Petra S. Korn

Champagner zum Brunch


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Es befand sich mitten in der neuen Fußgängerzone, auf dem alten Stadtplatz. Korbinian Kronfeld hatte Eva schon von weitem an einem der runden Tische sitzen sehen, als er um zehn nach halb sieben eintraf. Sie trug eine enge, türkisfarbene Caprihose, darüber eine weiße, fast durchsichtige, weite Bluse und einen großen Strohhut mit bunten Schleifen. Eva hatte einen riesigen Eisbecher vor sich stehen.

      Kronfeld erzählte ihr was vorgefallen war, auch dass der Firmenchef tot ist.

      »Oh, mein Gott«, entfuhr es ihr und sie riss die Augen auf, »das ist ja entsetzlich!«

      »Das ist es, in der Tat.«

      Die Bedienung kam und der Kommissar bestellte einen Eiskaffee. »Erzählen Sie mir doch bitte, was in der Firma so getuschelt wird.«

      »Ich glaube, der Chef hat oft mit seiner Frau gestritten. Um was es genau ging, weiß ich nicht. Frau Haingruber war ja selten da, aber wenn sie ins Büro kam, war das Klima eisig. Außerdem erzählt man, dass der Chef wohl gern den jungen Frauen nachgeschaut hat, wenn Sie wissen, was ich meine.«

      »Ich dachte eigentlich, Herr Haingruber führte den Laden allein und seine Frau kümmert sich vorzugsweise um Haus und Garten«, entgegnete Kronfeld, »aber sie machte heute den Eindruck, als würde sie sich im Büro sehr gut auskennen…, als würde sie regelmäßig dort arbeiten.«

      »Nein, nein, früher mal, da hat sie regelmäßig mitgearbeitet. Das war, als der Chef die Firma von seinem Vater übernommen hatte. Aber das ist lange her. Und ich weiß das auch nur vom Hörensagen, ich hab zu dieser Zeit noch nicht dort gearbeitet.«

      »Aha, Sie haben sie also nicht oft gesehen.«

      »Naja, zuerst nicht oft, aber in letzter Zeit kam sie wieder häufiger ins Büro, weil nämlich der Prokurist fristlos gefeuert wurde. Man munkelt, er hätte Geld unterschlagen.«

      ›Na so was‹, dachte Kronfeld, ›das hat die Madame nicht erwähnt. Wollte sie den Job höchstpersönlich übernehmen?‹

      »Die Unterschlagung, ist das nur ein Gerücht oder wissen Sie näheres?«

      »Tja, es wurde natürlich nicht offen darüber gesprochen«, raunte Eva, »aber ich weiß zufällig genau, dass Herr Merkheimer, der Prokurist, in die eigene Tasche gewirtschaftet hat. Er ist schon 62 und steht kurz vor der Rente. Vielleicht wollte er seine Altersversorgung auf diese Art aufstocken.« Sie sah ihn spitzbübisch von der Seite an und leckte an ihrem Eislöffel.

      »Und woher wissen Sie das so genau?«, fragte der Kommissar erstaunt.

      »Von Helen Schindler, die Sekretärin. Wir gehen regelmäßig zusammen in die Sauna. Da hat sie es mir unter dem Siegel der Verschwiegenheit erzählt. Sie kriegt alles mit, was so in der Firma läuft. Natürlich hätte sie es mir nicht sagen dürfen, aber ich habe es auch nicht weitergegeben.«

      »Hat Herr Haingruber den Prokuristen angezeigt?« Kronfeld beugte sich interessiert nach vorn.

      »Soviel ich weiß nicht. Es sollte ja auch nicht rauskommen. Auch nicht, dass die Firma finanziell nicht mehr so gut dasteht.«

      »Wollen Sie damit sagen, dass die Firma pleite ist?«

      »Nein nein. So schlimm ist es sicher nicht. Aber Helen hat entdeckt, dass nicht nur einmal größere Geldbeträge verschwunden sind.«

      »Was ist übrigens mit der Sekretärin? Ich habe sie heute im Büro nicht gesehen.« Kronfeld nippte an seinem Eiskaffee.

      »Helen ist gerade im Urlaub. Sie und Ihr Mann fahren jedes Jahr im Sommer nach Rimini.«

      »Aha, und wann kommt sie zurück?«

      »Soviel ich weiß, ist sie übermorgen wieder im Büro.«

      Eva schlemmte genüsslich ihren Eisbecher. »Ist das nicht ein herrlicher Platz?«, schwärmte sie.

      Korbinian Kronfeld schaute sich um. Passanten schlenderten vorüber, in der Pizzeria gegenüber gab es keinen freien Platz mehr und am großen Marktbrunnen tummelte sich eine Gruppe Jugendlicher. Die schönen mittelalterlichen Fassaden der Häuser waren in den letzten Jahren renoviert und in verschiedenen Pastellfarben angestrichen worden. Unter den Arkaden drängten sich kleine Geschäfte, Bäckereien und Imbisse aneinander. Die Freischankflächen mehrerer Gaststätten waren an diesem lauen Abend fast überfüllt. Der ganze Platz strahlte ein angenehmes, südländisches Flair aus und lud Einheimische wie Touristen zum Bummeln ein. Es war wirklich ein Platz zum Wohlfühlen.

      Kronfeld trank seinen Eiskaffee aus.

      »Und noch so herrliches Wetter«, fügte Eva hinzu, »da möchte man noch gar nicht nach Hause gehen...«, sie sah ihn herausfordernd an.

      »Stimmt«, sagte Korbinian und machte ein betretenes Gesicht, »aber leider muss ich Sie jetzt verlassen. Die Pflicht ruft mich heute noch mal in die Dienststelle zurück.«

      »Schade«, schmollte sie, »verpasste Gelegenheiten kommen nicht zurück.«

      Er lächelte sie an: »Wir sehen uns mit Sicherheit wieder.«

      Seine ›Pflicht‹ war an diesem Abend allerdings nicht nur die Dienststelle, er musste seinen ersten Bericht schreiben, sondern auch der Biergarten, wo er sich noch mit seinen Freunden treffen wollte. Nicht dass Eva ihm nicht gefallen hätte, er fand sie sogar sehr sexy in ihrem bunten Sommeroutfit, aber es war einer seiner unumstößlichen Grundsätze, niemals mit einer Zeugin, was sie in diesem Fall war, etwas anzufangen.

      Nachdem er im Büro seine Pflicht erfüllt hatte, machte er sich auf den Weg zum ›Bären-Bräu‹.

      11

      Als der Wecker Dienstagfrüh klingelte, wieder mal viel zu laut, war Korbinian alles andere als ausgeschlafen. Seit seiner Scheidung vor drei Jahren lebte er allein in einer kleinen Zweizimmer-Wohnung, im zweiten Stock eines Altbaus. Die Einrichtung war spärlich und zum Aufräumen fehlte irgendwie immer die Zeit. Das war schon früher so gewesen.

      Seine Ex-Frau Karla, die ebenfalls berufstätig gewesen war, musste den ganzen Haushalt allein bewältigen. Für ihn war Hausarbeit verschwendete Zeit. Kostbare Zeit, die seinem Leben fehlen würde. Die Gründung einer eigenen Familie, also Kinder in die Welt setzen, wurde immer auf einen ›günstigeren Zeitpunkt‹ verschoben, der aber nie kam. So wunderte es niemanden, dass Karla ihm eines Tages die Koffer vor die Tür gestellt hatte.

      In seinem Junggesellendasein gab es natürlich den einen oder anderen Flirt, aber die Damen blieben selten bis zum Frühstück und so weckte ihn keine sanfte Stimme mit einem zärtlichen ›der Kaffee ist fertig‹. Den musste er sich schon selber machen.

      Nach einer ausgiebigen Dusche und einer Tasse starkem Espresso fühlte er sich dem neuen Tag gewachsen.

      Im Kommissariat angekommen, ging Kronfeld zuerst in die Kantine. Sein Kühlschrank zu Hause füllte sich leider nicht von allein und in der Kantine waren die Wurstsemmeln schließlich schon fertig belegt. Im Büro hatte er seine eigene Kaffeemaschine und so wurde zu Dienstbeginn erst mal gefrühstückt.

      »Ich habe Ihren Bericht schon gelesen«, begrüßte ihn Kriminalhauptkommissar Lackner, als Kronfeld wenig später in das Büro des Chefs kam. »Da ist ja schon einiges zusammengekommen. Die Explosion, der Einbruch, dann der Fund der Leiche…, und wahrscheinlich auch noch Kontakt ins Rotlichtmilieu.«

      »Und gestern Abend habe ich noch erfahren, dass der Prokurist der Firma wegen angeblicher Unterschlagung gefeuert wurde«, fügte Kronfeld hinzu, »das ist auch eine Spur, der wir nachgehen müssen.«

      »Das scheinen ja umfangreiche Ermittlungen zu werden, Kronfeld. Bilden Sie gleich eine Sonderkommission und holen sie sich dazu, wen immer Sie brauchen, meinen Segen haben Sie. Sie übernehmen die Leitung.«

      Fälle, in die bekannte Persönlichkeiten verwickelt waren, verursachten Lackner immer etwas Magenschmerzen und er wollte sie schnellstens gelöst wissen.

      »Die Versicherung drängt auch schon auf eine rasche Aufklärung.