Hubert Boderke

Frauenbutter


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      „Aber Hermann“, erwiderte Mutter Martha, „so etwas lässt sich doch nicht übers Knie brechen, wo soll Magda einen Mann hernehmen und Lina ist noch zu jung“.

      „Mir ist das egal, Magda soll ja als Älteste den Hof bekommen, ich habe mir das lange überlegt. Die Erste, die einen Mann, einen Bauern, heiratet bekommt den Hof. Dazu stehe ich“, beendete Vater Hermann seine Überlegung. Die Mädchen guckten einander an. Während Magda ziemlich hilflos in die Runde schaute, meinte Lina:

      „Ich weiß schon, wo man Männer kriegen kann“, und strahlte über das ganze Gesicht.

      „Lina“, rügte die Mutter, „benimm dich“.

      „Ich möchte am Samstag vor Erntedank zum Viehmarkt nach Parchau“, erwiderte Lina sehr nachdenklich.

      „Wir brauchen keinen Viehmarkt, unsere Kälber und Schweine holt der Viehhändler“, antwortete der Vater.

      „Es wäre eine Möglichkeit“, nahm die Mutter das Gespräch wieder auf, „was hältst du davon, wenn ich mit Magda zum Viehmarkt fahre“, richtete sie ihre Frage an ihren Mann.

      „Da will ich aber auch mit“, meldete sich Lina.

      „Wenn deine Mutter noch genügend Eiergeld dafür hat“, sprach Vater Hermann und guckte in die Petroleumlampe ohne noch ein weiteres Wort zu sagen.

      Beim Geschirr abwaschen besprachen die drei Frauen die Einzelheiten dieses großen Ausflugs. Nach Parchau musste man fast eine Stunde mit dem Zug fahren. In fünf Wochen war das Erntedankfest.

      Mit der vielen Arbeit auf dem Hof, insbesondere mit dem Einbringen des Weizens, des Roggens und der Gerste war man täglich bis zum Abendläuten vom Kirchturm in Krickheide voll beschäftigt. Vater Hermann mähte das ganze Getreide mit der Sense, denn Maschinen hatte man nicht. Auch die kräftige Magda schwang die Sense, um den Vater zu entlasten. Mutter und Lina banden das gemähte Getreide zu Garben und stellten diese zu „Puppen“ auf, damit es trocknete. Mit zwei Kühen vor einem Leiterwagen wurde das Getreide in die Scheune gefahren. Das war alles schon Vergangenheit. Nun mußten die Kartoffeln gerodet und die Rübenernte erledigt werden.

      Sonntagsnachmittags sahen die drei Frauen ihre Kleider durch, damit sie in ihren Sonntagsgewändern in Parchau anständig aussahen. Sie trennten Nähte auf und schneiderten aus schon getragenen Kleidern neue, modernere, wie sie es im Sonntags- beiblatt der „Lübener Rundschau“ gesehen hatten. Auch hatte der Krämer in Jakobsdorf Lina eine Schnittmusterzeitung verkauft.

      Lina bekam einen fast neuen Glockenrock welcher 30 cm über dem Boden endete, die Rockbahnen liefen konisch von der Taille nach unten, eine Bahn in dunkelblau und die andere in einer hellblauen Kunstseide. Das Oberteil war eng geschnitten. Die Abnäher sorgten dafür, dass man ihre kleinen, aber wohlgeformten Brüste erahnen konnte. Das Muster der Bluse bestand aus kleinen blauen Blumen auf weißem Grund. Der Kragen war zwar hoch geschlossen, jedoch so geschnitten, dass man ihn als Hemdkragen öffnen konnte, so dass man dann ihren niedlichen Brustansatz sehen konnte. Lina hatte nun ein solides Kleid, in dem sie jugendlich, beinahe kess aussah.

      Magdas Kleid war, wie zu erwarten, dunkelblau ohne jeden Zierrat, sie ließ sich von der Mutter überreden wenigsten einen kleinen weißen Kragen und weiße Stulpen unten an die Ärmel anzunähen. Mutter Martha hatte zwei Sonntagskleider mit in die Ehe gebracht, wovon sie eines davon anziehen wollte.

      Nun war der große Tag da. Am Samstag, eine Woche vor Erntedank, kamen die drei gegen halb elf Uhr mit der Eisenbahn in Parchau an. Sofort eilten sie zum Viehmarkt. Dort wechselten Pferde, Kühe, Kälber, Schweine, Schafe, Hühner und was sonst noch auf den Höfen gehalten wurde, ihre Besitzer.

      Es boten Krämer in ihren Buden Kurzwaren, Kleiderstoffe, Unterwäsche und vieles Andere mehr an.

      Ein großes Festzelt stand neben den Buden und Viehkoppeln, hier wurde für das leibliche Wohl der Besucher gesorgt. Da gab es auch einige Buden mit Süßigkeiten, kleine Spiel-zeuge und sogar ein kleines Kinderkarussell war auf der Wiese aufgestellt.

      Die drei Frauen gingen durch die Reihen mit all den Händlern. Plötzlich sagte Lina:

      „Geht mal schön allein weiter, wenn man euch ansieht, wird ja die Milch sauer“. Sie trällerte ein Liedchen und verschwand in der Menge.

      Lina ging dorthin, wo die Pferde und Kühe feilgeboten wurden. Ihre lustigen Augen nahmen alles wahr, was da so vor sich ging. Da beobachtete sie einen jungen Mann, so Mitte bis Ende Zwanzig, der den Pferden ins Maul schaute und die Hufe anhob. Dann ging er zu den Kühen und betrachtete diese fachmännisch.

      „Willst du Vieh kaufen“, sprach Lina den jungen Mann an. Er war 1,85 Meter groß, hatte blondes Haar wie Lina, war schlank doch mit ordentlichem Bizeps und rauen, schwieligen Händen.

      „Nee, nee, ich interessiere mich halt für das Vieh“, antwortet der junge Mann.

      „Bist du ein Bauer?"

      „Ja, schon, aber Zweitgeborener, mein Bruder bekommt den Hof“.

      „So, so, spendierst du mir eine Limonade“, strahlte Lina ihn an.

      „Warum soll ich das?"

      „Weil du mir gefällst, oder hat dir dein Bruder nicht ein paar Groschen mitgegeben“, meinte Lina ziemlich kess.

      „Bist ja bisserle frech, meinst du nicht auch“.

      „Na, das macht nichts, aber ich sag’ halt was ich denk“.

      „Bist du etwa allein hier?"

      „Nee, nee, meine Mutter und meine Schwester sind auch hier, aber mit denen war’s mir zu langweilig, da hab’ ich mich kurzerhand selbstständig gemacht.

      „Du bist mir vielleicht eine, also komm halt, ich könnte auch ein Bier vertragen“.

      Sie schlenderten zum Festzelt, wo Lina sofort zwei Plätze ergatterte. Es war ein ungleiches Paar, der junge Mann sehr groß und Lina reichte ihm gerade bis zur Achsel.

      Das Festzelt war ziemlich voll. Die beiden, jungen Menschen hatten viel zu erzählen. Lina redete in ihrer lustigen Art munter darauf los. Das löste auch dem jungen Mann langsam die Zunge.

      Nach einiger Zeit, die Limonade und das Bier waren ausgetrunken, schlug Lina vor:

      „Lass uns ein bisschen spazieren gehen, hier hören zu viele Leute zu“.

      Er nickte nur und sie standen auf und gingen. Hinter dem Festzelt auf der Wiese führte ein Feldweg zu einem nahen Fichtenwäldchen. Die Sonne schickte noch ein paar warme Oktobersonnenstrahlen, es war warm für diese Jahreszeit. Lina nahm das Gespräch wieder auf.

      „Wie heißt du eigentlich, ich heiße Lina, Lina Walter vom Stellmacherhof in Wengeln?“

      „Gustav, Gustav Taudert, meine Ahnen mütterlicherseits sind Hugenotten und kamen aus dem Elsass „

      „Schöner Name, passt zu dir“, stellte Lina fest.

      „Ich komme aus Wengeln. Weißt du wo das ist“.

      „Nein, ich komme aus Großheinzendorf, wo liegt Wengeln?"

      „Fünf Kilometer von Kotzenau“.

      „Kotzenau habe ich schon gehört, ich war noch nie dort“.

      Lina blieb unvermittelt stehen.

      „Magst du mich ein bisschen?" Ihr Gesicht lief leicht rot an.

      „Ich mag dich nämlich sehr“.

      „Du bist ein munteres Mädel“, Gustav kratzte sich am Hinterkopf und redete weiter:

      „Ich glaube, ich kann dich auch gut leiden, bist’ ein bisschen forsch und geradezu, das gefällt mir“. Lina nahm Gustav an der Hand und sie gingen weiter.

      „Magst’ ein eigener Bauer werden?“ Und nun erzählte sie Gustav die Geschichte, die ihr Vater mit den zwei Mädchen hinsichtlich des Hofes beschlossen hatte. Einige Minuten gingen sie schweigend nebeneinander