Martin J. J. Stark

Der flammende Kreuzzug


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von meinen heimischen Bergen aus. Da konnte ich über das ganze Land blicken. An schönen Tagen konnte der Blick über die gemäßigten Wälder und den Schwarzhain bis zu den Dschungelbäumen des südlichen Kaps schweifen. Hier reichte die Sicht gerade einmal bis zu Hauptstadt.

      Als ich den staubigen Weg zum Weingut erreichte, sah ich schon einen der Banditen vor dem Haus sitzen. Er machte auf mich keinen besonders gefährlichen Eindruck und unterschied sich auf den ersten Blick nicht von einem Bauern. Ich nutze meinen Stab als Gehhilfe, um einen möglichst ungefährlichen Anblick zu bieten. Vielleicht ließ sich das Ganze mit Worten klären und ich musste keine Gewalt anwenden. Falls nicht war es besser, wenn sie mich für einen altersschwachen Wanderer hielten, der sich kaum auf den eigenen Beinen halten konnte.

      Der Junge stand auf, als ich nur noch zwanzig Schritt vom Haus entfernt war. Er schien gerade einmal zwanzig Jahre alt zu sein und hatte noch keinen richtigen Bartwuchs. Das hinderte ihn jedoch nicht daran sein Schwert zu ziehen und eine drohende Haltung einzunehmen. Er erklärte mir, ich solle verschwinden, wenn mir mein Leben lieb sei. Ich ließ mich davon nicht beeindrucken und fragte nach ihrem Anführer. Mit einem arroganten Lachen verkündete er, er sei für die Jungs hier verantwortlich.

      Wie auf ein Kommando stießen drei weitere Männer zu ihm. Zwei kamen aus dem Haus und einer bog um die Hauswand. Keiner von ihnen schien älter als Anfang zwanzig zu sein. Ich streifte meinen Mantel ab, um sie mit meiner Statur einzuschüchtern und erklärte ihnen, dass die Abtei auf die Ernte angewiesen sei und sie sicher in der Stadt eine Arbeit finden würden. Wenn sie das Weingut nicht verließen, müsste ich ihnen eine Lektion erteilen. Sie lachten und griffen mich an.

      Es fühlte sich falsch an, gegen so junge Burschen zu kämpfen. Sie hatten noch ihr ganzes Leben vor sich und konnten alles erreichen, wenn sie sich nur Mühe gaben. Ich beschloss also, sie so sanft wie möglich daran zu erinnern, wo ihr Platz war.

      Ihre Kampfkünste waren bemitleidenswert. Obwohl ich meine alte Stärke und Geschicklichkeit bei weitem noch nicht zurückerlangt hatte, konnte ich ihren Angriffen mühelos ausweichen. Sie ließen immer wieder die Deckung fallen und ich strafte sie jedes Mal mit einem Klaps meines Stabs. Es fühlte sich an, als würde ich wieder die Jungs meines Stammes trainieren. Mit dem Unterschied, dass diese erst sechs Jahre alt gewesen waren. Der Gedanke an sie schmerzte. Vor allem, da sie wahrscheinlich alle tot waren. So junges Leben dahingerafft von Orks. Es war jedoch nicht der richtige Zeitpunkt, um in Erinnerungen zu verfallen. Im Gegensatz zu mir waren die Banditen mit scharfen und damit potenziell tödlichen Waffen ausgestattet.

      Die Leichtigkeit, mit der ich mich ihrer Angriffe entzog, machte sie langsam wütend und ihre Schläge wurden brutaler. Allerdings verloren sie dabei noch mehr Genauigkeit und es wurde noch leichter ihnen auszuweichen. Irgendwann stürmte ihr Anführer mit einem Schrei auf mich zu. Offensichtlich hatte er die Absicht, mir den Bauch aufzuschlitzen. Sein Schwert beschrieb einen weiten Bogen als er ausholte und ließ seine gesamte Verteidigung in sich zusammenbrechen. Mit einem kleinen Schritt zur Seite, gefolgt von einem leichten Hieb mit meinem Stab, fegte ich ihm die Beine weg und er legte sich der Länge nach in den Staub. Seine Kameraden verloren den Kampfeswillen und zogen sich zurück.

      Nun wurde es zum Zweikampf. Um die Sache etwas interessanter zu gestalten, warf ich meinen Stab zur Seite und stellte mich ihm unbewaffnet in den Weg. Die Erinnerung an die Schlacht auf dem Berg und die damit verbundene Machtlosigkeit weckte eine eigentümliche Wut in mir. Diese Wut wollte hinaus und der einzige Weg, der sich abzeichnete, war durch meine Fäuste.

      Nach einigen einfachen Ausweichmanövern verpasste ich ihm einen Schlag in die Magengrube, so dass ihm die Luft aus den Lungen gepresst wurde. Schlaff wie ein Sack Mehl fiel er in sich zusammen und krümmte sich am Boden. Ich wartete, bis er sich erholte. Die so plötzlich aufflammende Wut schrumpfte und erlosch schließlich ganz.

      Seine Gefolgsleute drängten ihn zur Flucht. Er stieß noch einen letzten Fluch aus und murmelte etwas von einem Meister Daravol, bevor er sich ihnen keuchend anschloss. Anscheinend hatte er genug und kam endlich zur Einsicht.

      Ich beobachtete die vier noch, wie sie sich in die Wälder zurückzogen und setzte mich dann an die Stelle, wo noch vor Kurzem ihr Anführer auf mich wartete. Ich wollte sicher gehen, dass sie sich wirklich zurückzogen und nicht nach einigen Minuten zurückkamen. Während ich also wartete, genoss ich die frische Luft und die Aussicht. Dabei ging mir der Name Daravol nicht mehr aus dem Kopf. Irgendwo hatte ich diesen Namen schon einmal gehört. Auf jeden Fall musste ich Eagan davon berichten. Für den Moment war ich aber froh, dass die Sache so leicht war und keiner ernsthaften Schaden davongetragen hatte.

      Ich beschloss, die Nacht im Weingut zu verbringen. So konnte ich unangenehme Überraschungen vorbeugen und die Abgeschiedenheit war genau das, was ich brauchte. Am späteren Abend machte ich mir eine Suppe aus dem Gemüse, dass ich in den Schränken fand und einigen Stücken Trockenfleisch, die ich mir als Proviant mitgenommen hatte. Ich richtete mich im ersten Zimmer neben der Treppe ein und fand dabei einen Brief im Nachtschränkchen. Er war noch versiegelt, allerdings konnte ich das Wappen nicht zuordnen. Es schien auf jeden Fall nichts mit der Abtei zu tun zu haben. Ein weiterer Punkt, den ich mit Eagan besprechen musste. Vielleicht hatte es etwas mit diesem Meister zu tun. Ich steckte ihn mir jedenfalls in die Tasche und richtete mich für die Nacht ein.

      Morgen möchte ich mich früh auf den Rückweg machen. Ich glaube, ich habe meine Schuld langsam beglichen. Zumindest waren diese drei Probleme schon länger ein Thema und offensichtlich kümmerte sich niemand darum. Wenn sie keine weiteren Aufgaben für mich haben, würde ich weiterziehen. Meine Fähigkeiten waren nicht gerade nützlich in einem Kloster und ich bin froh, dass ich sie zumindest so zum Wohle der anderen einsetzen konnte.

      Ich glaube, die Hauptstadt wäre eine gute erste Anlaufstelle. Da kann ich mich auch sicher mit passender Ausrüstung eindecken. Wie es danach weitergeht, werde ich vor Ort entscheiden.

      Tag 48: Abreise

      Morgen geht es endlich weiter. Ich bin schon viel zu lange in diesem Kloster. Es ist nicht so, dass ich die Gesellschaft der Menschen hier nicht schätzen würde. Sie sind mehr als zuvorkommend und ich habe immer noch das Gefühl, meine Schuld nicht beglichen zu haben. Ich brauche aber etwas frische Luft, etwas Abwechslung. Früher zog ich für Tage durch die Berge und war auf mich allein gestellt. Jeder Tag bot neue Herausforderungen und oft wusste ich am Morgen noch nicht, wo ich am Abend sein werde. Die Gleichmäßigkeit, die sich in dieser Abtei eingenistet hat, ist nichts für mich.

      Ich habe dem Prior berichtet, dass das Weingut wieder frei ist. Er war zunächst besorgt, dass es nur vorübergehend ruhig wäre. Als ich ihm aber erzählte, wie ich mit den Jungs umgegangen bin und dass ich die ganze Nacht da war, um sicher zu gehen, war er dankbar. Ich konnte förmlich sehen, wie eine Last von seinen Schultern fiel. Ein weiterer Punkt in meinem Leben, an dem ich etwas richtig gemacht habe. Ich glaube, er stellt gerade eine kleine Gruppe zusammen, die den Schaden begutachten und die verbleibenden Trauben abholen wird. Eagan war weniger erfreut von meinem Bericht.

      Zunächst hielt er mir einen Vortrag, dass es außerordentlich dumm und gefährlich war nur mit einem Stock bewaffnet gegen eine Gruppe Banditen vorzugehen. Was wäre geschehen, wenn es mehr als nur vier waren? Wer hätte meinen Rückzug gesichert und mich notfalls gerettet? Diese Überlegungen sind der Grund, weshalb die Truppen des Königreichs so langsam waren. Ich ließ die Standpauke über mich ergehen und gab ihm den Brief. Das Schreiben war mit den Initialen D.C. unterzeichnet. Er konnte nicht ausschließen, dass es sich hierbei um den genannten Daravol handelte. Von diesem hatte er jedoch noch nie gehört. Auch den Titel Meister brachte er nur mit den Handwerkern in der Stadt in Verbindung. Seine ohnehin schon steinerne Miene wurde noch ernster und weitere Sorgen trübten seinen Blick.

      Als ich ihm erzählte, dass ich mich langsam auf den Weg in die Hauptstadt machen würde, gab er mir noch einen kleinen Auftrag. Er setzte ein Schreiben auf, dass ich dem Hauptmann im Holzfällerlager vor der Stadt geben sollte. Er heißt Gavin und ist ein ehemaliger Offizier der Armee, der sich nun der Stadtwache angeschlossen hat und so seinen Ruhestand verbringt. Vielleicht weiß er auch etwas über diesen mysteriösen Meister, das mir weiterhelfen kann. Auf jeden Fall wäre es wichtig, dass er von den Banditen