Thomas Ahrendt

Bewusstsein & Kosmos


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- jener in die "absolute Unendlichkeit", die für das Universum beziehungsweise die Metagalaxis als Ganzes und als Kreislaufprozess even­tuell gegeben ist. (Kommen wir nun zum Multiversum...) Unsere natürliche Umwelt endet nicht an der äußeren Atmosphäre; das Universum selbst ist unsre Natur, von der die Erde nur ein kleiner, wenn auch sehr schöner, aber im kosmischen Maßstab nicht einmal ein repräsentativer Ausschnitt daraus ist. Also muss Raumfahrt als langfristiges evolutionäres Ziel verstanden werden. Sie und ihre Ziele können nicht von kurzfristigen, angeblich "bodenständig-wissenschaftlichen" Überlegungen allein abhängig gemacht werden.

      Warum Raumfahrt? Warum schießen wir für teures Geld immer wieder und immer mehr Raketen und Raumsonden ins Sonnensystem, warum lassen wir es uns "soviel" kosten, herauszufinden, ob es auf Mars, Europa, Titan usw. Leben gibt (wenn auch nur Mikroorganismen), warum schicken wir Botschaften per Raumsonden aus unserem Sonnensystem hinaus, warum senden wir Radiobotschaften zum Beispiel an M 13, einen Kugelsternhaufen, warum machen wir SETI, warum werden teure und zeitaufwendige Unternehmen teilweise über Jahrzehnte hinweg gestartet, unermüdlich und in der Hoffnung, eines Tages erfolgreich damit zu sein? Weil es unsere Bestimmung ist! Denn das ist das Ziel: dem Leben jeden Platz zu erobern, auf dem es bestehen und weiter wachsen kann; jede unbelebte Welt zu beleben und jede lebende sinnvoller zu gestalten.

      Raumfahrt ist unmöglich ohne Computer und bessere Computer bedeuten bessere Raumfahrt. Raumfahrt gibt der Entwicklung von KI und KL, also von Robotern und Computern einen Riesen­schub: die Entwicklung von Robotern mit einer gewissen Entscheidungsfreiheit ist durch sie be­schleunigt worden und wird zukünftig noch mehr zunehmen. Man denke da an Robonauten, die auf der ISS eingesetzt werden. Eine weitere große Motivation ist die Lichtmauer beziehungsweise das Echtzeitproblem: Signale zum Beispiel zu Marsrobotern sind über 20 min unterwegs; eine Interak­tion dauert also über 40 min. Das ist für eine Echtzeitfernsteuerung viel zu lang und macht eine ei­gene Entscheidung und Steuerung erforderlich.

      Diese Wechselwirkung zwischen Raumfahrt und Computern bewirkt starke synergetische Effekte. Wenn die Computer der Zukunft nicht mehr aus Silizium bestehen, sondern der Biochip kommt, ein Sandwich aus Glas und Metall mit einer Zwischenschicht aus Proteinen; also der organische Computer oder Neuronen, die auf Chips wachsen, wäre es dann möglich, dass Biosphäre und Technosphäre letztlich zu einer Einheit werden, dass wir und die Roboter und Computer verschmelzen oder sogar ineinander aufgehen - in einer Symbiose zu einer transhumanen oder posthumanen Lebens­form?

      Materie ist die Erfüllung der Raumzeit, deren Erfüllung wiederum ist Leben; die höchste Erfüllung des Lebens ist uneingeschränkte Intelligenz und Verantwortungsgefühl. Unsere Intelligenz ist der Schlüssel zu unsere Zukunft; wir Menschen sind keine Form der Umweltverschmutzung wie auch Leben kein Krebsgeschwür der Materie, sondern ihre Transzendierung ist. Im Rahmen der Besiedlung des Weltalls wird ein Informationsnetz aus Mononen unaufhörlich fortschreiten, das Universum (oder sogar das Multiversum) in ein einziges zusammenhängendes, sich immer weiter strukturierendes Muster zu verwandeln - das wäre dann tatsächlich die letzte weil al­les umfassende Integration - die kosmische Integration. Wenn unser Planet wirklich der einzige ist, auf dem es "höheres" Leben gibt, wird sich Leben mit großer Wahrscheinlichkeit zu anderen Welten ausbreiten; allein diese Möglichkeit sollte uns die im­plizite kosmische Verantwortung vor Augen führen, denn wir wären es, die eine Wertvorstellung in das Universum einbringen oder ihr Ausdruck verleihen. Falls wir jemals im vollen Bewusstsein un­seres Handelns nach den Sternen greifen, liegt in der Transformation anderer Biosphären oder in der unsrigen eine hohe moralische Verantwortung mit entsprechenden Konsequenzen. Da das Universum so ungemein interessant und wissenswert ist, sollten sich geistige und technische Aktivitäten auf das konzentrieren, was wirklich konstruktiv und zukunftsträchtig ist. Es geht um eine neue Einstellung, eine neue Haltung gegenüber der Freude und der Befriedigung das Universum zu verstehen, von dem wir ein organisierter, denkender Teil sind.

      Utilitäre und transutilitäre Raumfahrt

      Es stellt sich vor allem die Frage, ob Raumfahrt Werkzeug oder Selbstzweck ist; sieht man sie nur als Werkzeug, als Mittel zum Zweck, gehen utilitäre Gründe wohl vor. Doch wird sie zum Selbstzweck, zur Selbstverständlichkeit, ist sie ein Selbstläufer und somit über jeden Zweifel erhaben... Während der Nutzen der unbemannten Raumfahrt weitgehend unbestritten und die gesellschaftliche Akzeptanz im Gegensatz zu Atomkraftwerken, Gentechnik usw. gegeben ist, ist deren wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Erfolg fatal für die bemannte Raumfahrt, da diese unter Druck gerät, wenigstens langfristig die gleichen Erfolge zu erzielen. Außerdem verläuft die Diskussion in den Bahnen von Kosten-Nutzen-Abschätzungen und der Nutzen sollte sich unmittelbar oder wenigstens mittelbar einstellen. Selbst Wissenschaftler betrachten wissenschaftliche Einsichten vorrangig unter Berücksichtigung eines wenigstens mittelbaren wirtschaftlichen Nutzens. Außerdem müssen sowieso schon knappe Forschungsetats für Teilchenbeschleuniger, Teleskope, Raumfahrt u.v.a.m. auch noch aufgeteilt werden. Das dann Egoismus, Neid, Vorurteile und Emotionen hochkochen, dürfte nicht verwun­dern, denn selbst Wissenschaftler sind auch nur Menschen. Die Gegner der bemannten Raumfahrt sind davon überzeugt, dass sich die Funktionen des Menschen durch unbemannte Raumflüge aus­gleichen oder überkompensieren lassen; der Mensch also einen Störfaktor darstellt. Sie halten die bemannte Raumfahrt für überflüssig, da die hohen Kosten den erkennbaren Nutzen übersteigen.

      Das war in den 1950ern und 1960ern noch anders: Gagarin, Wostok, Mercury, Gemini, Apollo - das war eine Zeit voller Aufbruchsstimmung, aber auch der kulturellen Krise angesichts der demorali­sierenden Erfolge der russischen Raumfahrt. Doch mit Apollo 11 wurde schließlich das Wettrennen zwischen den Supermächten des kalten Krieges von den USA gewonnen. Mit der ersten bemannten Mondlandung bewies sie als Inbegriff des Kapitalismus ihre politische, wirtschaftliche und militäri­sche Überlegenheit über die SU und den Sozialismus. Apollo 12 bis 17 (eigentlich sollte es bis Apollo 22 gehen) galten dagegen als bloße Wiederholungen, wobei böse Zungen behaupten, dass Apollo 13 inszeniert war beziehungsweise der NASA ganz gelegen kam, da diese Beinahe-Katastrophe das Interesse an der bemannten Raumfahrt noch einmal steigerte... Doch dann fehlten Erfolge und Visionen, das Wettrennen war gewonnen und das Geld wurde knapp - auch wegen dem Vietnamkrieg. War der Konflikt der unterschiedlichen wirtschaftlich-politischen Systeme kurzfristig ein Segen für die bemannte Raumfahrt, wurde ihr das langfristig jedoch zum Fluch; mit dem Wettlauf-Gedanken tat man ihr kein Gefallen, da man dort langfristig und nachhaltig planen und handeln muss. Schnelle Gewinne lassen sich kaum erzielen, aber das ist auch wider ihre Natur.

      Raumfahrt, vor allem bemannte Raumfahrt begann als Wettlauf zwischen den Supermächten, um die Überlegenheit des jeweiligen Systems zu beweisen. Seinerzeit entschieden die USA das Rennen auf dem Mond für sich, dann erlosch der Kampfgeist. Aufbruchsfantasien und Pionierträume bezüglich Vergnügungsreisen in den Erdorbit, Weltraumho­tels, autarke Raumstationen für Zehntausende Menschen, Basen auf dem Mond und den Planeten - ja selbst die Pläne zur Besiedlung der Milchstraße zerschmolzen im Vietnamkrieg, Watergate und der Ölkrise. Rückblickend scheint der Erfolg des Apolloprogramms nicht zuletzt auch philosophisch und psy­chologisch zu sein; der Blick aus dem Weltraum auf die Erde schärfte das ökologische Bewusstsein.

      Indem die Befürworter nach Lücken und Unsicherheiten in den gegnerischen Argumenten suchen, erkennen sie indirekt die Kosten-Nutzen-Betrachtung an statt den gegnerischen Standpunkt prinzi­piell anzuzweifeln oder zu widerlegen. Der Diskussionsrahmen ist international sehr unterschied­lich; in amerikanischen, sowjetischen und französischen Kreisen werden internationale Kooperati­on, nationale Identität, menschliche Entdeckungsleistung, Weltbildfunktion der Raumfahrt und Besiedlung des Weltraums und andere nicht- beziehungsweise transutilitäre Gründe und Perspekti­ven angeführt. Seltsamerweise stimmen Gegner und Befürworter überein, dass die Anwesenheit von Menschen im Orbit gerechtfertigt ist, wenn der - kurzfristige - Nutzen überwiegt. Damit wird die ihre kulturelle Aufgabe implizit nicht anerkannt.

      Würden wir Menschen technische Instrumente quasi-naturwüchsig hervorbringen, würden die Fol­gen technischen Handelns frei von Kritik. Eine Handlung, deren Nutzen geringer als deren Kosten beziehungsweise Aufwand ist, muss trotzdem nicht zwecklos sein; transutilitäre Zwecke rechtferti­gen sie. Eine transutilitäre Beurteilung ist nicht-monetär und transutilitäre Einschätzungen sind auch dann