Emma Schneid

Gefangen in der Finsternis


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erfüllte mir all meine Wünsche und Träume, die für mich unerreichbar waren und noch sind.

      Kurz gesagt, ich verliebte mich in diesen Mann in meinen Träumen. Er gab mir darin unsagbare Zufriedenheit und erfüllte mich mit Glück. Natürlich wusste ich verstandesmäßig, dass es nur fantastische Träume sind und in mir wuchs die Angst und Sorge, wenn ich so weiter träume, dass ich den Bezug zur Realität und meinem wirklichen Leben verliere und dadurch mein eigentliches Leben nicht mehr meistern kann.

      Bewusst wandte ich mich wieder mehr Karl, meinen Freund und Geliebten, zu. Lud ihn zu mir ein und wir verbrachten einen schönen Abend, der in meinem Bett endete.

      An den Abend, an dem das Schreckliche geschah, schlief ich in Karls Armen ein und doch begann wieder einer meiner zur Gewohnheit gewordener Traum. Wie immer war er zuerst wunderschön. Der Mann umwarb mich, zeigte mir die schönsten Dinge.

      Aber plötzlich veränderte sich Alles.

      Der Mann aus dem Traum zeigte mir seine Eifer-

      sucht auf Karl, er wütete gegen meine Untreue, dann tötete er Karl mit einem Hieb.

      Schweißgebadet und mit großem Entsetzen erfüllt schreckte ich aus diesem Alptraum und suchte Schutz und Trost bei Karl. Ich wollte ihm all meine Träume, auch von dem letzten, der so grausam endete, erzählen. Deshalb rutschte ich näher zu Karl, wollte mich an ihn kuscheln und zog deshalb die Bettdecke hoch.

      Du kannst Dir nicht vorstellen, wie es mich getroffen hat, Karl tot zu sehen. Ich war so verstört und trotzdem rief ich sofort unseren Hausarzt und die Polizei. Was ich mir davon erhoffte, kann ich heute nicht mehr nachvollziehen.

      Der Rest der Geschichte ist Dir ja bekannt.“

      Aus Catlyns Augen fließt ein Tränenstrom und so entgeht ihr, wie schockiert Lora sie anschaut, sich vor Entsetzen nicht bewegen kann, sie spürt nicht mehr die Wärme, die der Kamin ausstrahlt. Lora kann auch nicht sehen, wie sich aus einer züngelnden Flamme eine Hand bildet und nach ihr greift. Kurz bevor die Hand sie berühren kann, setzt sie sich in Catlyns Richtung in Bewegung und die Hand zieht sich wieder ins Feuer zurück.

      Lora nimmt Catlyn in die Arme und wiegt sie beruhigend hin und her und spricht besänftigend auf sie ein: „Schon gut Cat, es ist wieder gut! Ich glaube Dir, obwohl Alles unwirklich klingt, bin ich überzeugt, dass Du es als wirklich empfindest. Nach dem Erlebten von heute Nachmittag glaube ich Dir, dass etwas Unheimliches vor sich geht und ich will und werde Dich beschützen.“

      Catlyn und Lora sitzen noch eine geraume Weile auf dem Sofa, suchen in einer Umarmung Trost und Schutz, das gemeinsame Schweigen tröstet beide.

      Lora ist über ihren Entschluss froh, Catlyn nicht allein in der Nacht zu lassen. Beide gehen Hand in Hand ins Obergeschoss. Dort trennen sie sich mit einem Gutenachtgruß und gehen auf ihre Zimmer.

      VII.

      Catlyn liegt zum ersten Mal nach vielen Jahren in ihrem eigenen Bett. Sie fühlt Erleichterung, dass nun auch Lora ihre Geschichte kennt. In Ihr breitet sich das Gefühl aus: Endlich nachhause gekommen zu sein. Sie kuschelt sich noch tiefer in ihr Kissen und denkt befreit:

      N i e m e h r, von der Krankenschwester gestört oder beobachtet werden!

      N i e m e h r, beim Aufwachen das Geschrei und Gezeter einer Zimmergenossin hören!

      Während sie in den Schlaf gleitet, stellt sie sich den morgigen Einkaufsbummel durch die Innenstadt in den schönsten Farben vor.

      Die Uhr schlägt Mitternacht und es ist, als erwache das Haus und birgt nun geisterhaftes Leben.

      Die bis dahin angenehme Luft nimmt einen schimmeligen, modrigen und erdigen Gestank an. Das fast verglommene Feuer im Kamin entfacht zu voller Stärke, schattige Gestalten huschen von Ecke zu Ecke und quellende, weiße Luftschwaden kommen aus allen Richtungen.

      Die Eingangstür öffnet sich wie von Geisterhand und in dichte Nebelschwaden eingehüllt, betritt etwas Unsichtbares das Haus. Schwer atmend und mit bleiernen Schritten bewegt es sich, am Wohnzimmer vorbei, der Treppe zu.

      Am Knarren der Holzstufen erkennt man, dass sich mit schwerem Gewicht etwas nach oben bewegt, das Zimmer von Catlyn erreicht. Durch eine unsichtbare Hand wird die Schlafzimmertüre geöffnet, Etwas drängt sich in das Zimmer und die Türe wird von innen geschlossen.

      VIII.

      Sechs Uhr früh. Der Wecker klingelt schrill und weckt Lora aus einem traumlosen, erholsamen Schlaf. Ausgeruht und guter Laune springt Lora aus ihrem Bett und macht sich gleich auf den Weg, Catlyn zu wecken. Sie eilt auf nackten Füssen zu Catlyns Zimmertür, klopft kurz an, wartet aber auf keine Antwort. Als sie die Türe öffnet, verspürt sie Eiseskälte, die sie umfasst und begleitet, bis sie die Vorhänge erreicht und behände aufzieht. Das Sonnenlicht erhellt sofort alle Winkel des Raumes und sie glaubt zu erkennen, dass sich Schatten wie fliehende Ratten in die Wände zurückziehen und etwas Gewaltiges und Bedrohendes sich zurück nimmt.

      Catlyn öffnet verschlafen und träge die Augen und hört Lora, die munter hervor sprudelt: „Aufstehen meine Süße, es wird allerhöchste Zeit, wenn ich nicht zu spät zur Arbeit kommen will. Wie hast Du geschlafen?“ Catlyn murmelt noch ganz schlaftrunken: „Ich denke gut, aber ich könnte noch weiter schlafen, ich fühle mich noch ganz schlapp.“

      Catlyn hat das Gefühl, traumlos geschlafen zu haben und steht langsam auf. Lora sieht Blutflecken auf Catlyns Nachthemd und Betttuch, sie macht Catlyn erstaunt darauf aufmerksam und wundert sich im Stillen über die Farbe des Blutes. Catlyn ganz verschämt und irritiert: „Oh, ich habe Nichts gemerkt und meine Tage hatte ich erst. Es ist schon ungewöhnlich, denn sonst habe ich doch starke Unterleibsschmerzen und Krämpfe. Komisch ich spüre gar nichts davon.“ Bei diesen Worten schüttelt sie nichtverstehend den Kopf. Lora meint: „Das kommt bestimmt von der ganzen Aufregung. Dein Körper und Deine Psyche müssen sich erst an all das Neue gewöhnen. Komm geh ins Bad, damit Du fertig wirst. Ich beziehe in der Zwischenzeit Dein Bett frisch.“

      Catlyn eilt ins Bad und weiß bzw. erkennt nicht, dass der Mann aus ihren früheren Träumen wieder von ihr Besitz genommen hat. Er hat ihr in dieser Nacht keine angenehmen Träume bereitet, sie nicht wie ehemals zärtlich geliebt und glücklich gemacht. Sondern er hat ihr Gewalt angetan, physisch wie psychisch. Er hat Rache genommen und diese voll ausgelebt, denn Niemand entzieht sich seiner Macht! Catlyn war vor seinem Zugriff in der Psychiatrischen-Klinik sicher, wo Therapeuten in die Gedankenabläufe eindringen und ihm so seine Macht torpedieren.

      Nun konnte er in Catlyns Leben zurückkehren, da sie wieder frei ist.

      Die vergangene Nacht hat er aus ihrem Gedächtnis gelöscht, denn für sein wahres Gesicht ist die Zeit noch nicht reif.

      IX.

      Zur selben Zeit, in einem anderen Stadtteil, gießt sich Dr. Piescher seinen Morgenkaffee auf, geht auf die Terrasse um die Morgenzeitung zu holen. Er sieht im Nachbarhaus eine betagte Nenntante auf ihrem Balkon sitzen und grüßt: „Guten Morgen Tante Coni, schon wach? Ist Alles in Ordnung?“ Die alte Dame winkt und erwidert: „Guten Morgen, haben ihnen meine Plätzchen geschmeckt? Ich habe diese vor Ihre Türe gelegt, Sie waren gestern ja nicht da!“ Dr. Piescher auf die versteckte Neugierde nicht eingehend sagte. „Danke, die Plätzchen habe ich gefunden und sie haben wie immer hervorragend geschmeckt.“

      Coni kündigte an: „Heute backe ich Ihren Lieblingskuchen. Sie wissen schon, den mit den Äpfeln. Kommen Sie zum Kaffee vorbei?“

      Dr. Piescher meint gutmütig: „Ich versuche es.“

      Er kehrt ins Haus zurück, nimmt am Frühstückstisch Platz, reichert seinen Kaffee mit ein paar Tropfen Cognac an, denn nach seiner Behauptung schmeckt jeder Kaffee damit besser und ist auch bekömmlicher. Sein Freund Peter meint zu dieser Behauptung immer schmunzelnd: „Ja. ja, so hat halt jeder seine Laster.“

      Genussvoll