Ewald Peischl

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nur eine kleine Episode, wie sie der unaufhörliche Kampf um die Macht so mit sich bringt Aber eine solche Folgerung ist in sich nicht schlüssig.

      Im Zusammenhang mit der Kindermord-Legende ist die Frage zu stellen, ob Herodes überhaupt befugt war, einen solchen Befehl zu geben, und er die Macht dazu hatte. Herodes durfte zwar den Titel König der Juden führen, aber er war als König keineswegs absoluter Herrscher in seinem Land, vielmehr war er immer von Rom und dem dortigen Imperator, später vom Kaiser, abhängig. Zwar musste der jüdische König von Roms Gnaden nicht für jedes Todesurteil, das in Jerusalem gesprochen wurde, um ausdrückliche Genehmigung nachkommen – immerhin hat Herodes dies in besonderen Fällen, z. B. bei seinem Söhnen, dennoch wohl getan -, doch konnte er nicht etwa auf eigene Faust und nach eigenem Gutdünken Todesurteile fällen und vollstrecken lassen. Dazu bedurfte es der Teilnahme des Synedrion, des obersten jüdischen Gerichts, oder eines Sondergerichts. Herodes hatte während seiner Regierungszeit sehr auf römische Gesetze geachtet, die auch für sein Land galten. Rom hätte den Befehl zum Kindermord, der ja über ein Todesurteil weit hinausgegangen wäre, der also ein glatter Mordbefehl gewesen wäre, nicht hingenommen. Und wenn ein Wahnsinniger ihn gegeben hätte und der Befehl aus Furcht vor weiteren Wahnsinnbefehlen ausgeführt worden wäre, hätte Octavianus diesen Wahnsinnigen vor Gericht gestellt; der Weltherrscher hätte darin einen Bruch der pax Augusta, des heiligen augusteischen Weltfriedens, gesehen.

      Herodes I., der Mann, der von der christlichen Überlieferung, aber auch in den jüdischen Quellen, als blutrünstiger Tyrann dargestellt wurde, der um sich nur Angst, Schrecken und Hass verbreitet haben soll, gilt in der neueren und neuesten Geschichtsforschung als einer der bedeutendsten Herrscher, die das jüdische Volk in seiner langen Geschichte gehabt hat und der – so der Herodesbiograph und einstige Professor an der Hebräischen Universität in Jerusalem, Abraham Schalit (1898 – 1979) – wirklich Großes für das jüdische Volk geleistet hat. Er gilt als ein Mann von mutigem Herzen und scharfem Verstand, der eine große politische Erbschaft hinterließ. Schalit bescheinigt dem Herrscher Überlegung und Besonnenheit in all seinem Tun. Auch ein anderer israelischer Historiker, Samuel Sandmel, ehemals Professor am Hebrew Union College, war überzeugt, dass man Herodes Größe und Verdienst nicht absprechen kann.

       Resümee

      Auch Grausamkeit kann Herodes nicht abgesprochen werden, doch für die Anordnung des Kindermordes in Betlehem fehlten ihm offensichtlich das Motiv, der Wille und die Macht.

      Dass in Betlehem nach der Geburt Jesu ein Kindermord stattgefunden hat, ist kaum glaubhaft, zumal auch die Geburt Jesu in diesem Ort angezweifelt werden muss. Neben der Unsicherheit bezüglich des Geburtsortes besteht auch eine solche hinsichtlich des Geburtsjahres.

      Vom Matthäusevangelium abgesehen, gibt es im ganzen Neuen Testament nicht den geringsten Hinweis auf den in Rede stehenden Kindermord. Und ebenso wenig wird er in außerbiblischen Quellen erwähnt, auch nicht in den ausführlichen Darstellungen über Herodes von dem aus Jerusalem stammenden Historiker Flavius Josephus, der Herodes als grausamen und mordlüsternen Tyrannen beschrieb.

      Und der König plant, das Kind zu finden, um es dann töten zu lassen.

      Doch das Reich Jesu ist nicht von dieser Welt.

      Die Männer aus dem Orient, dem Morgenland, ahnen von dem furchtbaren Plan des Herodes nichts.

      So ziehen sie mit ihren Kamelen und Eseln voll freudiger Erwartung weiter ihres Weges, nachdem sie vom Hof des Herodes aufgebrochen sind.

      Und der Stern geleitet ihren Weg.

      Nach einiger Zeit aber ist auf einmal der Stern verschwunden.

      Bestürzt schauen die Sterndeuter einander an.

      Wo ist der Stern?

      Warum ist er nicht mehr am Firmament zu sehen?

      Was ist geschehen?

      Sie steigen von den Tieren ab.

      Sie sind verzweifelt und wissen nicht weiter.

      Wohin nun? Und was tun?

      Es kann doch nicht sein, dass der Stern nach so vielen Tagen plötzlich nicht mehr zu sehen ist und ihnen nicht mehr den Weg zeigt.

      Und sie fangen an, zu ihrem Gott um Hilfe und Führung zu beten.

      Während sie beten, fällt ihnen auf, wie erschöpft die Kamele und Esel sind und wie die Tiere vor Durst leiden.

      Also nehmen sie ihnen ihre schwere Lasten ab und suchen nach Wasser zum Trinken.

      Bald schon finden sie einen Brunnen, denn ihre Reise steht unter einem guten Stern.

      Und was geschieht?

      Gerade als sie Wasser für ihre durstigen Tiere schöpfen, spiegelt sich auf der Wasserfläche plötzlich wieder der Stern, den sie verloren hatten.

      Die Freude der Männer ist unbeschreiblich, und sie danken Gott für diese Führung und Hilfe.

      Sie hatten die ganze lange Reise über so gebannt auf den Stern geblickt, dass sie gar nicht merkten, wie ihre Tiere von der großen Anstrengung müde und durstig geworden sind.

      Denn sie sind schwer mit Proviant, mit Geschenken und mit allerlei Habseligkeiten für die Reise beladen.

      Glücklich setzen sie mit den Tieren ihren Weg fort.

      Und so kommen auch die weisen Männer aus dem Orient in die Stadt Bethlehem, und sie finden dort das Haus, in dem das Kind und seine Eltern untergekommen sind.

      Wenn die Prophezeiung stimmt, dann haben sie hier, an diesem Ort, den Menschen gefunden, der später der König und Diener aller Menschen sein würde.

      Die drei Männer treten ein und gehen auf die Knie.

      Dann öffnen sie ihre Tücher und breiten ihre mitgebrachten Gaben aus.

      Und während sie die Macht Gottes in dem Kind anbeten, werden auch sie selbst im Inneren tief beschenkt, und sie legen sich danach voll innerer Freude zur Ruhe.

      Doch während sie schlafen, hören sie im Traum eine Stimme:

      "Kehrt nicht wieder zu König Herodes zurück, wie ihr es ihm versprochen habt".

      Die Sterndeuter erwachen und sind erschrocken.

      Jeder von ihnen hat die gleiche Warnung vernommen.

      Schnell sind sie sich einig, was zu tun ist.

      Nach ihrem Brauch zünden sie ein Feuer an, und dankend beten sie Gott in der Flamme an für die erneute Führung.

      Dann befolgen sie die Warnung ihres Traumes und ziehen auf einem ganz anderen langen Weg zurück in den Orient, von wo sie einst aufgebrochen waren.

      In Bethlehem braucht Maria vor allem noch etwas Ruhe, damit sie wieder zu Kräften kommt und die Familie sich auf den Rückweg nach Nazareth machen kann.

      Denn erneut steht ein beschwerlicher Fußmarsch bevor, und dieses Mal zusammen mit dem neugeborenen Kind.

      Doch es ist nicht nur der bevorstehende Rückweg,