Thomas Barkhausen

Die Mondesserin


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noch keine Gedanken gemacht. Die im Laden werden‘s schon wissen.«

      »Das erste Mal bei ihren Eltern?«

      »Jupp, deswegen will ich nicht zu spät kommen.«

      »Versteh ich. Nimm‘s mit den Blumen nicht auf die leichte Schulter. Kauf keinen Standardstrauß, lass dir was einfallen. Geht schließlich um ihre Mutter. Blumenstrauß ist nicht gleich Blumenstrauß, das ist schließlich so was wie deine Visitenkarte.«

      »Er guckt immer noch. Was meinst du damit?«

      »Schau mal, hinzugehn, nen Schein auf den Tisch legen und sagen ›Mach mal!‹ zur Blumenfrau und die macht dann, das kann jeder. Du musst selber ne Idee haben. Was ist denn ihre Lieblingsfarbe? Die der Mutter, mein ich.«

      »Weiß nicht.«

      »Die der Tochter?«

      »Weiß nicht. Rot glaub ich oder schwarz.«

      »Schwarz ist keine Farbe. Schwarz is was anderes.«

      »Dann wohl rot.«

      »Rot is nix für Mütter.«

      »Also?«

      »Gelb und blau und grün von den Stengeln und Blättern und in der Mitte eine weiße Marguerite. So würd ich’s machen.«

      »Ja? Gott, wie lange dauert‘s noch.«

      »Ja, so würd ich’s machen.«

      »Ich glaub, ich kauf Pralinen.«

      »Diät. Mütter sind immer auf Diät. So wie ihre Töchter, nur dass man’s bei ihnen nicht sieht, bei den Töchtern schon. Oder ist sie schon alt?«

      »Nö, nicht so alt. Noch ganz gut in Schuss. Wir ham sie mal beim Einkaufen getroffen. Nette Frau, gut in Schuss, hat nen hübsches Lächeln.«

      »Also, doch Blumen, das is eben was Klassisches. Und wenn sie nen nettes Lächeln hat.«

      »Hat sie.«

      »Aber nimm besser doch kein gelb. Nimm was Blaues und was Rosanes und was Weißes.«

      »Meinst du?«

      »Wollt ihr Kinder?«

      »Noch nicht drüber gesprochen. Ich denk mal ja.«

      »Dann was Rosanes und was Blaues und was Weißes, damit sie sieht, dass du es ehrlich meinst.«

      »Versteh ich nicht.«

      »Weiß is für die Unschuld, deswegen is rot nix für Mütter. Rot is Leidenschaft und Sex, keine Sicherheit, weiß ist gut.«

      »Du hast gesagt, er is gleich hin!«

      »Drängel nicht!«

      »Ich muss los! Du weißt warum.«

      »Der ist zäh«, sagte der Raucher. »Geben wir ihm noch ne Zigarettenlänge! Okay?«

      »Okay.«

      Der Raucher machte sich eine neue Zigarette an.

      »Er sieht uns an!«

      »Das bildest du dir ein. Der sieht nirgendwo hin. Der is nicht mehr hier und noch nicht da, wo er hin soll. Der sieht niemanden an.«

      »Der sieht mich an!«

      »Nein. - Willste noch nen Brandy holen für ihren Vater? Sie hat doch noch nen Vater, oder?«

      »Klar hat sie nen Vater, aber den kenn ich nicht.«

      »Holst du sie ab?«

      »Klar hol ich sie ab, dann fahrn wir weiter zu ihren Eltern.«

      »Sie hat ne eigene Wohnung?«

      »So ein Zimmer mit ner Kochecke und ner Dusche.«

      »Dann frag sie, was ihr Vater am liebsten trinkt und dann haltet ihr noch irgendwo und bringt ihm was mit. Nix zu Teures, das könnt schleimig wirken, aber auch keinen Fusel.«

      »Brandy? Da kenn ich mich nicht aus.«

      »Was Spanisches, kannst auch Cognac nehmen, das is französisch.«

      »Und wenn er Whisky mag?«

      »Dann eben Whisky. Nimm was in der Mitte - vom Preis her.«

      »Und was is mit Wein? Wenn er Wein mag?«

      »Verstehste was von Wein?«

      »Nö.«

      »Dann biste angeschissen. Nimm Cognac. Nen schlechter Wein, auch wenn er teuer ist, damit haste verloren. Immer, wenn er dich sieht, wird er den Geschmack von dem schlechten Wein auf der Zunge haben. Das kriegste nich wieder raus. So wie das mit dem Rot bei den Blumen mit der Mutter.«

      Der Junge grunzte.

      »Okay, dank dir, Partner!«

      »Nix zu danken!«

      »Deine Zigarette is um.«

      »Jup.«

      »Nix gegen dich und deine Regeln, aber ich will nicht zu spät kommen.«

      »Du magst sie.«

      »Ich mag sie.«

      Der Raucher warf die Kippe auf den Boden, er trat sie aus und schob sie mit der Fußspitze neben die erste Kippe. Er stieß sich von der Tischkante ab.

      »Ich geh schon vor zum Wagen.«

      »Okay.«

      Er sah auf den Mann am Boden. Dann ging er durch die Küchentür in den Flur, öffnete die Wohnungstür, stieg die zwei Treppen hinab, öffnet die Haustür, wandte sich nach rechts, ging zum Wagen, öffnete die Fahrertür, ließ sich auf den Sitz gleiten und schnippte sich eine Zigarette in den Mund.

      Erster Brief

      Verehrte Frau Kommandantin,

      die Sie sich Doktor nennen und in der Gestalt eines Generals und Mannes auftreten, jeden Dienstag, was mir unverständlich ist, aber ich werde Ihnen mitteilen, wenn ich es weiß, warum Sie so auftreten.

      Gestern habe ich mit vierhundertundsieben Männern geschlafen, hier in diesem Zimmer. Wenn Sie mir den Töpferkurs nicht verboten hätten, hätte ich von jedem Glied einen Abdruck verfertigt, dann hätte ich vierhundertundsieben Glieder in dem Regal stehen, vielleicht auch in einer Vitrine, wenn Sie eine kaufen würden.

      Immer schon, immer schon, seit Ihre Soldaten kamen und mich abholten und mich in diesen Kerker warfen, fragte ich mich: Warum sind die Kittel der Wärter weiß? Sie gaben nie die rechte Antwort. Denn Hygiene, wofür Hygiene? Ihren eigenen Worten nach kerkern Sie in diesen Mauern die ein, deren Geist Ihnen nicht passt. Sie sagen nicht kerkern, sie sagen nicht nicht passt, sie sagen Worte wohltönend und salbsam und ihre Stimme so voll Verständnis. Doch sie sagen so, wie ich gesagt, nur mit Worten aus dem Buch der Medizin, dem dicken Buch in der toten Sprache geschrieben, an die Sie glauben, verehrte Frau Kommandantin. Hygiene.

      Nun mein Geist ist rein, aller hier Eingekerkerten Geist ist rein, Geist muss nicht desinfiziert werden. Oder vielleicht ist es gerade das, was Sie uns antun wollen?

      Aber nun zum wirklichen Grund der Weißkittel: Nun weiß ich es, darauf sind die Spermaflecken nicht zu sehen, wenn die Wärter Pause machen. Das ist der Grund.

      Sie beorderten mich zu schreiben, was geschieht. Nun also, da Sie, obwohl ein Henker und Einkerkerer der reinen Seelen, doch ein, so unter diesen Umständen möglich, anständiger Mensch sind und mich nie betatschten, tue ich so, wie Sie befahlen, General der Seelenhygienemaschine.

      Ich esse wohl, auch ist der Stuhl so beschaffen wie er beschaffen sein sollte, mehr darf einer Dame nicht gestattet sein zu diesem Thema zu äußern, was Sie sehr wohl, als ein Herr mit Anstand, in dieser Kriegszone verstehen werden.

      Ansonsten