Jean-Pierre Kermanchec

Blaues Netz


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nach seinem Freund aus Luxemburg.

      „Was hat mein Freund Medernach hier als verdeckter Ermittler zu suchen? Wieso ist Luxemburg in diesen Fall verwickelt?“

      „Eine berechtigte Frage, Monsieur Kerber. Ich will es Ihnen gerne erklären. Allerdings sind diese Informationen absolut geheim und sie dürfen diesen Raum niemals verlassen. Sie dürfen diese Informationen nicht einmal im entferntesten Urwald leise aussprechen, wenn Sie verstehen was ich meine?“

      „Mir ist sehr wohl bekannt was geheim bedeutet, Monsieur Crayont und ich habe auch keine Absicht in den Urwald zu fahren!“ Kerber war verärgert über die Ausdrucksweise von diesem Crayont und wollte das mit seiner Bemerkung zum Ausdruck bringen.

      Crayont tat so, als habe er die Bemerkung von Kerber überhört.

      „Sie haben sicherlich vom EFSF und von dem Nachfolger ESM gehört.“

      „Ja natürlich. Man kann diese Begriffe nicht übersehen, so oft stehen sie in den Zeitungen, wegen der Krise mit Griechenland, Spanien, Portugal und so weiter.“

      „Nun, der ESM, die Brandschutzmauer der Euro-Länder wird mit einem Betrag von 800 Milliarden Euro ausgestattet. Eine riesige Summe, die aber vielleicht dennoch zu gering sein könnte, wenn große Länder wie Spanien oder Italien Probleme bekämen. Daher war man bemüht, China in die Finanzierung mit einzubeziehen. Der Leiter des ESM war persönlich nach China gereist um mit der dortigen Führung zu sprechen. Sicherlich wissen Sie auch, dass diese Gespräche von den Chinesen, sagen wir mal, eher zurückhaltend geführt wurden. Es gab jedenfalls keine Zusage für den Erwerb von Schuldscheinen des ESM.

      Dem luxemburgischen Premier und Vorsitzenden der Eurogruppe war es in mehreren Geheimgesprächen gelungen, die Chinesen zu einer Beteiligung an der Finanzierung des Fonds zu bewegen. Dies darf auf keinen Fall bekannt werden, um Spekulanten abzuhalten ihre Geschäfte zu verstärken. Die Chinesen haben unter anderem, eine Bedingung mit der Zusage verknüpft, nämlich die, dass die chinesische Botschaft in Luxemburg ständig informiert wird über den Fortgang der Ermittlungen bei der Falschgeldaffäre und zwar aus erster Hand. Daraufhin hat man den pensionierten Kommissar Medernach, der wohl ein hohes Ansehen bei der luxemburgischen Polizei besitzt als Ermittler und Vermittler gewählt. Er soll in Frankreich, in Zusammenarbeit mit unserer police judiciaire verdeckt ermitteln und gleichzeitig die Chinesen auf dem Laufenden halten.“

      Kerber hatte verstanden. Medernach sollte die Chinesen auf dem Laufenden halten, die Fälscherwerkstatt ausheben und er, Kerber, würde den Mord des Geheimdienstmannes untersuchen und als Kontaktperson zwischen Medernach und dem Geheimdienst fungieren. Die Vorstellung, mit jemand anderem zusammenzuarbeiten gefiel ihm überhaupt nicht. Da er seinen alten Freund und Kollegen Medernach aber gut kannte und wusste, dass dieser sich hierbei nicht aufspielen würde, konnte er dem Vorhaben ruhig zustimmen. Er würde sich um die Aufklärung des Mordes kümmern, Medernach konnte getrost nach der Fälscherwerkstatt suchen. Er hatte Medernach schon seit Jahren nicht mehr gesehen.

      „Einverstanden, ich werde mit Henri Medernach zusammenarbeiten. Aber nur unter der Prämisse, dass wir uns regelmäßig austauschen können. Auch wenn er verdeckt ermitteln soll.“

      „Das ist aus unserer Sicht auch zwingend notwendig.“ meinte Crayont. „Sie werden schon morgen Abend ihren Freund in Melgven begrüßen können. Sie werden sich nie mit ihm in seinem Hotel in Concarneau oder an irgendeinem anderen öffentlichen Ort treffen. Die Gefahr, dass seine Maskerade auffliegen könnte wäre zu groß. Daher haben wir für die Kontakte zwischen Ihnen und Monsieur Medernach ein Haus gemietet. Er wird als Tourist in dem Hotel «Les Sables Blancs» wohnen. Alle ihre Treffen finden aber in einem Haus, in dem Lieu dit Kermanchec bei Melgven statt. Dort ist sichergestellt, dass man ihn und seine Besucher nicht beobachten kann.“

      „Ich habe noch eine Frage, Monsieur Crayont. Ich arbeite seit vielen Jahren sehr vertrauensvoll mit meinem Kollegen Paul Chevrier zusammen. Ich gehe davon aus, dass ich ihn bis zu einem gewissen Grad in den Fall und seine Hintergründe einweihen darf? Alles andere würde die Zusammenarbeit nur erschweren.“

      Crayont schien angestrengt nachzudenken. Dann blickte er zu Ewen Kerber auf und meinte:

      „Lassen Sie aber den Zusammenhang mit dem ESM beiseite. Ansonsten ist es in Ordnung, wenn Sie ihren Kollegen über die Zusammenarbeit mit Medernach und der Identität von Charles Morgat informieren. Aber bitte informieren Sie auch ihren Kollegen darüber, dass er Verschwiegenheit gegenüber Dritten bewahrt.“

      Kerber nickte und fand dieses ganze Geheimdienst-getue für überzogen. Damit war das Gespräch beendet. Kerber erhob sich und verließ das Büro von Nourilly und machte sich auf den Weg zur Crêperie du Frugy. Er musste in die Rue Ste Therese fahren. Das kleine, von außen eher unscheinbare Restaurant war bekannt für seine exzellenten Crêpes und seine angenehme Atmosphäre. Das Restaurant lag hinter der Präfektur des Departements du Finistère, daher waren dort auch häufig die Beamten der Präfektur anzutreffen.

      Sein Gespräch mit den beiden Herren hatte doch länger gedauert als er angenommen hatte, so dass Carla bereits im Restaurant weilte als er eintraf. Von der Filiale der BNP Parisbas, bei der Carla arbeitete waren es circa zweihundert Meter bis zur Crêperie.

      „Ich freue mich, dich zu sehen!“ sagte Carla als Kerber an den Tisch trat. „Ich dachte schon, ich müsste alleine meine Crêpes essen.“

      „Ich hatte noch eine Besprechung mit Nourilly. Du weißt ja, wenn er ruft, dann ist es immer dringend.“

      „Und, war es dringend?“ Carla sah Ewen fragend an.

      „Nicht wirklich.“ sagte Kerber und wechselte das Thema. Er nahm die Speisekarte zur Hand und überlegte, welche Crêpes er wohl heute essen wollte.

      Kapitel 6

      Corentin Murat stand immer noch in seinem Atelier und malte wie ein Besessener. Die bereits fertiggestellten Bilder standen an der Mauer hinter seiner Staffelei und waren mit vergleichsweise wenig Farbe bedeckt. Rote breite Pinselstriche führten quer über die Leinwand. Die davon abgehobenen grünen Farbflecke schienen verloren auf der Fläche.

      Corentin hatte, seitdem die beiden Polizisten ihn bei der Arbeit gestört hatten immerhin sieben neue Kunstwerke geschaffen. Sein Pensum war allerdings noch nicht erreicht. Es mussten noch sechs weitere fertig werden bis zum Abend. Für die nächste Lieferung nach Peking brauchte seine Galerie in Paris 50 Bilder. Dafür würde er immerhin ungefähr fünf Millionen erhalten. Als er vor zwei Jahren mit dem Malen begonnen hatte, fand er eine Galerie in Paris für eine erste Veröffentlichung. Er wusste bereits, dass alle seine Bilder verkauft würden, aber die Galerie ahnte davon nichts. Er leistete eine Menge Überzeugungsarbeit um den Galeristen dazu zu bewegen seine Bilder auszustellen. Erst als Corentin garantierte, 30.000 € zu bezahlen wenn die Galerie nicht auf ihre Kosten käme, sagte der Galerist zu. Corentin Murat stellte dann seine Bilder dort aus und bereits bei der Vernissage kaufte ein Chinese alle Bilder, obwohl die Preise bei etwa 10.000 € pro Gemälde lagen. Danach ging es Schlag auf Schlag. Die Galerie bekam einen Vertrag mit einem chinesischen Händler und der kaufte alle Bilder von Corentin auf. Als der Galerist ihm andere Künstler vorstellen wollte, die auch auf dem chinesischen Markt Erfolg haben könnten, lehnte er kategorisch ab. Es mussten die Bilder von Murat sein, was anderes kam nicht in Frage. Der Galerist konnte sich den Erfolg von Corentin Murat nicht erklären. Er verstand genug von Kunst um beurteilen zu können, dass die Bilder von diesem Autodidakten nicht gerade umwerfend waren, aber sie kamen scheinbar sehr gut an bei den chinesischen Käufern. Diese waren bereit, schon nach wenigen Wochen das Doppelte, das Dreifache und jetzt bereits das Zehnfache der ursprünglichen Preise zu bezahlen. Wenn es so weiterginge, dann würde dieser Corentin mit seinen Preisen an die alten Meister herankommen, für die man bekanntlich Millionen auf den Tisch legen musste.

      Corentin Murat sah auf seine Uhr. Es war inzwischen kurz nach 15 Uhr. Er hatte noch einige Stunden Zeit, die Lieferung für den Abend fertigzustellen.

      Nachdem er sich aus der Küche Wasser und ein Stück Baguette geholt hatte fuhr er mit seiner Arbeit fort. Gedanklich war er allerdings bei seiner Schwester,