Bernat Fabre

Semana Santa


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einen Zusammenhang geben.

      „Vielleicht wird das Gift ja gar nicht über die Haut aufgenommen. Vielleicht muss man das Wasser trinken. Du weißt doch selbst, wie leicht das beim Schwimmen passiert und beim Toben der Kinder sicher noch schneller. Dient der Fluss vielleicht als Trinkwasserquelle?“

      Was eigentlich Unsinn wäre, denn selbst ein Flecken wie Vilamaniscle war seit Jahren an das öffentliche Strom- und Wassernetz angeschlossen. Lediglich Gas wurde noch in Flaschen gekauft.

      „Verdammt, Jan. Das könnte glatt sein. Die jungen Leute kommen natürlich nicht mehr auf so einen Gedanken, aber die Alten sind da immer noch sehr sparsam. Ich erinnere mich daran, dass ich immer lachen musste, wenn die Cousine meiner Mutter den Wassereimer aus dem Fenster in den Fluss geworfen hat, um ein paar Peseten zu sparen.“

      Das könnte es sein.

      „Ich werde zu Hause mit meiner Großmutter reden und herausfinden, wer wann gestorben ist und ob die Frauen am Fluss gewohnt haben.“

      „Und ich kümmere mich um die Wetteraufzeichnungen aus den vergangenen Jahren. Wir müssen herausfinden, wann jeweils die Schneeschmelze in den Bergen eingesetzt hat.“

      Das klang wie ein Plan.

      Einen halben Tag später hatten wir sogar ein Ergebnis.

      ZEHN

      „Hattet Ihr was zusammen?“

      Wir waren auf dem Wege nach Palau Saverdera, wo ich im Restaurant Midas einen Tisch im Garten reserviert hatte. Dort würden wir Miriam Creus treffen, Major der Guardia Civil und Leiterin der Comandantura Figueres, um ihr unsere Theorie von der Umweltkatastrophe und Vergiftung des Flusswassers in Vilamaniscle vorzutragen.

      „Also?“ hakte Montse nach als ich nicht gleich antwortete.

      „Wie kommst Du darauf?“

      Klägliches Ablenkungsmanöver, natürlich erfolglos.

      „Weil es eines einzigen Anrufes bedurft hatte, um dieses kleine Stelldichein zu arrangieren. Man ruft aber nicht einfach mal bei der Guardia an und trifft sich mit der Kommandantin zum Abendessen – es sei denn man heißt vielleicht Jordi Pujol.“

      Ich tat einen vernehmlichen Seufzer. Was Beziehungsfragen angeht haben Frauen einfach einen feineren Instinkt und Montse war daran gemessen ein Bluthund.

      „Miriam und ich waren einen Sommer zusammen.“

      „Aha!“ kam es triumphierend zurück als hätte ich gerade gestanden, der eigentliche Drahtzieher der Anschläge vom 11. September gewesen zu sein.

      „Und wer hat Schluss gemacht?“

      „Miriam. Sie war 18 und ich nur ein Jahr jünger. Mit meinen Eltern machte ich damals Anfang der 80er zum ersten Mal Urlaub an der Costa Brava, als es hier noch kaum Tourismus gab. Ihre Mutter betrieb ein kleines Restaurant und ihr Vater war ein schwergewichtiger Immobilienmakler aus Barcelona, der diese Gegend erschließen wollte. Miriam und ich mochten uns wirklich, aber irgendwann kam sie dahinter, dass uns unsere Väter verkuppeln wollten und noch am gleichen Tag war alles zu Ende.“

      „Sehr konsequent.“

      „Tja, wie alles was Miriam anpackt.“

      „Und Dich hat das nicht gestört?“

      „Wie denn? Ich hatte von allem nichts mitbekommen. Als ich davon erfuhr, fand ich es auch Scheiße, aber ich hätte Miriam nicht zum Teufel gejagt.“

      „Asi son los tiempos.“ So sind die Zeiten.

      „So kann man es auch sagen. Ihr Vater war ein Machtmensch, der alles beherrschen wollte, bis hin zur Auswahl des richtigen Partners für seine Kinder.“

      „Cabrón.“

      Ich nickte nur, Arschloch war sicher eine zutreffende Beschreibung meines Beinahe-Schwiegervaters.

      „Und wie ging es dann weiter?“

      Wir hatten die Stadtgrenze von Roses verlassen, aber statt Gas geben zu können, musste ich hinter einem betagten Corsa dümpeln, welchem dem Augenschein nach jede Sekunde sein letztes Zündkerzenlicht ausgehen konnte. Entweder fahren die Katalanen wie tollwütig oder wie im Tiefschlaf.

      „Sie hat ihren Weg gemacht“, nahm ich den Faden wieder auf. „Wenn ich richtig gezählt habe, hat sie drei Kinder aus zwei gescheiterten Ehen. Sie hat als erste Frau in der Guardia den Rang eines Majors erreicht und wurde zum Dank von ihren begeisterten Vorgesetzten auf diesen abgeschiedenen Außenposten abgeschoben.“

      „Und knistert es noch bei Euch?“

      Ich zuckte mit den Achseln. „Wir haben es noch einmal miteinander versucht, aber wir hatten uns wohl in zu unterschiedliche Richtungen entwickelt. Gelegentlich treffen wir uns zum Essen – wie heute – und plaudern über alte Zeiten – mehr ist da nicht.

      Remember Harry and Sally. Tatsache ist, dass Miriam noch immer eine wunderschöne und herausfordernde Frau ist, der sich kein Mann so ohne weiteres entziehen kann.

      „Hm.“ Beredter konnte ein Zweifel nicht zum Ausdruck gebracht werden. Ich lenkte den Hummer auf den kleinen Parkplatz und fand zu meiner Überraschung eine Lücke, die groß genug für meinen Panzer war. Mario, der Patron, nahm uns schon am Eingang in Empfang und schüttelte Montse artig die Hand, ehe er mich in die Arme schloss. Gut solche Freunde zu haben. Für uns war etwas abseits des Geschehens an einem Tisch unter einem gewaltigen Olivenbaum eingedeckt worden. Montse war angemessen beeindruckt und ich fühlte mich ausgerufen, mit meinem angelesenen Wissen aufzutrumpfen.

      „Diese Finca hat einst zum Kloster San Pere de Rhodes gehört. Hier wurden die Pferde gewechselt, wenn den Mönchen Proviant in die Berge gebracht wurde.“

      „Es ist wunderschön hier.“

      Und Du bist wunderschön, Montse, dachte ich. Eine buntgescheckte Katze strich um ihre Füße und verschwand dann zwischen den hohen Oleanderbüschen, die schon Blütenstände in weiß, rot und rosa trugen. Ich hatte mit einem Mal das tiefe Gefühl zu Hause zu sein.

      Miriam ist eine Frau, der der große Auftritt fremd ist. Tatsache ist, dass sie ihn auch nicht nötig hat. Für den heutigen Abend – und vielleicht um den privaten Anlass zu unterstreichen – trug sie statt der strengen Uniform der Guardia einen dunkelblauen Hosenanzug mit halbhohen Pumps, eine sportliche Bluse und als einzigen Schmuck eine Perlenkette. Das lange honigfarbene Haar hatte sie zu einem Zopf geflochten, der ihr locker über der Schulter hing. Zur Begrüßung küssten wir uns auf die Wangen und auch die beiden Frauen tauschten einen freundlichen Händedruck aus. Eine Flasche eisgekühlter Cava aus dem Hause Valdemosa lockerte die anfangs etwas angespannte Atmosphäre und mit einer gewissen Erleichterung lehnte ich mich zwei Augenblicke zurück, als auch Montse und Miriam begannen, ein wenig Small Talk zu machen, denn mir war nicht entgangen, dass meine neue Freundin diesem Treffen mit gemischten Gefühlen entgegen gesehen hatte – und dies nicht wegen der mehr oder wenigen intimen Erfahrungen, die Miriam und ich miteinander teilten.

      Auf Bruscetta mit Tomaten und einem Carpaccio vom Seeteufel folgte ein wunderbares Filet vom Turbo, das mit trockenem Reis und mediterranem Gemüse gereicht wurden. Das ganze wurde durch einen vorzüglichen Chardonnay aus der Navarra abgerundet. Mein Gott – ging es mir gut. Es war schließlich Miriam, die mich wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholte.

      „Jan, Montse, so sehr ich einen Abend wie diesen zu schätzen weiß: Ihr habt um dieses Treffen gebeten, weil es ein Problem gibt, um dass sich vielleicht die Guardia kümmern sollte?“

      Ich stocherte ein wenig planlos in den Resten meiner Crema Catalana herum und wusste nicht so recht, wie ich anfangen sollte. Und das, obwohl Montse und ich unsere Geschichte schon tausendmal durchgegangen und auf Lücken überprüft hatten. Aber es ist eine Sache, wenn wir beide unsere Überlegungen teilen, und eine völlig andere, dies einem anderen zu erzählen, insbesondere dann wenn der andere ein hochrangiger Polizeioffizier Ist. Dass Miriam