Bernd- Andreas Ulke

CUBANO PANKOW


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      Bernd- Andreas Ulke

      CUBANO PANKOW

      Flucht ist ein Märchen

      Dieses ebook wurde erstellt bei

      

      Inhaltsverzeichnis

       Titel

       1

       2

       3

       4

       5

       6

       7

       8

       9

       10

       11

       Impressum neobooks

      1

      Après minuit.

      Nach Mitternacht.

      Jean- Claude Ansbach blickt durch den Türspion und ist entsetzt.

      „Gottgütiger“, flucht er. Da wäre ihm sogar lieber, die Gesandten des Sicherheitsapparates stünden grimmigen Gesichtes vor der Tür, in ihren Anoraks, unter denen Hemd und Krawatte hervorlugen, mit ihren Aktenkoffern, ihren aberwitzigen Beschlüssen und technischen Utensilien, bereit, alles auf den Kopf zu stellen. Darauf ist er zumindest vorbereitet. Nicht aber auf diesen Anblick.

      „Jean- Claude?“ erklingt eine feminine Stimme, abgedämpft durch die schwere Holzflügeltür. Sie lässt unangenehme Erinnerungen wach werden. Jean- Claude Ansbach steht da in seiner Verzweifelung, eingehüllt in den roten Samt seines Morgenmantels, fasst sich ins Gesicht, schüttelt den Kopf.

      „So eine Unverschämtheit“, raunt er in sich hinein, angewidert, brüskiert. Leise, um hinter der Tür unbemerkt zu bleiben, „Hier einfach in dieser Aufmachung aufzukreuzen. Das ist so unverschämt, so respektlos.“

      Er hält noch das schwere Wodkaglas in der Hand, so rasch hatte er sich nach dem stürmischen Klingeln aus dem Sessel erhoben, war mit seinen eleganten Pantoffeln über die Dielen geeilt, den endlosen Korridor entlang, hatte dabei unter Hochdruck seine Gedanken geordnet und war die Alarmliste durchgegangen, wobei er die auf wenige Maßnahmen beschränkten Stichpunkte alle mit einem Häkchen versehen konnte. Das wichtigste war eh, die Druckmaschinen noch rasch abzudecken, um zumindest im ersten Anschein keinen Verdacht zu erregen.

      Und jetzt das.

      „Nun mach schon auf, Jean. Ich weiß, dass du da hinter der Tür bist. Komm schon. Hab dich nicht so.“, stichelt die Stimme in der für ihn so gewohnten selbstsicheren aber auch liebevollen Weise, der man so schwer etwas abschlagen kann.

      Die Tür öffnet sich schließlich einen skeptischen, unverbindlichen Spalt, der dem späten Gast noch keinen Einlass versprechen soll. Jean- Claudes hageres, faltiges Gesicht lugt garstig hindurch, ein Gesicht mit gezupften Augenbrauen.

      „Sieh mal einer an. Je später der Abend…“, spricht er mit seiner tiefen, krächzenden Stimme.

      Sein Gegenüber hingegen strotzt nur so vor Temperament.

      „Desto netter die Gäste. …Ja willst du mich denn nicht rein bitten?“

      Ein kurzes Aufstoßen schließt den Satz.

      „Musstest dir wohl Mut antrinken. …Na schön…“

      Die hagere Gestalt im seidigen Morgenmantel hängt widerwillig die Sicherungskette aus und läuft tief in die Wohnung zurück, geht bis zum Servierwagen im Wohnzimmer vor, streicht sich dabei über die dünnen, schwarzen Haare, die streng nach hinten gekämmt sind, wie die einer Diva in der Maske. Der Besuch folgt ihm frohen Mutes, mit klackernden Absätzen und grazilem Gang.

      „Auch einen? Du hast ja eh schon ordentlich was intus, wie mir scheint. Aber das macht nichts. …Dann sind wir zu zweit.“

      Jean- Claude ist mit seinen langen Fingern längst an seiner Hausbar zugange, die in so vielen Momenten schon aus dem großen Wohnzimmer mit den stets zugezogenen Vorhängen einen schillernden Pariser Salon gemacht hat. Einen, der in ebensolchen Momenten in schwungvoller Eleganz vom Hausherrn durchschritten wird, während ein Grammofon im Hintergrund Chansons spielt. Noch gleicht der späte Gast für Jean- Claude eher einem Hirngespinst, einer Erscheinung, die er nicht wahrhaben will. Ebendiese Erscheinung sieht sich nun ganz ungeniert um, kaut Kaugummi dabei. Ihre mit Kajal bemalten Augen schweifen durch den Raum, über all die sonderbar bunten Dekorationen, die altmodischen Theaterplakate, antiken Spielzeuge, französischen Werbeschriften. Dann geht sie auf den großen, beleuchteten Schminktisch zu und grinst.

      „Hat sich ja gar nichts verändert hier.“.

      „Was man von dir leider auch behaupten kann. Ich dachte, du wärst inzwischen respektvoller geworden. Um nicht zu sagen, erwachsener. Davon abgesehen, ist es eine Glanzleistung, dass du überhaupt mal wieder vorbeischaust. Mensch, wir hatten klare Absprachen. Wie soll ich denn sonst wissen, ob nicht inzwischen etwas schief gelaufen ist bei dir. Verstehst du das denn nicht? Es ist kein Kinderstreich mehr, was wir hier machen.“

      Der Besuch mustert sich ganz unbeeindruckt dieser Worte im Spiegel und zupft lässig ein paar Strähnen zurecht, macht eine große Blase mit dem Kaugummi, die dann mit einem ziemlich lauten Knall zerplatzt. Das schwere Rot auf den Lippen wird davon in Mitleidenschaft gezogen.

      Ein großer Augenaufschlag flirtet nun direkt in den Spiegel hinein. Ihre Blicke treffen sich.

      „Du hast dir also Sorgen gemacht?“

      Unsanftes Kramen im reichlich vorhandenen Schminkzeug, das in einem geordneten Chaos über den gesamten Tisch verteilt ist.

      „Wo sind denn nur die Lippenstifte, die ich dir von Derrick hab mitbringen lassen?“

      Jean- Claude schüttelt fassungslos den Kopf, schenkt sich nach und setzt sich. Er betrachtet die kokette Gestalt ausgiebig und kann sich der Erkenntnis nicht erwehren, dass sie wirklich echt aussieht. Die engen Jeans, die Stiefel mit dem leichten Absatz und den Strassverzierungen, eine kurze Lederjacke mit Schulterpolstern, die Ärmel leicht hochgeschoben, Ohrringe, die fesche Perücke. Alles ist bravourös inszeniert. Und erst diese Ausstrahlung, die Körperhaltung, die Bewegungen, diese selbstverständliche Natürlichkeit, mit der alles einhergeht. Die klugen grünen Augen blicken dabei verführerisch aus einer mit Kajal geschaffenen Dunkelheit. Das ist Stil, dick aufgetragen wie Kriegsbemalung.

      Das perfekte Trugbild.

      Jean- Claude ist nicht beeindruckt. Er ist erschüttert. Einen Moment braucht er, um Kraft zu schöpfen. Dann sagt er mit neidvollem Grimm:

      „Es gibt Momente, da denke ich, ich habe mich in dir getäuscht, Eduard. So viel Selbstherrlichkeit. Du, … du bist einfach nicht normal.“

      „Ach ja?“

      Die Perücke wird sich vom Kopf gerissen und