Justine la Mour

Selfie


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sein, verwandelt und erlöst. Und das alles unter dem tosenden Applaus des Publikums, Millionen klatschender Hände, Jubelschreie wenn sie auf die Balustrade tritt oder in einer goldenen Kutsche durch die Straßen zieht. Ein Fremdenführer spricht in drei verschiedenen Sprachen abwechselnd über die adligen Höfe in aller Welt, die versuchten, den Stil von Versailles zu kopieren. Eine Welt aus Plüsch und Pastellfarben. Glänzende Pralinen aus Nougat und Marzipan zu Schuhen und Stiefeln geformt, mit Zuckerguss überzogene Torten in rosa und weiß stapeln sich vor ihr, Rüschenkleider und Korsetts, auf dem Rücken geschnürt und Damen, die in Café Crème baden wie in Ziegenmilch. Sie sieht das Leben am Hof vorüberziehen, Bankette mit Latte Macchiatogläsern, groß wie Swimmingpools mit einer goldenen Leiter zu erklimmen, um kopfüber einzutauchen, Sahnehäubchen wie schneeweiße Inseln auf heißem Kakao und meterhohe Blaubeertorten mit Vanilleeis gekürt wie Berggipfel. Ich möchte Prinzessin werden. Oder Schauspielerin, eine Schauspielerin, die Prinzessin spielt, einmal Prinzessin, immer Prinzessin. Ich möchte Schauspielerin werden. Mama, hast du gehört? Ich möchte Schauspielerin werden. Das kannst du vergessen. Justines Stimme klingt als beiße sie eine unreife grüne Zitrone. Charlotte lacht als ihre Mundwinkel sich nach unten verziehen, die Haut auf dem Nasenrücken gekräuselt, die Stirn in Querfalten gelegt, das Gesicht von einem Spinnennetz überzogen. Prinzessin? Schauspielerin? Wie kommst du darauf? Mir hat auch keiner den roten Teppich ausgerollt, Erfolg muss man sich erarbeiten, Neid muss man sich erarbeiten, Mitleid bekommt man umsonst. Ich bin auch nicht mit Samthandschuhen angefasst worden. Schauspielerin, das ist das Letzte, das Allerletzte, Schauspieler gehörten bei den Römern zum Lumpenproletariat. Willst du in einer ungeheizten Dachkammer verhungern? Kein Job, kein Mann, kein Kind, willst du das? Sätze wirbeln durcheinander, überschlagen sich, bevölkern ihre Gedanken, schlingen sich um ihre Träume wie Kobras.

      Jetzt erst recht. Charlotte sieht sich in der Zukunft spielen, bald, sehr bald, aber noch steht sie nicht auf einer Bühne. Ein Abonnement im staatlichen Schauspielhaus, einmal im Monat Theater, schon Stunden vor der Aufführung bekommt sie fiebrige Wangen. Sie seziert Gesichter und Körper der Schauspieler mit dem Opernglas, der wie ein Röntgengerät alles in eine unnatürliche Nähe rückt. Der vergrößerte Blick in ihre Münder, als könne sie die Art, wie sie die Worte aussprechen, lernen, ihre Mimik, ihre Haut, sie betrachtet jede ihrer Poren, studiert ihr Haar, ihre Körper, ihren Gang, die Bewegung der Arme und Beine. Ist sie schön genug, begabt genug? Sie weiß es nicht. Auf der Bühne riesige hässliche Frauen, kleine Männer, metallene Stimmen, lispeln, stottern und doch spielen sie die anderen gegen die Wand. Charlotte fahndet weiter, ein Geheimnis muss erforscht werden, es liegt in der Luft, wenn sie abends an die Zimmerdecke schaut spürt sie es um sich flattern und knistern, schillernde Farben, glänzende Gebilde, sie greift danach, sie lösen sich auf. Die Zauberformel will gefunden werden, die Schauspielformel, die Kunstformel.

      Zerplatzte Seifenblasen mahnt Justines Stimme in ihr, Träume sind Schäume, das wird sowieso nichts werden. Mach`‚ dich unabhängig, verdien` dein Geld, so kannst du dir die Männer aussuchen, die Wohnung, den Job, alles kannst du dir aussuchen. Ihre Stirn legt sich in Falten, eine Mimikspur zieht sich über der Nasenwurzel zusammen, verläuft weiter nach unten und mündet in zwei diagonalen Einkerbungen neben dem Mund. Die Haut ihrer Mutter ist von Zeit zu Zeit straff hinter die Ohren gezogen, lockert sich wieder und fällt ein, als zöge jemand mit einem unsichtbaren Gummiband daran. So wandelbar ihre Gesichtshaut, so wandelbar auch ihre Meinung. Glaubt sie sich selbst, was sie sagt? Ihre Stimme klingt zu sicher, zu fest, zu laut, als spreche sie Sätze auswendig, Redensarten, Allgemeinplätze, die eine Wahrheit besiegeln wollen. Aber was gesagt ist, ist noch lange nicht wahr. Charlotte bläst die Wangen auf und stöhnt, dreht sich um und schweigt. Ihr Versailler Vormittag neigt sich dem Ende zu, Charlotte wirft einen letzten Blick auf die goldenen Frösche am Brunnen. Der verregnete französische Frühling rettet sie in eine Traumkulisse während die Stimme ihrer Mutter leiser wird und sich im Sprachengeraune der Touristen verliert.

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