Emma Schneid

Gefangen in der Finsternis


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gewonnene Freiheit gewöhnen.

      Ich habe bereits meine Fühler ausgestreckt und konkrete Angebote eingeholt, die wir in den nächsten Tagen besprechen. Nach dem Du Dir durch die Vorstellungsgespräche ein Bild gemacht hast, helfen wir Dir gerne, die richtige und beste Entscheidung zu treffen.“ Lora ergänzte diese lange Rede: „Ich habe auch mit meinem Onkel gesprochen. Catlyn kann auch bei mir in der Bibliothek einen Job haben.“

      Damit beenden sie dieses Thema, um Catlyn nicht zu verunsichern.

      V.

      Dr. Piescher holt aus dem Fach im Wohnzimmerschrank, wo die Bar untergebracht ist, eine Flasche Whisky, er wählt den Bourbonen, der auch für die Frauen nicht zu herb ist. Er gibt Peter einen kleinen Schubs, blinzelnd fordert er ihn auf: „komm, hol uns Gläser, damit wir auf Catlyn und ihren Neubeginn anstoßen können.“ Peter geht zum Wohnzimmerschrank, der im Barockstil gehalten ist, sein Nussbaumholz ist mit Politur gewienert, dass man sich darin spiegeln kann. Er nimmt aus einem der oberen Fächer der integrierten Glasvitrine vier Whiskygläser Bleikristall mit wertvoller Handgravur und stellt diese auf den Tisch.

      Dr. Piescher schenkt ein und die drei Freunde prosten Catlyn zu: „Auf Catlyn und Ihr neues Leben!“ und trinken auf Ex aus. Dr. Piescher schenkt sofort nach. Aus den Augenwinkeln beobachtet er seinen Schützling. Mit graus gezogener Stirn beobachtet er, dass Catlyn mit ihrer Serviette spielt, nervös zu einer Rolle dreht, tief in Gedanken versunken.

      Lora wendet sich Catlyn zu: „Du gehst am Besten gleich morgen in die Innenstadt zu einem Einkaufsbummel, kehrst danach in einem gemütlichen Café ein, kommst anschließend in die Bibliothek und wir tratschen ein wenig. Selbstver-

      ständlich bringe ich Dich vor Dienstbeginn bis zur Fußgängerzone.“ Cat aus ihren Gedanken gerissen, meint: „Das ist eine wunderbare Idee und wir schlagen gleich zwei Fliegen mit einer Klappe. Ich habe mein Vergnügen und befolge gleichzeitig Dr. Piescher Therapieverordnung.“ Catlyn und Lora lächeln sich verschwörerisch zu.

      Peter sitzt mit übereinander geschlagenen Beinen auf dem bequemen Sofa, sein halbvolles Glas in der Hand, hört er den Anderen zu.

      Dr. Piescher, der in einem Sessel Platz genommen hat, greift nach seinem Glas auf dem Couchtisch. Bevor er das Glas umfassen kann, kippt dieses nach hinten etwas weg, als will es verhindern, dass es von ihm berührt wird. Er lässt sich davon nicht abhalten und schnappt mit der rechten Hand das Glas. Im gleichen Moment zerspringt dieses. Einige Splitter bohren sich in Dr. Piescher Innenhand, andere springen in sämtliche Richtungen. Die größeren Scherben jedoch halten auf Catlyn zu, die in einiger Entfernung dem Geschehen entsetzt zu-sieht und ist nicht in der Lage zu reagieren oder sich zu schützen.

      Unmittelbar, bevor sich die Scherben in Catlyns Gesicht bohren können, stoppen diese wie durch Geisterhand aufgehalten, schweben kurz frei in der Luft und fallen dann zu Boden. Das Klirren, als die Scherben aufschlagen ist überlaut.

      In der nun folgenden Schrecksekunde hört man nur das Knistern und Krachen des Kaminholzes, das plötzlich hoch aufflammt und einen nach Schwefel riechenden Geruch verströmt.

      Lora fasst sich als Erste und schiebt Dr. Piescher vor sich her in die Küche. Es tropft bereits Blut aus seiner verwundeten Hand und es entstehen ungewöhnlich groteske Blutflecken auf Tisch und Boden. Über die Schulter sprechend beruhigt der Verletzte die Zurückbleibenden: „Es ist nicht schlimm! Es ist Alles o.k.!“ Lora und Dr. Piescher säubern die Handinnenfläche von den eingedrungenen Glassplittern und Lora legt einen Verband an.

      Bevor Catlyn die Küche betritt, fragt Lora Dr. Piescher: „Was um Alles in der Welt war Dies eben?“ Er gibt zur Antwort: „Im Moment verstehe ich es auch nicht, aber es gibt bestimmt eine logische Erklärung dafür.“

      Da ertönt auch schon Catlyns Stimme: „Alles o.k. bei Euch? Kann ich helfen? Sind die Verletzungen schlimm?“ Dr. Piescher legt beruhigend seinen Arm um Catlyns Schulter und meint: „Aber ja, Alles halb so schlimm, mach Dir keine unnötigen Gedanken“, und zur Ablenkung schlägt er vor: „Komm wir räumen jetzt gemeinsam auf, bevor Peter und ich gehen.“

      Bereits eine Stunde später verabschieden sich Peter und Dr. Piescher von den beiden Frauen.

      VI.

      Nach dem sie den Männern nachgewunken haben, so lange, bis von den Autos Nichts mehr zu sehen ist, kehren sie zu zweit ins Haus zurück und setzen sich ins gemütliche Wohnzimmer auf die bequeme Sitzgruppe.

      Catlyn eröffnet die Unterhaltung: „Es war ein wunderschöner Tag und dafür danke ich Dir sehr. Bei der Gelegenheit will ich Dir auch von ganzem Herzen Danke sagen, für a l l die zurückliegenden Jahre, in denen Du zu mir gestanden bist, mir sehr geholfen hast, damit ich das Ganze überstehen und darüber hinweg kommen konnte.“ Lora wehrt bescheiden ab: „Dafür brauchst Du mir nicht zu danken. Weist Du, es geschah und geschieht Alles aus Freundschaft und Zuneigung und ich bin glücklich Dir helfen zu können. Wir beide legen jetzt los, das Versäumte nach zu holen. Das wird uns viel Vergnügen und Spaß bringen.“

      Während sie so spricht, schlendert sie zum Kamin und stellt sich davor, um die Wärme des Feuers auf ihrem Rücken zu genießen. Es ist so wohlig angenehm. Sie betrachtet ihre Freundin, die in Gedanken versunken ist und still in sich hinein lächelt, sich räkelnd auf das Sofa kuschelt. Lora ist neugierig: „ Wo bist Du mit Deinen Gedanken? Lass mich daran teilhaben.“ Catlyn verträumt: „Ich überdenke den Tag und empfinde ihn rückblickend als wunderschön.“ Lora stutzt: „Aber Etwas stört Dich, oder?“ Catlyn gibt zögernd zu: „Ja, mir geht der Vorfall mit Dr. Pieschers Glas nicht aus dem Kopf, es war so unwirklich.“ „Wie Dr. Piescher schon sagte, es gibt dafür eine physikalische und logische Erklärung und so was kann schon mal passieren.“

      Catlyns Blick ist in die Ferne gerichtet und mit vor Angst belegter Stimme fragt sie: „Und wenn das Er war?“

      „Wer war?“

      Catlyn: „Der Mann aus meinen Träumen, Du weist schon.“ Lora nun zornig erregt: „Sofort hörst Du damit auf! Du weist sehr gut, dass das nur Träume waren und Du darfst da nicht mehr hinein interpretieren.“ Catlyn erwidert nun ebenfalls heftig: „Lora! Ich habe versucht zu akzeptieren, dass ich Alles nur geträumt habe, dass weder die schönen Träume, noch der Alptraum, nichts mit der Realität zu tun haben. Aber doch spüre ich in meinem Innern, dass Alles genau so in Wirklichkeit geschehen ist und dieser Mann auch irgendwie existiert.“ Lora nun beschwichtigend: „Catlyn, wenn es Dir hilft und wenn Du willst und auch kannst, erzähl mir Deine Träume. Das, was Du dabei gefühlt hast. Du weist, ich habe Dich nie danach gefragt, denn ich war und bin der Überzeugung, es ist besser für Dich, wenn Du nicht mehr daran erinnert wirst. Ich bin derselben Meinung wie Dr. Piescher, Du musst Alles mit Hilfe eines Spezialisten aufarbeiten und verarbeiten.“

      Catlyn lässt die Worte auf sich wirken und antwortet nach einer geraumen Weile: „Lora, ich sehe in Dir eine Schwester, und ich weiß sehr wohl, dass Du es immer warst und bist. Doch ich erwarte nicht, dass Du glauben kannst, was ich Dir nun erzähle. Aber vielleicht hilft es Dir, dass Du mich besser verstehen kannst. Also höre mir bitte zu.“ Lora will jedoch vorher wissen: „Hast Du es Dr. Piescher schon erzählt?“ Catlyn: „ Ja gleich zu Anfang, als ich durch das Gericht in die Klinik verbracht worden bin. Ich war damals überzeugt, dass er mir, wenn auch nicht gleich, aber im Laufe der Zeit, glauben wird. In meinem Innern bezweifelte ich selbst, dass jemand meine utopisch klingende Geschichte glaubt.

      Weist Du, als es mit meinen Träumen begann, war es für mich ein wunderschöner Traum, aus dem ich entspannt und glücklich erwachte.

      Dem ersten Traum folgten viele dieser schönen Träume, in denen ein Mann, ein faszinierender Mann vorkam.

      Er war groß, schlank, doch muskulös, seine pechschwarzen Haare waren gelockt und sehr gepflegt, sein ebenmäßiges, gebräuntes Gesicht strahlte Willensstärke aus, seine dunkelblauen Augen drückten Interesse und Verstehen aus, seine wohlgeformte, schlanke Nase und sein sinnlicher, voller Mund verhießen einen Adonis. Seine gepflegten