Linda V. Kasten

Himmelsfrost


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legte ihr beschwichtigend eine Hand auf den Arm. »Ich wollte es dir gleich in aller Ruhe erzählen: Tom hat mir heute Nacht eine Nachricht zukommen lassen. Er verfolgt eine vielversprechende Spur des Clans. Du sollst dir keine Sorgen machen. Er kommt zurück, sobald er neue Informationen hat.«

      Cora blinzelte angestrengt, vermutlich um ihre Tränen zurückzuhalten. »Aber das muss er doch nicht alleine machen! Wieso ist er nicht zuerst hierher gekommen? Es ist viel zu gefährlich auf eigener Faust dem Clan hinterherzujagen.«

      »Vertrau mir Cora, er schafft das. Du wirrst sehen, er kommt in einem Stück zu uns zurück und bis dahin versuch dir nicht allzu viele Sorgen zu machen.«, antwortete Jonathan.

      »Das sagst du so leicht.«, murmelte meine Tante.

      Megan brach das Schweigen, welches darauf folgte, indem sie sich an mich wandte. »In der Zeit, in der wir alles vorbereiten, kannst du dir gerne die Stadt und das Schloss anschauen. Wenn du fragen hast, steht dir Mrs. Cecil bestimmt zu Verfügung.«

      »Natürlich.« Die alte Dame nickte. »Wenn du möchtest, kann ich dir die Bibliothek zeigen, kommst du nach deinem Vater, wird sie dir mit Sicherheit gefallen.«

      »Eine großartige Idee.«, stimmte Megan zu. Sie warf einen Blick in die Runde, dann erhob sie sich »Sehr schön, dann sehen wir uns heute Abend.«

      Sie verabschiedete sich und verließ zusammen mit Lucian du dem anderen Lichtkrieger den Raum.

      Mrs. Cecil erhob sich ebenfalls. »Wollen wir?«

      Ich warf Cora einen fragenden Blick zu, diese nickte mir zu. »Geh schon, du wirst sie lieben.«

      Ich schenkte ihr ein kleines Lächeln. »Ich bin gespannt.«

      Wir ließen Cora und Jonathan alleine zurück und erneut folgte ich der alten Dame durch das Schloss. Anstatt die Wendeltreppe wieder nach unten zu nehmen, folgten wir dem Gang bis zu einer schweren, weißlackierten Holztür.

      »Ich habe noch einiges zu erledigen, aber ich denke, hier bist du erst einmal beschäftigt.«

      Ich bedankte mich bei ihr und versicherte, dass ich mich auch ohne ihre Hilfe zurechtfinden würde.

      »Ich komme heute Abend und hole dich zum Abendessen ab. Falls du mich doch suchen sollest, in der Nähe des Eingangsportals findest du die Küche und dahinter den Dienstboten Trakt, dort ist immer jemand, der dir weiterhelfen kann.«

      Mit diesen Worten verschwand sie in den Gängen des Schlosses und ich öffnete die Tür zur Bibliothek.

      Was ich sah, verschlug mir den Atem. Ich wusste nicht, wo ich zuerst hinabschauen sollte. Man hatte einen Teil Bibliothek scheinbar in den Turm des Schlosses gebaut, denn mein Blick wanderte eine scheinbar endlose Spirale aus Büchern nach oben. Genau wie der Rest des Schlosses war alles in hellen Tönen gehalten. Bücherregale aus Birkenholz säumten die weißen Wände. Das Licht, welches durch die Fenster in die Kuppel fiel, ließ die hellen Marmorfliesen im Sonnenlicht funkeln. Ich wagte mich weiter vor und strich staunend über den Rücken einiger Bücher. Eine Wendeltreppe schlängelte sich rechts von mir hoch zu den beiden anderen Etagen. In der ersten Etage standen, fast schon willkürlich verteilt, Tische, auf denen jeweils kleine Feuerkugeln in Glasgefäßen die Arbeitsflächen erhellten. Ich atmete tief den Geruch von Pergament und alten Büchern ein. Die Sonnenstrahlen erleuchteten einzelne Staubpartikel, welche durch den Raum tanzten. Eine beruhigende Stille umgab die ganze Atmosphäre. Eine Stille, die voll von alten Erinnerungen und Geschichten zu sein schien. Ich schloss für einen Moment die Augen. In meinen geschlossenen Augen bildete sich eine Träne. Ein Ort wie dieser beinhaltete so viele Geschichten, hinter der jeweils die Seele der Person verborgen lag, die sie geschrieben hatte. Der ganze Raum hatte etwas Geheimnisvolles, aber auch gleichzeitig etwas Geborgenes an sich. Wie eine Decke, die sich schützend über all jene legt, die diesen Ort betraten.

      Ein Poltern gefolgt von einem leisen Fluchen riss mich aus meinem Erstaunen und ließ mich erschrocken zusammenfahren.

      Ich drehte mich um, konnte jedoch den Ursprung des Lärms nicht ausmachen.

      »Du bist so ein Tollpatsch, das kann schon fast als Krankheit eingestuft werden.«, ertönte eine männliche Stimme nicht weit von mir.

      »Ach sei doch still, du hast mich geschupst.«, antwortet eine weibliche.

      »Natürlich, weil ich dich auch über drei Regalreihen hinweg schubsen kann.«

      Ich näherte mich zögernd den Stimmen und als ich hinter einem der Regale hervorlugte, stand ich plötzlich zwei jungen Wächtern gegenüber. Beide schienen ungefähr in meinem Alter zu sein, auch wenn das Mädchen, welches auf dem Boden kniete und die Bücher aufhob, ein sehr junges Gesicht hatte und ihre Augen angriffslustig den Jungen anfunkelten, der ihr schmunzelnd dabei half die Bücher zurück in die Regale zu stellen. Als die beiden mich bemerkten, hielten sie inne und starrten mich an. Das Mädchen richtete sich auf und klopfte sich den Staub von ihrem Kleid.

      »Ähm… hallo, ich wollte euch nicht stören, ich hab es nur rumpeln gehört und dachte, ich schau mal nach was passiert ist…«, verlegen hielt ich inne.

      Das Mädchen hatte sich schneller als der Junge wieder gefasst und streckte mir freundlich ihre Hand entgegen. »Ach, du störst doch nicht. Ich bin Alice McRian und das hier ist Eric.«

      Der Junge nickte mir zu. »Eric Clivton.«

      Ich lächelte die beiden verlegen an. »Freut mich, ich bin…«

      »Skyler Eltarsia. Ja, das ist kaum zu übersehen.«, beendete das Mädchen namens Alice meinen Satz.

      Verdattert blickte ich die beiden an. »Wie bitte?«

      Der Junge, Eric, schob Alice ein Stück zur Seite und warf ihr einen resignierten Blick zu. »Tut mir Leid, Alice kann manchmal etwas impulsiv sein.«

      »Entschuldige bitte?!«, gab diese zurück und stieß dem Jungen leicht in die Seite.

      Er ignorierte sie und fuhr an mich gewandt fort »Was Alice sagen wollte, ist, dass viel über dich gesprochen wird und die Nachricht das Arabellas Tochter, ihre Nachfolgerin und Königin des Eises zurückgekehrt ist, sich schnell verbreitet hat.«

      »Oh…«, ich wusste nicht, was ich sagen sollte und strich mir verlegen durchs Haar.

      »Du siehst deiner Mutter tatsächlich unglaublich ähnlich.«, fügte Alice hinzu und drängte sich an Eric vorbei.

      »Woher kennt ihr meine Mutter?«, fragte ich verwundert. Wenn ich Recht hatte und die beiden ungefähr zwischen achtzehn und zwanzig Jahre alt waren, konnten sie meine Mutter nicht kennengelernt haben.

      Alice stellte die letzten Bücher zurück in das Regal und schenkte mir ein Lächeln. »Komm mit, ich zeig dir was.«, sie griff nach meiner Hand und zog mich hinter sich her.

      Eric hatte recht, sie war ein sehr impulsiver Mensch.

      Ich hatte Mühe, auf der Treppe nicht zu stolpern, und stellte mit Enttäuschung fest, dass sie mich aus der Bibliothek heraus führte. Hinter mir hörte ich Eric seufzend murmeln: »Das zum Thema für die Abschlussprüfungen lernen.«

      Nachdem Alice mich durch das halbe Schloss gezerrt hatte und ich nun vollkommen die Orientierung verloren hatte, betraten wir einen Saal, an dessen Wänden ältliche Gemälde hingen. Alice ließ meine Hand los und deutete in den Raum hinein. »Hier hängen Bilder von allen Königinnen und Königen des Eises, die jemals geherrscht habe.«

      »Und von einigen Adelsfamilien.«, fügte Eric hinter mir hinzu.

      »Komm.«, Alice winkte mich zu sich. Sie stand vor einem Porträt, auf dem eine sehr junge Frau und ein ebenso junger Mann abgebildet waren. Der Mann hatte eine Hand auf die Schulter der Frau gelegt. Sie hatte dunkles langes Haar, welches offen über ihre Brust viel und sie schien den Betrachter des Porträts mit leicht zusammengekniffenen Augen zu mustern. Ich kannte diesen Blick. Wie könnte ich ihn jemals vergessen. Doch was das Bild nicht zeigte, war das liebevolle Glitzern hinter dem starren und kritischen Blick sowie das sanfte Lächeln, welches von Zeit zu Zeit ihre Lippen