J. U. Gowski

Der König ist tot, lang lebe der König


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beruflich?«

      »Gar nichts. Er war Pensionär.«

      »Okay. Was machte er in der Freizeit?«

      »Nachmittags ging er meist in seine Stammkneipe, den Western Saloon neben dem Fontanehaus. Er hatte eigentlich keine Freunde, nur lose Bekannte. Abends saß er im Wohnzimmer und sah fern.«

      »Sonst nichts weiter?«

      »Doch«, fiel ihr nach einer kurzen Überlegung ein. »Es gibt da so eine Gruppe, in der er Mitglied war. Irgendetwas Ehrenamtliches. Sie trafen sich einmal im Monat.«

      Meyerbrinck sah sie neugierig an.

      »Hat die auch einen Namen?«

      »Ja, sie nennen sich Freunde des Märkischen Viertels.«

      Meyerbrinck zog einen kleinen Notizblock aus seiner Manteltasche und notierte sich den Namen. Er fragte sich, ob das die militante Gruppierung war, von der Van Bergen gesprochen hatte. Anna Mayer entfernte inzwischen den Teebeutel aus der Tasse und legte ihn vorsichtig auf dem bereitgestellten Tellerchen ab.

      »Haben sie Namen, oder kennen sie die anderen Mitglieder.«

      »Namen hab ich leider nicht. Sie waren zu siebent und zwei oder dreimal bei uns. Ich musste dann immer belegte Brötchen machen und das Bier aus dem Kühlschrank bringen.«

      »Die Männer würden sie aber wiedererkennen?«

      »Sicher. Sie wohnen fast alle hier im Viertel. Der eine ist nicht mehr so gut zu Fuß. Ein Widerling mit Glubschaugen und dicken Lippen. Fährt so ein Elektromobil. Bei dem letzten Treffen bei uns hab ich den allerdings nicht gesehen. Vielleicht war er krank.«

      Sie griff zur Teetasse und trank einen Schluck. Meyerbrinck tat es ihr nach.

      »Wann können sie wieder in ihre Wohnung zurück?«, wechselte Meyerbrinck das Thema.

      »In zwei Tagen, hat die Reinigungsfirma gesagt. Dann sieht alles so aus wie vorher. Als ob das so ginge.«

      Sie schluchzte leise. Wobei sich Meyerbrinck nicht im Klaren war, was der Grund war. Selbstmitleid, der tote Ehemann, die verunreinigte Wohnung, die Situation insgesamt oder die Frage, wie es nun für sie und die Familie weitergehen sollte. Meyerbrinck sah sie mitfühlend an und schwieg.

      »Was für ein Leben! In ein fremdes Land geholt, um dann zwischen Zweiraumwohnung und Einkaufszentrum zu pendeln. Sie war mehr Bedienstete als Ehefrau.«

      Meyerbrinck saß mit Koslowski wieder im Büro. Auf Koslowskis Schreibtisch lagen die Mappen mit den Berichten, die ihm Van Bergen gegeben hatte. Er war gerade dabei gewesen sie zu studieren, als Meyerbrinck ins Büro geplatzt war.

      »Und trotzdem scheinbar besser als das, was sie vorher hatte«, sagte Koslowski ohne dabei den Kopf zu heben.

      »Bist du sicher, dass sie das auch so sieht?«, erwiderte Meyerbrinck. Koslowski sah ihn an.

      »Wie sooft ist es die Wahl zwischen Hunger und dem Preis der Freiheit. Ich kann dir sagen, wie sich die meisten Menschen entscheiden würden. Aber trotzdem ein interessanter Einwand. Meinst du, sie kommt als Auftraggeberin für den Mord in Frage?«

      »Du denkst, weil sie Russin ist, hat sie zwangsläufig Kontakte zur russischen Mafia? Was wäre das Motiv? Die Witwenrente?«, fragte Meyerbrinck bissig.

      »Das hab ich nicht gemeint. Wie wirkte sie auf dich?«

      »Erstmal mitgenommen. Und auf den ersten Blick schüchtern, fast devot. Aber ich denke, sie kann auch anders.«

      Meyerbrinck dachte an den wütenden Blick von ihr.

      »Gut. Wir brauchen mehr Informationen über sie, über ihre Ehe. Hat sie einen Liebhaber. Gibt es eine Lebensversicherung usw.? Frederieke soll sich diese Internetplattform anschauen, über die es die ersten Kontakte gegeben hat. Kümmerst du dich darum?«

      Meyerbrinck sah ihn scheel an. War das eine Bitte?

      »Kuck nicht so. Ich kümmere mich um die sogenannten Freunde des Märkischen Viertels. Hab einen Termin mit dem Herrn Schulz. Van Bergen scheint Druck gemacht zu haben. Schulz hat mich um ein Treffen gebeten. Aber wenn er was von uns will, muss er ein paar Infos ausspucken.«

      »Der wird uns nur ein paar Krümel hinwerfen. Nichts weiter«, unterbrach ihn Meyerbrinck.

      Koslowski verdrehte die Augen.

      »Weiß ich doch, Tom. Interessant wird sein, was für gequirlte Kacke er uns erzählen will und noch viel wichtiger: Was er nicht erzählt!«

      10.

      Als Koslowski das Café Doro auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof betrat, klappte er sein altes Handy zu. Der Friedhof in der Chausseestraße befand sich gleich neben dem Bertolt-Brecht-Haus.

      »Na Koslowski, noch kurz telefoniert?«, fragte Schulz.

      Koslowski überhörte die Frage, legte das Handy auf dem Tisch ab und entgegnete: »Warum dieses Café? Wollen sie mich mit ihrer kulturellen Bildung beeindrucken?«

      Schulz sah ihn verständnislos an.

      »Sie wissen schon, was das für ein Friedhof ist, oder?«

      Schulz sah ihn immer noch ratlos an.

      »Scheinbar nicht«, stellte Koslowski fest. »Hier liegt das Who is Who der deutschen Intelligenz. Künstler, Schauspieler, Philosophen, Schriftsteller«, half ihm Koslowski auf die Sprünge. »Aber wie es aussieht, nichts mit kultureller Bildung. Vermutlich haben sie nur ihr Büro nicht aufgeräumt. Das ist ihnen peinlich, deswegen wollten sie mich hier treffen. Ihr Büro liegt doch gleich um die Ecke, stimmts?«

      Schulz sah Koslowski an, als hätte er Zahnschmerzen.

      »Wie lustig. Sie sind ein richtiger Scherzkeks, Koslowski.« Dann etwas ruhiger: »Nein, ich dachte einfach, hier ist es gemütlicher, etwas ungezwungener. Vielleicht können wir unseren Fehlstart vergessen und noch mal von vorne anfangen.«

      Koslowski lachte kurz auf.

      »Und auf wessen Mist ist das gewachsen? Van Bergens?«

      Schulz verzog keine Miene und reichte Koslowski die Hand über den Tisch.

      »Dann sollten wir auch was bestellen«, sagte Koslowski, die dargebotene Hand ignorierend und winkte die junge Kellnerin heran. Schulz seufzte und parkte seine gepflegte Hand auf der Tischdecke. Die Kellnerin sah sie fragend an.

      »Einen Kaffee schwarz für mich. Bitte«, sagte Koslowski. Schulz blickte zur Kellnerin hoch. »Für mich dasselbe.«

      Die Kellnerin wartete noch kurz. Da keine weitere Bestellung kam, stöckelte sie davon. Koslowski hängte seine Parkajacke über die Stuhllehne und setzte sich. Er musterte Schulz kühl.

      »Warum sind wir hier?«

      »Kein langes Vorgeplänkel, was Koslowski?«

      Schulz sah sein Gegenüber lächelnd an. Der lächelte nicht.

      »Na schön. Es geht um den Mordfall Mayer. Ich möchte täglich über den Stand informiert werden.«

      Koslowski lehnte sich zurück.

      »Was ist ihr Interesse an dem Mordfall? Und bitte keine Floskeln, wie, wir interessieren uns für jeden Mordfall, und vergessen sie den Quatsch mit der Staatsanwaltschaft. Das beleidigt mich. Lassen sie die einfach aus dem Spiel, Okay?«

      Schulz nickte. Koslowski konnte an seinem Gesicht sehen, wie er abwog, welche Informationen er Koslowski zukommen lassen sollte und welche nicht. Scheinbar war er zu einem Entschluss gekommen.

      »Es geht um eine Gruppierung. Sie nennen sich »Freunde des Märkischen Viertels«. Wir haben die schon länger auf dem Schirm.«

      »Ihr meint, ihr habt da einen Spitzel. Einen V-Mann.«

      Schulz ging nicht darauf ein.

      Stattdessen