Hubert Boderke

Frauenbutter


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      Die Hochzeit von Lina und Gustav

      Endlich war der große Tag da!

      Mutter Martha hatte ihr Brautkleid für Lina passend geändert.

      Der Bruder von Gustav kam mit dem Bräutigam in einem mit Blumen geschmückten Landauer der von zwei Rappen gezogen wurde. Seine Frau, die beiden Kinder und seine Eltern kamen in einer zweiten Kutsche. Schließlich trudelte noch ein dritter Kutschwagen mit den Freunden von Gustav auf dem Walterhof in Wengeln ein.

      Nach einem kleinen Imbiss fuhr man zur Kirche nach Krickheide.

      Lina, Magda und die Eltern fuhren in einer Kutsche, die der Nachbarhof in Wengeln zur Verfügung gestellt hatte, zur Kirche.

      In Krickheide war die Kirche voll von Menschen. Die Hochzeitsgäste waren alle fein herausgeputzt. Die Damen in ihren Festtagsgewändern und die Herren in schwarzen Anzügen warteten auf das Brautpaar. Dazwischen rannten Kinder umher, wobei die Mütter ihre Not hatten, dass die Kleinen ihre Kleidchen und Anzüge nicht schon vor der Trauung schmutzig machten.

      Die Frauen und Mädchen der Nachbarn hatten die Kirche in Krickheide schön mit frischem Grün und bunten Blumen geschmückt.

      Der Pastor stand mit Gustav vor der Kirche und wartete auf die Braut. Als die Kutsche mit der Braut kam, half der Bruder von Gustav ihr aus dem Landauer.

      Als Gustav seine Braut sah verschlug es ihm fast den Atem. Lina sah allerliebst aus. Gustav wollte eigentlich guten Morgen sagen, aber er stammelte immer wieder: “Lina, Lina bist du schön.“

      Die Orgel spielte, nun zog man in die Kirche ein. Erst der Pastor, dann das Brautpaar.

      Die Sonne tauchte die weißgestrichene Kirche in ein helles, warmes Licht. Die unverheirateten Mädchen des Kirchspiels standen Spalier, als das Brautpaar in der Kirche zum Altar schritt. Lina hatte rote Wangen, man kann sagen sie glühten, Gustav hatte seine Lina ganz fest am Arm und schaute geradeaus, er war offensichtlich etwas aufgeregt.

      Der Pastor, der Lina bereits getauft und konfirmiert hatte, hielt eine schöne und herzergreifende Predigt. Dann kam die eigentliche Trauung. Beide Brautleute antworteten auf die Frage des Pastors mit einem lauten:

      „Ja, ich will“.

      Keiner wusste, daß Lina vor dem kleinen Spiegel zu Hause das „Ja“ geübt hatte.

      Nach der Trauung gab Lina vor allen Leuten draußen vor der Kirche ihrem frisch vermählten Ehemann einen langen Kuss. Vor der Kirche fand nun eine große Gratulationscour statt, denn man kannte sich halt. Dabei lernte Magda einen Bauernsohn, Hermann Franke, aus Parchau kennen, dessen Eltern ihm einen Hof von über 150 Hektar vererben würden. Magda ließ ihn gar nicht mehr los und so kam auch er mit zur Hochzeitfeier nach Wengeln.

      Vater Hermann Walter hatte gut vorgesorgt. Er hatte ein Schwein schlachten lassen, so dass es genug Braten und Würste zu essen gab. Wie es so üblich war, kochten die Nachbarn. Auch riesige Bleche mit Streuselkuchen hatten sie gebacken.

      Selten hatte man so ein verliebtes Paar gesehen, wie Lina und Gustav. Auch wenn es ein bisschen lustig aussah, wie Gustav seine Lina unter den Arm nahm. Dieser Tag ging viel zu schnell vorüber. Als die Uhr Mitternacht schlug, nahm der Schwiegervater Gustav beiseite:

      „Schlaft euch morgen früh aus, wir schaffen die Arbeit auch ohne euch, sieh nur wie Lina leuchtet“. Dann nahm Linas Mutter sie beiseite:

      „Lina, mein Kind, muss ich dir jetzt noch etwas sagen?"

      „Nein, Mutterle, mein Gustel ist ein ganz Lieber. Ich freue mich ja so auf das Leben mit ihm“. Sie küsste ihre Mutter auf die Wange, nahm ihren Gustel an die Hand und zog ihn in das Brautgemach.

      Am Montag ging die Arbeit weiter, die Frauen in den Ställen beim Vieh und Gustav auf dem Feld. Es war Frühjahr, es gab viel zu tun. Obwohl viel gearbeitet wurde, trällerte Lina schon morgens lustige Liedchen. Wenn Gustav vom Feld kam, bekam er erst mal einen dicken langen Kuss. Ihre Mutter staunte über die Unbefangenheit von Lina. Die trübe Stimmung, die Vater Hermann immer verbreitet hatte, schlug ganz ins Gegenteil. Es ging lustig zu auf dem Stellmacherhof Walter.

      So gingen die Jahreszeiten vorüber. Die schmale, beinahe zierliche Lina wurde rundlicher.

      Beim Futterrübenroden, dies wurde mit der Rodegabel von Hand gemacht, streckte Lina öfters ihr Kreuz und musste eine kleine Pause machen.

      „Na, Linachen, wann ist es denn soweit“. Obwohl Lina rot wurde sagte sie leise:

      „Ende März wird es wohl werden, gerade wenn die Arbeit wieder losgeht. Ist das schlimm?" Die Mutter nahm Lina in die Arme, strich ihr über die Haare:

      „Nichts ist schlimm, Magda heiratet erst nach Erntedank. Bis dahin hast du dich erholt und das Kind ist aus dem Gröbsten. Freut sich Gustav auch.

      „Ja sehr, jeden Abend will er das Kind streicheln“.

      So wurde es nach einer schönen Adventzeit Weihnachten. Nach dem Kirchgang am ersten Weihnachtsfeiertag, nach dem Mittagessen wurde Vater Hermann plötzlich ernst. Nach-dem er zur Feier des Tages die großen Schnapsgläser aus der Vitrine geholt hatte, verkündete er:

      „Zwischen den Jahren lasse ich den Hof an euch, Lina und Gustav, überschreiben. Ab ersten Januar heißt der Hof Tauderthof zu Wengeln“. Gustav hielt darauf eine etwas linkische, aber herzliche Dankesrede. Die Frauen fielen sich um den Hals und die Männer drückten sich herzlich die Hände.

      Geburt von Tochter Maria

      Am 25. März 1903 gebar Lina in ihrer Schlafkammer eine Tochter, sie nannten sie Maria. Gerufen wurde sie „Mariechen“. Gustav wollte seine kleine Tochter gar nicht anfassen, weil er glaubte, er könnte sie zerdrücken. Aber Lina sorgte dafür, dass ihr Gustel die kleine Mariechen in den Arm nehmen konnte. Gustav machte mit Mariechen allerlei Späße, er konnte ja so zart sein. Beim Stillen sang Lina leise Kinderliedchen. Wenn Gustav dann zur Tür herein schaute, rührte ihn das sehr.

      Alle auf dem Hof waren glücklich. Eines abends im Oktober lagen Lina und Gustav im Bett.

      „Lina, ich glaube wir bekommen ein Problem. Der Hof ist zu klein, um uns alle zu ernähren. Ich habe mir etwas überlegt. In Kotzenau hat vor drei Monaten eine Eisengießerei aufgemacht, die Fabrik stellt Arbeiter ein. Die tägliche Arbeitszeit beträgt 12 Stunden, aber

      Samstag nur 8 Stunden. Wenn ich dort Arbeit bekäme, hätten wir ein schönes Stück Geld jede Woche. Ich könnte dann nach Feierabend noch die Felder bestellen, wenn ihr Frauen, wie bisher, allein das Vieh versorgen würdet“.

      „Hm…, hört sich nicht schlecht an, aber glaubst du, dass dir die Arbeit nicht zu viel wird?"

      „Ich werde es schaffen, weil ich es schaffen will.

      Morgen gehe ich zur Eisengießerei und bitte um Arbeit. Wenn ich sie bekomme, dann können wir uns noch ein Kind leisten“. Lina rückte ihren jungen Körper ganz fest an ihren Gustel heran:

      „Das wäre schön, sehr schön, Gustel!"

      Gustav bekam in der Eisengießerei einen Arbeitsplatz. Weil er auch von der Stellmacherei etwas verstand, wurde er als „Former“ – Formenbauer – für die Gussteile angelernt.

      Opa Hermann hatte sich auf dem Altenteil gut erholt, so dass er auch wieder ein bisschen mehr auf dem Hof arbeiten konnte. Zum Wochenende konnten sie sich die Zeitung „Lübener Nachrichten“ mit einem Lokalteil für den Raum Kotzenau leisten. In dieser Zeitung erfuhr man vieles, was in der Welt passierte. Gustav las, dass die Unzufriedenheit der Gießereiarbeiter über die Arbeitsbedingungen und wegen des niedrigen Lohnes überall in Deutschland zu Unruhen unter den Arbeitern führte. Aber Gustav war klug, er wusste, dass es weit und breit keine andere Arbeit gab. Also, Mund halten.

      Es lief alles wunderbar. Lina entwickelte sich zu einer guten und fleißigen Bäuerin. Gustav hatte ihr eine Zentrifuge