Hubert Boderke

Frauenbutter


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unsrem Hof, sag ja und du bekommst auf der Stelle dein erstes Busserl“.

      „Hoppla, das geht aber schnell, vorstellen könnt ich mir das schon!"

      Lina zog den langen Gustav zu sich herunter und gab ihm ein Busserl.

      „Am Sonntag nach Erntedank kommst du nach Wengeln, dann stell ich dich meinen Eltern vor und den Hof kannst du dir auch ansehen“. Lina blieb stehen und gab ihm die Hand, nun gab er ihr ein Busserl. Sie gingen Hand in Hand zum Festplatz zurück und besprachen die Einzelheiten des kommenden Sonntags. Trotz Linas Geschäftsmäßigkeit empfanden die beiden jungen Leute immer mehr Zuneigung zueinander. Ab und zu drückten die beiden sich die Hände.

      Vor dem Festzelt erblickten sie die Mutter und Magda. Sie unterhielten sich mit einem Bekannten aus Heinzendorf, von dort stammte die Mutter her.

      „Mutterle, das ist Gustav, er ist Bauer und mein zukünftiger Mann“. Die Mutter und Magda sahen Gustav mit offenem Mund von oben bis unten an. Es hatte ihnen die Sprache verschlagen. Als sie sich einigermaßen erholt hatten sagte die Mutter.

      „Mein Gott, wie geht denn das so schnell?"

      „Lina“, sagte der Mann aus Heinzendorf der mit den beiden Frauen gerade gesprochen hatte, „da hast du aber einen guten Griff gemacht. Den Gustav kenne ich schon seit seiner Kindheit, es ist ein guter Mann und zupacken kann er auch. Martha, da gratuliere ich dir recht schön zu so einem Schwiegersohn. So, nun muss ich aber gehen und ihr müsst zum Zug. Lasst es euch gut gehen und grüß Hermann von mir“.

      Die Mutter stand immer noch sprachlos da. Sie konnte das alles nicht so schnell verstehen. Da plapperte Lina wieder munter drauf los.

      „Mutterle, der Gustav kommt am Sonntag nach Erntedank zum Mittagessen und wird beim Vaterle um meine Hand anhalten“.

      „Lina, geht das nicht alles ein bisschen schnell“, sagte Mutter.

      Nee, nee, Vaterle will das so“.

      Gemeinsam gingen sie zum Bahnhof, wie selbstverständlich ging Gustav mit Lina an der Hand. Als der Zug kam und alle anderen eingestiegen waren, gab Lina wie selbstverständlich ihrem Gustav einen etwas längeren Kuss und rief beim Einsteigen:

      „Am Sonntag nach Erntedank gibt’s ein paar mehr, bleib gesund, Gustel“.

      Während der Heimfahrt plapperte Lina unaufhörlich. Sie hatte ganz glühende Wangen. Bis die Mutter sagte:

      „Nun Lina warten wir’s ab, vielleicht ging es Gustav auch zu schnell. Sicher ist unser Hof zu klein für ihn. Ich weiß, dass die Tauderts in Heinzendorf einen großen Hof haben mit vielen Kühen und mindestens vier Pferden. Ich weiß nicht, ich weiß nicht.“

      Am Montag ging die Arbeit ihren gewohnten Gang. Die Arbeit auf den Feldern nahm alle in Anspruch. So vergingen die zwei Wochen wie im Fluge.

      Am Samstag nach Erntedank war, wie immer samstags, Badetag. Dazu wurde eine Zinkwanne in die Futterküche gestellt und heißes Wasser im Futterkessel zubereitet. Danach badete man der Reihe nach in der Zinkbadewanne, natürlich wurde immer wieder neues, heißes Wasser in die Wanne geschütte

      „Magda“, sagte die Mutter, „morgen gehen wir beide in den Stall, Lina soll nicht nach Kuhmist stinken, wenn ihr Gustav kommt, falls er kommt.“

      „Er wird kommen, Mutterle, ich weiß es,“

      sagte Lina.

      Am Sonntag nach Erntedank kam doch tatsächlich Gustav. Er war ein bisschen verlegen, aber Lina half ihm darüber hinweg, in dem sie sagte:

      „Gustel ich freue mich ja so, dass du gekommen bist, die Zeit war mir schon sehr lang, dir auch?“

      Gustav stand hilflos in der Gegend herum und sagte gar nichts.

      Sie gingen in die gute Stube, die vor Sauberkeit nur so blitzte.

      „Erzähl von dir, Gustel, ich möchte alles über dich wissen.“

      „Da gibst von mir nicht viel zu erzählen.“

      Die Unterhaltung wurde unterbrochen, als der Vater in die gute Stube eintrat, den Gast begrüßte und sich an den Tisch setzte. Die Mutter und Magda trugen das Mittagessen auf. Als selbstverständlichste Sache der Welt platzierte Lina ihren Gustav links von ihr.

      Nach der Suppe brachte die Mutter einen duftenden Schweinebraten mit Knödeln und Sauerkraut. Dazu gab es Bier aus der Brauerei Kotzenau. Die Mädchen tranken Malzbier. Danach goss der Vater seinem Gast und sich selbst einen Kornschnaps ein.

      Nun war der Zeitpunkt gekommen: Gustav hielt beim Vater Hermann um die Hand von Lina an. Er kam dabei zwar etwas ins Stocken, doch Lina drückte unter dem Tisch ihrem Gustel die Hand. So war die Brautwerbung fast formvollendet. Der Vater stimmte heilfroh zu. Darauf wurde wieder ein Schnaps getrunken. Die Verlobung wurde auf den 26. Oktober festgelegt. An diesem Sonntag sollten Lina und Gustav als Verlobte aufgeboten werden. Ein halbes Jahr später am 06.Mai 1900 sollte die Hochzeit sein.

      Die Verlobungszeit musste ein halbes Jahr dauern, sonst wäre es unschicklich gewesen. Eine kürzere Verlobungszeit wäre der Hinweis, das etwas „Kleines“ unterwegs war.

      Bis zur Verlobung besuchte Lina die Familie Taudert auf ihrem Hof in Heinzendorf. Die Tauderts nahmen Lina sehr herzlich auf. Man machte einen ausgiebigen Rundgang über den Hof und in die Ställe. Trotzdem fand Lina immer wieder Gelegenheit ihren Gustel zu drücken und zu busseln. Offensichtlich waren die jungen Leute sehr verliebt.

      In der Kirche in Krickheide verkündete der Pastor nach der Predigt die Verlobung der Brautleute Lina und Gustav. Die Verlobungsfeier fand in Wengeln im engsten Familienkreis mit den Tauderts statt.

      Für Lina war es eine lange Zeit bis zur Hochzeit, obwohl Gustav weiter alle zwei Wochen mit dem Zug nach Wengeln kam. Der Arme musste auf dem Heuboden schlafen, denn das Haus hatte außer dem Elternschlafzimmer nur noch zwei Schlafzimmer für die Mädchen.

      Während der Besuche von Gustav lernten sich die beiden Brautleute in langen Spaziergänge näher kennen.

      Auch half Gustav seinem künftigen Schwiegervater wo er nur konnte. Dabei erfuhr Hermann, dass Gustav 8000 Taler, sein Erbe, mit in die Ehe bringen würde.

      Der Hof in Wengeln hatte noch keine „Auszugswohnung“, so nannte man die Wohnung für das Altenteil der Eltern. Gegenüber dem Wohnhaus waren eine Wagenremise, der Hühner- und Entenstall, eine Stellmacherwerkstatt und das Häuschen mit dem Herzchen untergebracht. Nun wurde in den sechs Monaten bis zur Hochzeit neben der Wagenremise schnell eine Wohnung für die Eltern von Magda und Lina gebaut. Sie wurde auch bis auf ein paar Kleinigkeiten pünktlich zur Hochzeit fertig.

      Lina fieberte dem großen Tag entgegen. Wenn die drei Frauen über die bevorstehende Hochzeit sprachen glühten Linas Wangen.

      „Du wirst doch nicht etwa krank werden“, sprach die Mutter sie an, und lächelte dabei.

      „Nein, nein, Mutterle, ich freue mich nur so sehr auf meinen Gustel“

      Etwa vier Wochen vor der Hochzeit holte die Mutter Ihr Trachtenbrautkleid aus der Truhe.

      „ Sieh dir das Kleid mal an, Lina, das war mein Brautkleid“. Lina zog sich das wertvolle Kleid an. Bis auf ein paar Abnäher an den Brüsten passte es.

      „Wenn es dir gefällt, ist es dein Brautkleid“.

      „Es ist wunderschön, darin sehe ich aus wie eine junge Bäuerin“, jubelte Lina. Voller Freude wurde das Brautkleid angepaßt.

      Am Vorabend von der Hochzeit bestand die Mutter darauf, dass Lina ein heißes Bad nahm; einen heißen Tee trank und zu Bett ging, damit sie trotz der Aufregung auch tatsächlich schlafen konnte.

      Bald war das Haus ruhig. Alle Menschen hatten sich auch zum Schlafen niedergelegt. Mutter Martha lag doch noch lange wach. Sie dachte an die Zeit zurück als sie ihren Herrmann heiratete.

      „Ja, ja, die Zeit vergeht. Es wiederholt sich alles im Leben“, dachte sie und schlief dabei zufrieden ein.