Michael Stuhr

MICHAEL STUHRS FANTASY-DOPPELBAND


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ernst. Llauk würde reich sein. Endlich reich! "Welche Dienste erwartet Ihr dafür, Herr?"

      "Zunächst werde ich Euch eintausend Bronzestücke aushändigen. Nehmt Euch eine Wohnung im Händlerfelsen und empfangt dort meinen Kurier. Er wird Euch weitere Weisungen geben. Zunächst aber kuriert Ihr Eure Wunden aus. Ich habe Euch ein Haus am Stadtrand von Sordos herrichten lassen. Auch für eine kleine Dienerschaft ist gesorgt. Es wird Euch dort gefallen. Ihr werdet neu eingekleidet und nach Eurer Genesung erhaltet Ihr das Geld und fahrt als erfolgreicher Kaufmann nach Thedra."

      "Ja, Herr. Natürlich, Herr!" Llauk sprudelte förmlich über vor Glück. Jetzt würden seine kühnsten Träume doch noch in Erfüllung gehen. Er hatte es doch gewußt! - Er würde sein Glück machen auf dieser Fahrt. Am Morgen noch ein Todgeweihter, war er nun als dramilischer Spion angeworben und Besitzer eines unglaublichen Vermögens. - Wie schön die Welt doch war!

      Fast zwanzig Tage brachte Llauk in dem kleinen Haus am Stadtrand zu, das man ihm zugewiesen hatte. Sein Gastgeber hatte Wort gehalten. War es auch nicht gerade ein fürstlicher Palast, so hatte das Haus Llauk doch ausgezeichnet gefallen. Endlich hatte er so leben können, wie er es sich schon als Kind gewünscht hatte. Frei von allen Widrigkeiten des Alltags und nur dem Genuß verpflichtet.

      Selten nur war der fremde Edelmann, der sich als Adiv eb Aser vorgestellt hatte, in das Haus gekommen und hatte Llauk Weisungen für sein Verhalten in Thedra gegeben. Viel war es nicht, was Adiv eb Aser forderte: Llauk sollte dort einfach so leben, wie es einem Kaufmann zustand.

      Essen, trinken und schlafen, das war im Wesentlichen Llauks Leben, in diesem schönen, großen Haus in der dramilischen Hauptstadt. - Und dann war da noch etwas gewesen, oder besser, noch Jemand! - Sajai is Laza, eine der Dienerinnen.

      Sajai hatte es Llauk besonders angetan. Schon am ersten Abend hatte er sie trotz seiner Brandwunden und seines schmerzenden Rückens zu sich geholt. - Und Sajai hatte ihn reichlich für alles erlittene Leid entschädigt. Willig war sie all seinen Wünschen entgegengekommen, und als ihm nichts mehr einfiel, hatte sie sein Begehren aus eigenem Antrieb wieder angestachelt. Llauk hatte den Himmel auf Erden erlebt.

      Sajai war die erste Frau in seinem Leben. Die Mädchen seiner Heimat hatten nicht viel von dem kleinen Stoffmacher mit den großen Plänen gehalten, und in Thedra war er zu geizig gewesen, sich in einer der Schenken ein Abenteuer zu suchen. Llauk vergötterteSajai. Er konnte nicht mehr ohne sie sein. - Brauchte sie beim Einschlafen und beim Erwachen. - Tat alles, um sie zu erfreuen - wenn sie nur bei ihm blieb. Immer mußte sie in seiner Nähe sein, weil es ihn immer wieder nach ihr verlangte.

      Auf diese Art hatte er es der Armen wirklich schwer gemacht, ihre Berichte über ihn pünktlich abzuliefern.

      Nun war der Augenblick des Abschieds gekommen. Traurig stand Llauk in seinen schönen, neuen Kaufmannskleidern in der Tür. Etwas wehmütig nahm er Abschied von dem Haus am Rande der Stadt und vor allem von der Liebe seines Lebens. - Ach, hätte das alles doch nur für immer so weitergehen können!

      Adiv eb Aser wartete geduldig, bis Llauk sich von Sajai verabschiedet hatte, dann gingen die beiden Männer, begleitet von einer Eskorte, zum Hafen hinunter.

      "Seid nicht betrübt, Stoffmacher", versuchte der Dramile Llauk zu trösten. "Wenn Ihr erst Gouverneur von Thedra seid, könnt Ihr Eure Geliebte ja nachkommen lassen."

      Llauks Kopf ruckte herum. Plötzlich war aller Abschiedsschmerz vergessen. Gouverneur sollte er werden? So hoch hatte er in seinen kühnsten Träumen nicht zu greifen gewagt. `Llauk, Gouverneur von Thedra und Estador', wie gut das klang. Vielleicht würden die Dramilen es dulden, dass er sich so ganz nebenbei auch noch Vizekönig nannte, oder auch nur König? Llauk ging wie auf Wolken. Schon sah er sich am Ziel, das seine wildesten Machtphantasien bei weitem übertraf. - Doch vor den Titel hatten die Dramilen die Überfahrt nach Thedra gesetzt ...

      Stolz in Gang und Gebärde, jeder Fingerbreit ein erfolgreicher Kaufmann, betrat Llauk den Kai von Sordos und schaute wohlgefällig auf die Menge, die ihn bewundernd musterte, wie ihm schien. - Ob die Leute wohl schon von seiner Ernennung wußten?

      Plötzlich stockte Llauks Schritt. Er hatte an der Kaimauer etwas erkannt, das seinen Herzschlag stocken ließ. Dieses Schiff, dieser kleine Zweimaster, das war doch nicht etwa ...?

      "Was zögert Ihr, Stoffmacher?", wollte Adiv eb Aser von ihm wissen. "Hat Euch die `Große Geliebte' nicht gut und sicher nach Sordos getragen?"

      Llauks Knie drohten nachzugeben. Diese massige Gestalt dort an Deck, dieser hünenhafte Mann, der seinen Kopf so merkwürdig schräg hielt ...

      "Kommt!", drängte sein Begleiter. "Kapitän Sed eb Rea wartet nicht gern. Wir wollen ihn nicht unnötig reizen. - Schaut nur, wie Ihr ihn zugerichtet habt mit Eurem Messer!"

      Das war also die Teufelei gewesen, die Llauk insgeheim die ganze Zeit gefürchtet hatte. Mehr als zwanzig Tage lang sollte er diesem Unmenschen ausgeliefert sein, der schon vor seiner Verwundung durch Llauk kein Erbarmen gekannt hatte.

      In einem angstvollen Reflex wirbelte Llauk herum und wollte fliehen. Aber die Männer seiner Eskorte waren darauf vorbereitet und hatten ihn schon nach dem ersten Schritt gepackt. Erstes Gelächter drang aus der Menge.

      "Nun, Gouverneur, geht Ihr freiwillig? - Oder müssen wir Euch die Laufplanke hinaufpeitschen?", raunte Adiv eb Aser ihm zu. "Das würde Euren schönen Kleidern sicher nicht bekommen."

      Llauk gab auf. Willenlos trottete er über das Hafenpflaster zur `Großen Geliebten' hinüber. Unglaublich groß und gefährlich kam der Kapitän ihm vor, wie er so unbeweglich wartend auf dem Deck stand. Der schiefliegende Kopf unterstrich in Llauks Augen nur noch den bedrohlichen Eindruck. Sein Dolch war es gewesen, der die Muskeln und Sehnen im Nacken dieses Mannes durchtrennt hatte. Der Kapitän würde es ihm tausendfach vergelten auf der langen Fahrt.

      Sed eb Rea schaute geringschätzig auf das Häufchen Elend herab, das sich ängstlich und widerstrebend die Laufplanke heraufwand. "Kommt nur, Stoffmacherlein", lud er Llauk mit grollender Stimme ein. "Wir werden eine lustige Überfahrt haben."

      Llauk hätte fast das Gleichgewicht verloren. Gequält stöhnte er auf. `Lustige Überfahrt'? - Er hatte da so seine Zweifel.

      KAPITEL 8 - DIE `SESIOL'

       Jeder Herr sollte besonders auf diejenigen seiner Diener achten, die seinen Namen am lautesten preisen.

      "Wir sind gekommen, euer Geld zu stehlen und eure Weiber zu verführen! Wir wollen eure Haustiere schlachten und eure Kinder mit uns in die Wüste schleppen!"

      Wieder stand Bgobo auf dem tragbaren Podest und sprach vor dem Publikum im Hafen von Isco die `Böse Verheißung'. Immer neue Ungeheuerlichkeiten schleuderte er den Stadtbewohnern entgegen, die seinen Dreistigkeiten, je nach Temperament feixend, oder vor Vergnügen johlend, zuhörten.

      "Seid sicher, dass wir auf euren Märkten stehlen und euer Vieh verderben wollen! In Brand setzen werden wir eure Häuser und die Tore der Stadt dem Feind öffnen! - Wie? - Der Feind steht nicht vor den Toren? Dann senden wir eben Verräter aus und holen ihn!"

      Die Menge kreischte vor Vergnügen.

      "Zuerst aber werden wir euch alle mit dem lähmenden Fieber und dem stinkenden Aussatz überziehen! Und weil ihr dann sowieso nicht mehr sprechen könnt, sagt mir lieber jetzt sofort, ob wir in eurer Stadt willkommen sind!"

      Ohrenbetäubender Applaus beendete Bgobos Rede, der geschickt von der Plattform heruntersprang und einem Jongleur Platz machte. Sieben umherwirbelnde Holzstäbe ließen die Umstehenden die Köpfe einziehen, und wieder umkreisten die Wurfhölzer der Frauen die Masten der Schiffe. Langsam setzte sich der Zug der Gaukler in Bewegung.

      Teri lag leise vor sich hin schluchzend in dem kleinen Zelt auf dem Vorschiff der Kao-lad. Tief hatte sie ihr Gesicht in das weiche Fell der Decke gepresst, die die Kraan ihr zum Abschied geschenkt hatten. Warum war Reisen nur mit so viel Abschiednehmen verbunden? Warum fand man Freunde, die man gleich darauf wieder verlor?

      Teri hatte sich fest