Harald W. Fiori

Erziehung, was ist das eigentlich? Wer schreit hat Recht?


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schnellstmöglich zu verlassen.

      Da ich nicht ganz so rasch reagiere, bin als Mann ja sowieso etwas schwer von Begriff, sagt jedenfalls meine liebste aller Ehefrauen, wird nun das Messer etwas weniger gefährlich für mich in eine andere Richtung gehalten und mit sanfter, körperlicher Gewalt unter Zuhilfenahme des Ellenbogens der feindliche Agent aus der Küche herausgeschoben.

      Etwas unbeholfen, wegen des Abfalls in der einen Hand, die andere Hand schützend vor Herz- und Magengegend haltend, stolpere ich rückwärts in den Bereich des Niemandslandes, Esszimmer, um dort mit untertänigen Verbeugungen den weitern Rückzug anzutreten in Richtung Flur und Außentür, um den Abfall trotz strömenden Regens in die im Freien stehende Abfalltonne zu deponieren.

      Ausnahmen eines solchen grundsätzlichen, wenigstens für die Dauer der Anwesenheit der Königin, Eintrittsverbotes werden in aller Regel nur mit Hilfe eines herrschaftlichen Bulletins genehmigt.

      So lautet zum Beispiel ein gängiges Bulletin, das mir das Eindringen in dieses Staatsgebiet genehmigt, ganz profan:

      „Die Abfalleimer sind voll!“

      ?!?

      Natürlich bedeutet das für den durch Militär und sonstige erzieherischen Einwirkungen geschulten Ehemann, dass er unverzüglich in gebückter Haltung, so den absoluten Gehorsam ausdrückend, sich in das geheiligte Reich begibt, dort die vollen Eimer schwungvoll dem Schrank entnimmt und unter ständigen devoten Verbeugungen hinausbringt zum Abfalleimer, der einmal wöchentlich geleert wird.

      Vorsichtig hat er dann, sichernd nach allen Seiten, wieder das Allerheiligste zu betreten, dabei sofort zurückweichend, falls die Herrin inzwischen dort zu weilen geruht, um die geleerten und gesäuberten Abfalleimer an den angestammten Platz zurückzustellen.

      Ein anderes Bulletin ähnlicher Wirksamkeit lautet: „Die schweren Töpfe und den großen Bratentopf spüle ich aber nicht so gerne. Das ist mir zu schwer!“

      Selbstverständlich versteht Mann auch diese Anordnung umgehend und erscheint sofort, alles stehen und liegen lassend, was er gerade getan hat, im Geheiligten, tritt untertänigst zur Seite, damit die Herrscherin dieses Gebietes den Raum verlassen kann. Dort ergehen noch die letzten Anweisungen: „Sei aber vorsichtig und verkratze mir nicht das ganze Spülbecken! Und nimm nicht zu viel Spülmittel!“

      Nach getaner Arbeit sieht die Küche aus wie neu. Die Herrin begutachtet und lobt den Untertanen, der vor lauter Stolz ganz rot wird.

      Etwas schneller allerdings muss Mann sein, wenn folgendes lautes SOS-Signal aus der Küche dringt:

      „Komm mal ganz schnell, die Maschine hier, ist kaputt! Sieh mal nach!“

      Jegliche Verzögerung wäre tödlich, würde postwendend hart sanktioniert. Deshalb ist bei solchem Jagdruf allerhöchste Eile geboten.

      Wenn die Maschine nach kurzer Inspektion und einigen Handgriffen wieder läuft, ist die Bewunderung riesig. „Wie hast du das denn hingekriegt? Manchmal bist du ja doch zu was zu gebrauchen!“

      Sollte ausnahmsweise der Defekt derart sein, dass Mann ihn nicht sofort beseitigen oder reparieren kann, fällt die logische Kritik natürlich umso vernichtender aus:

      „Ist ja klar! Wenn man dich mal braucht, dann bist du wieder mal nicht in der Lage! Typisch!“

      Bleibt zu fragen, wie das Hoheitsgebiet des lieben Mannes geachtet wird. Auch hier gelten eindeutig das Recht des Besitzers und das Recht des Stärkeren.

      Frau darf das Reich des Mannes selbstverständlich jederzeit betreten. Denn Mann ist ja im Gegensatz zum anderen Geschlecht, ein offenherziger Typ, er seine Grenzen jederzeit offen hält.

      Allerdings muss Frau dann strafende Blicke in Kauf nehmen.

      Sollte sie trotzdem die Dreistigkeit besitzen, sogar auf den Bildschirm des Computers zu schauen, womit sich der Herrscher dieses Bereichs gerade beschäftigt, ist ganz ruhig ironisch ein männliches „Na, zufrieden?“ zu hören.

      Die erste Angriffswelle ist damit keineswegs abgewehrt: „Mein Gott ist das heiß hier! Außerdem müffelt es!“

      Damit kein Widerspruch aufkommt, öffnet Frau auch sofort das Fenster. Für Mann bleibt nur eines:

      In der Deckung bleiben! Keine Blöße geben! Und vor allen Dingen nicht provozieren lassen!

      Also murmele ich nur kleinlaut: „Hier, wo ich sitze, zeigt das Thermometer gerade 20 Grad an, mir ist es nicht zu warm!“

      Dieser erste Sieg scheint meiner besseren Hälfte zu genügen, denn sie verlässt mein Reich wieder, nicht ganz ohne Kommentar: „Was du da nur immer machst. Da kommt doch sowieso nichts bei raus!“

      Raus aus der Deckung, Tür zu, Fenster schließen, glücklich zurück zum PC. Das Thermometer zeigt nur noch 19 Grad an.

      Es war kein Sieg, weder für Frau noch für Mann.

      Jetzt folgt die starke Angriffswelle mit Panzerunterstützung in Form des heulenden Staubsaugers.

      Die Tür zum heiligen Mannesreich öffnet sich heftig. Ein laut röhrendes Rohr erscheint im Eingangsbereich. Die Grenze wird überschritten. Hinter dem feindlichen Artillerierohr, kommen die Bodentruppen. Ohne mich anzusehen, spricht die weibliche feindliche Armeeführung:

      „Ich muss jetzt hier sauber machen! Du sitzt ja ewig hier rum!“

      Hinter ihr erscheint die Panzerung, der Schlitten des Staubsaugers. In dem Lärm die scheltende Stimme der Armeeführung: „Das Fenster ist ja schon wieder zu! Willst du etwa in deinem Mief ersticken?“

      Staubsauger läuft allein weiter, Lärm unerträglich, Fenster wird wieder geöffnet. Der König bereitet einen geordneten Rückzug vor. Zuerst PC herunterfahren. Das dauert natürlich einen Augenblick.

      Deshalb Schnellfeuer, der feindliche Kommentar:

      „Nun mach schon, da muss ich auch hin! Wenn ich hier nicht ab und zu für Ordnung sorge, lässt du dein Zimmer doch total verkommen!“

      Okay, PC ist ausgeschaltet. Doch so ganz ohne Abschießen einer Verteidigungsbreitseite, möchte ich das Feld nicht räumen:

      „Pass bloß auf, dass du mit dem Staubsauger nicht an den Computer kommst! Und im Übrigen habe ich erst gestern hier gesaugt und gelüftet, als du zum Canasta spielen warst!“

      Das geht natürlich nicht ohne ein angemessenes Gegenfeuer: „Davon merkt man aber gar nichts, kümmere dich gefälligst nicht immer um Dinge, die dich nichts angehen!“ Was soll Mann dagegen unternehmen?

      Schließlich ist Mann ja so erzogen, dass er gelernt hat, an der richtigen Stelle nachzugeben. Nur nicht mit dem Kopf durch die Wand!

      Grundsätzlich haben bisherige Gefechte aber zu dauerhaftem gegenseitigem Respekt geführt, ein nuklearer Waffengleichstand sozusagen.

      Denn so, wie Mann niemals versuchen wird, an der Ordnung in der Küche irgendetwas zu verändern, was unweigerlich zu Einsatz stärkster Waffen führen würde, so hat Frau akzeptiert, dass der Schreibtisch grundsätzlich keinerlei Veränderung verträgt. Hier werden die Hoheitsrechte in aller Form in bilateraler Übereinstimmung voll und ganz respektiert.

      Den allerbesten typisch männlichen Rückzugsraum aber finden die meisten Männer an der Werkbank irgendwo im Keller. Dorthin verirrt sich Frau äußerst selten.

      Dort wimmelt es von Maschinen, wie Bohrhämmer, elektrische Nagler, Elektrosägen und ähnliche gefährliche Ungetüme.

      In diesem Bereich ist der Mann absoluter König, nur ganz selten und sehr zaghaft kommt schon mal der Einwand seitens der weiblichen Truppen, dass der Keller mal wieder aufgeräumt werden könnte! Man beachte den Konjunktiv!

      Hier wird die persönliche Intimsphäre des Mannes ebenso rücksichtsvoll beachtet, wie der Mann seinerseits die persönlichen Bereiche seiner Frau im Schuhschrank oder in den Küchenschränken respektiert.

      Und das ist doch schließlich die Hauptsache, dass Mann und Frau so erzogen sind, jegliche Intimsphäre einer anderen Person immer und für alle Zeiten zu achten und niemals unerlaubt zu