Bernat Fabre

Semana Santa


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alten Tage damit anfangen? Rauchen ist allerdings das einzige Laster was mir abgeht. Folglich ging ich die Alternativen durch: Essen und Trinken hatten wir schon, Spielen macht mir keinen Spaß, was dann folglich schnurstracks die Gedanken auf das weibliche Geschlecht bringt. Frauen. Guter Gedanke. Der limbische Teil meines Gehirns zauberte unmittelbar Vorstellungen von üppigen Blondinen vor mein geistiges Antlitz, die verführerisch gewandet auf hochhackigen Pumps vor mir flanierten und die Strapse blitzen ließen. Tja, eben Männerphantasien – leicht zu durchschauen und mental einfach gestrickt. Andererseits zeigte die Uhr deutlich an, dass es zügig auf Mitternacht zuging und Männer meines Alters nun eigentlich Pyjama und Zipfelmütze ergreifen sollten. Andererseits, wenn Du merkst, dass die Lebensuhr nicht mehr länger langsam tickt, sondern die Zahlen mit der Geschwindigkeit eines Ventilators rückwärts laufen, dann bekommen Begriffe wie „später“ und „schlafen“ eine ganz andere Bedeutung. Bekanntlich gilt, wer früher stirbt ist länger tot.

      Also zahlte ich die stattliche Zeche und begab mich zu meinem fahrbaren Untersatz, der aus der Summe der Nobelklassekarossen und Sportwagen im Ferrari-Look herausragte, wie Pferdescheiße aus Dagobert Ducks Goldspeicher. Zugegeben, ich hätte den Hummer H3 wenigstens waschen können, aber inzwischen setzte sich meine anarchistische Ader immer stärker durch und mir machte es Spaß, den Erwartungen meiner Umwelt gerade nicht zu entsprechen. Also startete ich den Motor, ließ die Batterie Flakscheinwerfer aufleuchten und rollte bedächtig vom Parkplatz, wobei der Hummer eine Lautstärke entfachte, die auch einem anrückenden Panzerbatallion alle Ehre gemacht hätte. Wie bitte? So eine Kiste verbraucht doch eine Unmenge Benzin? Allerdings. Grob gerechnet, würde mich das Teil binnen Jahresfrist verarmen lassen, aber nach den aktuellen Perspektiven musste ich mir darüber wohl keine Sorgen machen. Und was die globale Erwärmung anging, hatte ich derzeit andere Sorgen. Retten wir die Welt mal im nächsten Leben. Problematischer in diesem Augenblick waren zwei ganz andere Dinge: Die Strecke vom El Bulli zurück in die Stadt ist kurvig wie ein Alpenpass und dabei völlig unbeleuchtet. Meine Promille eingerechnet also eine gute Gelegenheit, den Sensenmann auf die Schippe zu nehmen und noch ein bisschen eher die Seiten zu wechseln. Abgesehen davon stellte sich die ganz praktische Frage, welches Sündenbabel denn noch zu dieser nachtschlafenden Stunde dem sexhungrigen Manne Entspannung bieten könnte. Ich ging gedanklich die Liste der Möglichkeiten durch, welche selbst in der Hochsaison erstaunlich kurz ist. Die nächste Location wäre das Tucan in Castello de Ampurias gewesen, wenn die Guardia es nicht vor einem halben Jahr hoch genommen hätte. Drogen hieß es – vielleicht auch nur schlechtes Karma. Also blieb nur das Moonglow übrig, ein komfortabler Puff direkt gegenüber der Autobahnauffahrt Richtung französische Grenze. Das war gut und gerne 40 Minuten zu fahren, also gab ich Stoff.

      ZWEI

      Lassen Sie mich eins klar stellen: Ich bin weder ein Wüstling noch ein regelmäßiger Puffgänger. Mit meinen eins-neunzig und einer halbwegs durchtrainierten Figur muss ich mich auch nicht in der Geisterbahn verstecken. Aber nach der Trennung von Ingrid und der heraufziehenden Scheidung war mein Interesse an einer neuen dauerhaften Bindung ungefähr so groß wie an einer Darmspiegelung und für One-Night-Stands ist zugegeben mein Flirtfaktor nicht groß genug. Dann lieber ein sauberer Deal: Sex gegen Cash.

      Es war kurz vor eins als ich auf den Parkplatz des Moonglow einbog. Erstaunlich, wie viele Nachtschwärmer unterwegs waren. Es wimmelte von Kennzeichen aus der Provinz Girona, aber auch viele Fahrzeuge mit französischen und deutschen Nummernschildern waren vertreten. Ich entschied mich aus einer Laune heraus gegen den Parkplatz und parkte den Hummer in einer Nebenstraße unter einer Straßenlaterne, die ihren Dienst offenbar nur unwillig versah und blinkte wie ein Weihnachtsstern. Nachdem mich zwei muskelbepackte Glatzköpfe für hinreichend zahlungskräftig und wenig stunkverdächtig eingestuft hatten, was ihre beiden Gehirnzellen wohl für den Rest der Nacht an die Kapazitätsgrenze getrieben haben dürfte, konnte ich endlich das Vestibül des schmucken Etablissements betreten, welches schon bessere Zeiten gesehen haben musste und den dezenten Charme der Siebziger Jahre des vergangenen Jahrtausends atmete. Nichts Böses ahnend wollte ich mir den Weg durch plüschige Vorhänge aus Pseudosamt bahnen, als sich mir eine zarte Hand um die Hüfte legte. Die Freude über die charmante Begrüßung verging indes wie eine Erektion im Angesicht von Queen Elisabeth, als ich die Eigentümerin des in rot lackierten Krallen endenden Greifinstruments als spätes Mädchen identifizieren musste, die ihr Verfallsdatum schon zu Zeiten des 2. Weltkriegs überschritten haben durfte. Die Zombiedame nötigte mir jedenfalls 15 Euros ab und drückte mir als Zeichen freundlichen Entgegenkommens eine schmuddelige Papierserviette in die Hand, die man mit ausreichend viel Phantasie als Verzehrgutschein interpretieren konnte. Nun sollte meinem Besuch im Reich der Sinne nichts mehr entgegenstehen.

      Und ich war nicht einmal enttäuscht. Unter dem trägen Licht einer Diskokugel (auf welchem Flohmarkt mochte man die wohl ausgegraben haben), räkelten sich an die zwanzig leicht bekleidete Damen auf leicht verschlissenen Barhockern oder lümmelten sich in den mit rotem Samt ausgeplüschten Séparées, teilweise in männlicher Begleitung, teils auch miteinander beschäftigt. Erst mal die Lage checken, lautet die Devise der erfahrenen Partylöwen. Also lehnte ich mich locker mit dem Rücken an die Bar, wobei mein professioneller Gesichtsausdruck nur dadurch etwas litt, dass ich in einer Bierpfütze ausglitt und um ein Haar mit dem Hinterkopf den Tresen geknutscht hätte. Was natürlich zu einem gesammelten Heiterkeitsausbruch führte. Nicht schlecht für den Beginn einer Comedyshow. Ziemlich blöd für den heutigen Abend. Es konnte eigentlich nicht schlechter beginnen. Doch, konnte es. Abermals tasteten die bekannten Gic htgriffel nach mir und ich musste erkennen, dass besagte Dame inzwischen zur Barkeeperin mutiert war. Im dezenten Licht des Barbereichs musste ich auch eine Korrektur der Altersbestimmung vornehmen: zweiter Weltkrieg war unmöglich zu halten, Dreißigjähriger Krieg wesentlich wahrscheinlich. Ich fragte mich kurz, ob die Dame einer Radiokarbonbestimmung überhaupt zugänglich war.

      Nachdem mein bevorzugter Weißwein bedauerlicherweise nicht zur Verfügung stand („Bedaure, der Importeur hat derzeit Schwierigkeiten mit dem Zoll“), einigten wir uns schließlich auf den Ausschank einer Flasche Bier -da kann selbst so ein Schuppen nichts dran verderben. Das Glas war sogar gekühlt und auch wenn ich mir aus Gerstensaft sonst nicht viel mache, schmeckte das Zeug ganz ansprechend. Gelegenheit genug zwischen den Schlucken mal die landschaftlichen Schönheiten zu betrachten. Und da gab es einiges zu tun. Blonde, Brünette, Schwarzhaarige. Keine kleiner als eins-fünfundsiebzig (na ja, mindestens 10 cm musste man für die Stilettos wohl abziehen). Sorgfältig geschminkt, dezent gekleidet, d.h. in diesen Breiten nicht vollständig nackt. Eine Dame führte akrobatische Verrenkungen an einer Turnstange durch, die gynäkologische Einblicke erlaubten. Ich schätze, dass keines der Mädels älter als 25 war. Für meinen Geschmack erheblich zu jung, ich bin doch nicht pädophil veranlagt; viele der jungen Frauen waren allenfalls ein, zwei Jahr älter als meine eigene Tochter. Das ging nun gar nicht.

      „Na, junger Mann, wie wäre es denn mit unserer Alexandra, einer waschechten Ärztin aus der Ukraine, da liegen Sie garantiert richtig.“ Augenkneifen. Wiederholung. Etwa ein Kilo Gips bröckelte aus dem Bereich zwischen Augenbrauen und Nasenflügel des Barzombies. Ich würde den Stuckateur wechseln.

      „Oder hier Magda, unsere Amazone aus den Tiefen des brasilianischen Dschungels. Zum ersten Mal in Europa. Sie kann Ihnen Dinge zeigen, von denen Sie gewiss noch nie geträumt haben“. Garantiert. War die überhaupt echt?

      Ich trank mein Bier aus und wollte den Abend schon unter „unerfüllte Leidenschaften“ abhaken, als ich sie sah. Hätte sich nicht gerade ein Freier erleichtert und die Tür zur Toilette offen gelassen, so dass der Schein der einsamen Glühbirne in die Nische fiel, mein Leben hätte einen anderen Verlauf genommen. Ich weiß nicht was mich in diesem Moment mehr anzog: die schlanke wohlgeformte Gestalt in dem klassisch geschnitten schwarzen Kleid, die schulterlangen blonden Haare oder das schmale Gesicht, das in einer Pose wie bei Rodin fest auf ein Buch gerichtet war. Ja, Sie haben richtig gehört. Die Frau las in einem Buch. Ich gebe zu, dass ich bis zu diesem Augenblick davon ausgegangen war, dass bücherlesende Prostituierte ungefähr so zahlreich auf diesem Planeten sind, wie Nonnen mit Brustwarzenpiercings.

      Der Hausmumie war mein Interesse an ihrer bildungshungrigen Mitarbeiterin nicht verborgen geblieben, versuchte mein Augenmerk jedoch