstarrung von seinem Freund Besitz ergreifen. „Nur keine Ablenkung, kein Zwischenfall“, schießt es M durch den Kopf. „An meiner Mission geht kein Weg vorbei“, sagt er sich und registriert, wie ihn diese Bilanz beruhigt. Doch irgendetwas muss geschehen sein. Denn der Fraktionsvorsitzende ist jetzt in Bewegung. Eine kleine Traube ratloser und betroffen ausschauender Kolleginnen und Kollegen aus den ersten Reihen stehen da mit gleicher Fassungslosigkeit in den Gesichtern, die er bereits bei seinem Chef erkannt hatte. Im Plenum entstehen jetzt überall die kleinen Veränderungen im Verhalten der Abgeordneten. Die parlamentarische Ordnung ist aus den Fugen.

      Um 11.10 Uhr unterbricht der Präsident des Bundestages die Sitzung. Er läutet mit seinem Glöckchen und wartet, bis in den gut gefüllten Reihen des Hauses Ruhe eingetreten ist. Auch in seinem Gesicht ist das schreckliche Ereignis geschrieben, das er gleich verkünden wird. „Meine Damen und Herren, ich muss Ihnen eine sehr traurige Nachricht überbringen. Soeben ist bekannt geworden, dass vor wenigen Minuten ein Flugzeug in den Bergen der südlichen Alpen etwa 100 Kilometer nördlich von Nizza abgestürzt ist. Es handelt sich um einen Airbus A 320 der Germanwings, einer Tochter der Deutschen Lufthansa, mit der Flugnummer 4U9525 auf ihrem Flug von Barcelona nach Düsseldorf. An Bord waren 150 Personen, 144 Passagiere, zwei Piloten und vier Flugbegleiterinnen. Wir müssen davon ausgehen, dass alle ihr Leben verloren haben. 70 Personen unter den Opfern sollen deutsche Staatsbürger gewesen sein.“

      Weitere Informationen:

      Roman Sonnenfinsternis-Im Hinterhof der Macht: https://www.neobooks.com/ebooks/ulrich-paetzold-sonnenfinsternis-ebook-neobooks-AXZnNJvFII_DljQnknKY

      Webseite von Ulrich Pätzold: www.uli-paetzold.de

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