Klaus Blochwitz

Ömmes auf der krummen Straße


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ging mit Herbert rüber zu Hermann und schellte an der Tür, Hermann machte total verschlafen auf und knurrte die beiden an: „Wisst ihr eigentlich,wie spät es ist?“

       Beide überschütteten Hermann mit der Neuigkeit und Hermann winkte beide rein und machte den Fernseher an. Es stimmte also, die Amis waren tatsächlich auf dem Mond gelandet. Nach einer frühen Flasche Bier gingen die beiden wieder und Hermann legte sich wieder schlafen.

      Jürgen und Herbert waren kaum auf der Straße, kam ihnen Wilhelm ganz aufgeregt entgegen: „Wisst ihr schon, wisst ihr schon?“Die drei redeten noch eine ganze Weile heftig mit einander und gingen dann doch etwas beruhigt nach Hause.

       Da haben wir für unseren Abend aber ein ganz heißes Thema, dachteWilhelm bei sich.

      Die Anwohner der Siedlung krumme Straße hatten das Frühjahr hinter sich, Ostern war vorbei, jetzt stand Pfingsten vor der Tür und die ersten Urlaubsreisen wurden geplant.

      Hermann und Brigitte hatten wegen der Schwangerschaft ihrer Tochter alles abgeblasen. Herbert und Jürgen mussten erst abwarten, wie die Planung in der Firma aussah,

      Wilhelm fuhr mit seiner Familie an die Nordsee. Seit ein paar Jahren fährt Wilhelm jetzt schon an die Nordsee, es gibt da einen schönenCampingplatz. Anfangs fuhren seine Kinder auch mit, aber als sie so achtzehn, zwanzig wurden, war das vorbei.

       Beate und Rudi lassen sich nicht aus über ihre Pläne, aber da wird wieder was ganz Dolles heraus kommen.

      Letztes oder vorletztes Jahr war Rudi auf einer Tour in Norwegen und Beate machte auf Kultur in Verona.

      Rudi war auch schon in Nordafrika und Beate auf einer Kreuzfahrt in der Ägäis.

      Rudi war auch schon per Anhalter unterwegs gewesen, ab und zu erzählte er davon.Egal, wo er auch war, er lernte stets nette Mädchen oder Frauen kennen, hier schmunzelte Rudi immer freundlich und wechselte das Thema.

       Im Juli und August wurde es dann still in der krummen Straße, die Urlaubszeit machte sich doch bemerkbar. Hermann und Brigitte war es recht, sie und ihreTochter konnten die Ruhe gut gebrauchen. Irgendwie war ihreTochter nervös, unruhig, obwohl vom Befund her alles inOrdnung war.

      Als Hermann seine Brigitte heiratete, war bei Brigittes Eltern nicht alles eitel Sonnenschein, wie konnte ihre Tochter bloß einen Arbeiter heiraten, immerhin hatte sie doch Abitur, auch wenn sie dann anschließend nicht studiert hatte, weil sie nur einenStudienplatz in Süddeutschland bekommen konnte, aber nicht von zu Hause weg wollte.

       Mit den Jahren hat sich das Verhältnis zwischen ihnen dann ein bisschen normalisiert, zwischen durch bekam Hermann aber immer wieder mal gesagt,dass ihre Brigitte doch eigentlich etwas Besseres verdient hätte.Mittlerweile ist es etwas ruhiger geworden, mit dem Haus und dem Enkelkind und so.

      Hermann lernte Brigitte während der Arbeitszeit kennen. Sie arbeitete in einer Firma gegen über und machte bei schönem Wetter in den Pausen schon mal einen Spaziergang. Hermann kam von seiner Mittagspause an der Pommesbude zurück und da sahen sich die beiden zum ersten Mal, beim dritten Mal fasste Hermann seinen ganzen Mut zusammen und wünschte der jungen Frau einen guten Tag.

      Er sprang vor Freude fast in die Luft, als die Frau den Gruß freundlich erwiderte. Am nächsten Tag trafen sie sich zufällig an der Pommesbude und hier konnte Hermann die junge Frau ohne weiteres ansprechen, weil hier eben jeder mit jedem redete. Sein Schwarm nahm das Gespräch auch sofort auf und darin konnte Hermann dann einflechten, dass er für vier, fünfTage auf Montage sei und am Dienstag wieder zurück wäre.Sie lächelte ihn verständnisvoll an und sagte dann zu ihm:„Dann bin ich doch am Dienstag in meiner Pause wieder hier.“

      Hermann ging das Herz auf und trotzdem fuhr er mit sehr gemischten Gefühlen auf Montage. Auf der Baustelle traf er mit Hans zusammen, der in seiner Nähe arbeitete und Schreiner war. Sie arbeiteten eng zusammen, weil Hermann die Metallrahmen für die Wände aufbaute und Hans dann die Holzplatten einsetzte. Das Ganze ergab dann einen attraktiven Messestand. Es war für beide viel Arbeit und die paar Tage gingen ruckzuck vorbei.

       Es war Dienstag und es goss in Strömen.Hermann ging trotzdem zur Pommesbude und die Sonne ging auf, sie war da, trotz Regen und Sturm! Am Wochenende trafen sie sich zum ersten Mal und so nahm es seinen Lauf.

       Brigitte war ruhig, lieb, voller Verständnis für seine Arbeit und so heirateten sie. Als erstes brachte Brigitte einen Sohn zur Welt und zwei Jahre später eine Tochter, die jetzt selbst zum zweiten Mal schwanger war und ihren Eltern etwas Sorgen deswegen bereitete.

      Hermann konnte mit seiner jungen Frau in den zwei oberen Räumen seines Elternhauses wohnen, aber er baute kurz darauf an der Rückseite des Hauses einen gut angepassten und geräumigen Anbau. Der gefiel seinen Eltern so gut, dass sie anstelle des jungen Paares in den Anbau zogen und das Haus dem jungen Glück überließen.

      Die beiden jungen Leute machten aus dem alten Haus das Beste, was sie mit dem knappen Geld schaffen konnten. Hermann versprach seiner Brigitte, dass er das Haus ganz nach ihrem Geschmack renovieren würde, sobald das Geld dafür vorhanden war.

      Die Hochzeit von Hermann und Brigitte löste einen waren Boom aus, Jürgen und Inge meldeten ihre Hochzeit an, Wilhelm und seine Hildegard und Herbert und Elli wollten es auch wagen.

      Die krumme Straße stand Kopf, vier Hochzeiten in einem Jahr hatte es so noch nie gegeben. Die Nachbarn hockten Stunden um Stunden zusammen, um alles zu besprechen,auch mit Ömmes, der ja eine riesige Aufgabe bewältigen musste.

       Die unterschiedlichsten Wünsche der Brautpaare mussten auf einen Nenner gebracht werden. Dem Pfarrer fiel die Kinnlade herunter, als er von diesen vier Hochzeiten hörte.Die vier Brautpaare einigten sich auf den August als Termin und zwar sollte an jedem Wochenende im August eine Hochzeit statt finden mit jeweils einer kleinen Feier im Familienkreis und am ersten Wochenende im September sollte dann die große Feier für alle vier Brautpaare bei Ömmes stattfinden.

      Dieser Vorschlag wurde von allen für gut befunden und so nahmen die Vorbereitungen ihren Lauf. Die vier Hochzeiten verliefen ruhig, ein bisschen feierlich schon, aber auch laut und fröhlich, obwohl Brigittes Eltern ein bisschen enttäuscht dabei saßen, weil doch ihre Tochter etwas Besseres verdient hätte.

      Aber Brigitte war selig mit ihrem Hermann und die Laune ihrer Eltern war ihr völlig egal.

       Bei Herbert und Elli ging es ein bisschen verrückter zu, aber damit hatten eigentlich alle gerechnet.Herbert hatte zu seiner Hochzeit eine Musikgruppe kommen lassen, die schon nach kurzer Zeit mit ihrer wilden Musik die Stimmung bei den jungen Leuten hoch kochen ließ.

      Und dann kam der September und die krumme Straße stand Kopf. Alle waren da, selbst der Pastor ließ sich blicken, das Wetter meinte es gut mit den Hochzeitern und Ömmes hatte den großen Saal fantastisch hergerichtet. Er hatte die großenSchiebetüren an der Stirnseite des Saales komplett aufgeschoben und eine Tanzfläche auf dem Rasen angelegt.

       Herberts Musikgruppe von seiner Hochzeitsfeier war auch wieder da und siehe da, die fünf Musiker konnten auch ganz „normale“Musik machen, so dass die Älteren als erste auf der Tanzfläche waren.

      Die Hochzeiter hatten sich mit Ömmes auf ein kaltwarmes Büfett geeinigt und Ömmes hatte sich damit selbst übertroffen, es war wirklich für jeden Geschmack etwas dabei.

      Es wurde gegessen und getrunken, gelacht und erzählt, getanzt und jeder hatte seinen Spaß. Die Eltern der Brautpaare hatten sich in einer Gruppe zusammen gefunden und unterhielten sich prächtig, sie alle kannten sich seit Ewigkeiten,kamen prima miteinander aus, hatten sich in schlechten Zeiten gegenseitig geholfen und gemeinsam das geschafft, auf das sie heute mit viel Stolz blicken konnten.

      Hermanns Vater sagte irgendwann leise zu seiner Frau: „Es ist richtig schön, dass keiner mehr vom Krieg erzählt.“ Seine Frau nickte: „Höchstens kommen noch mal die Geschichten der Kinder zur Sprache,wie die mit den Einmachgläsern oder die Bauerngeschichte.“

      Leise lachte er auf: „Das war aber auch eine tolle Sache“, und seine Frau grinste fröhlich zurück. Jeder war bei jedem, selbst die jungen Leute saßen mit unter